Fachartikel

Legal Tech Jahresrückblick & Ausblick auf 2020

Welche Highlights gab es 2019 im Bereich Legal Tech in Deutschland? Und welche Veränderungen wird Legal Tech 2020 bewirken? Kommen jetzt langsam die Anwalts-Roboter mit künstlicher Intelligenz, die Rechtsanwälte überflüssig machen? Oder wird Legal Tech nur als Randerscheinung des Rechtsmarkts in nicht so attraktiven Rechtsgebieten wie Fluggastrechten und Ordnungswidrigkeiten erfolgreich bleiben? Wird es 2020 eine große Reform der BRAO und/oder des RDG geben und Legal Tech Anbietern Tür und Tor zum Rechtsmarkt geöffnet? Oder werden Legal Tech Unternehmen gesetzlich beschränkt und Kanzleien aber mehr Möglichkeiten zugestanden? BGH Entscheidungen (wenigermiete.de) haben schließlich rückwirkend kaum Wert, wenn die zu Grunde liegenden Rechtsnormen geändert werden. Das Jahr 2020 wird also sehr spannend im Legal Tech Markt.

Rückblick auf 2019

Patrick Prior DAV VortragZunächst schauen wir aber zurück auf das Legal Tech Geschehen im Jahr 2019. Hier gab es fast die gleichen Legal Tech Veranstaltungen wie in den letzten Jahren, man kann also von einer Etablierung sprechen. Das Schweitzer Zukunftsforum lief äußerst gut besucht in Hamburg nun zum dritten Mal. Die Resonanz und das Interesse an den dargebotenen Legal Tech Themen war so groß, dass in den Folgemonaten kleinere Ableger in München und Frankfurt stattfanden. Im Januar folgt nun auch Berlin.

Der Anwaltszukunftskongress von Wolters Kluwer und Soldan war ein weiterer Höhepunkt des Jahres 2019. Hier ist ebenfalls ein AZK 2020 in Planung, diesmal sogar erstmalig in der Hauptstadt. Die neunte Bucerius Herbsttagung des CLP und die Legal (R)evolution, als nunmehr größte etablierte Fachmesse für Legal Tech in Deutschland, liefen ebenfalls sehr erfolgreich und wurden gut besucht. Ein weiterer Höhepunkt war der Soldan Security Day, mit herausragenden Rednern zum Thema Kanzleisicherheit. Und Legal Tech war auch in Rechtsgebieten zu finden, die sonst nicht so sehr dafür bekannt sind. So gab es im Herbst 2019 erstmals einen Vortrag zum Thema Legal Tech bei der Herbsttagung des DAV im Familienrecht.

Das Jahr 2019 fing mit dem ersten Legal Tech Exit für Flightright und einer 11 Millionen Euro Kapital-Spritze für Helpcheck an. Danach wurde es allerdings etwas unruhiger im Legal Tech Markt, denn Gegenwind für die bisherigen Geschäfts-Konzepte der Legal Tech Start-Ups kam auf. Mehrere Vereinigungen stellten sich klar gegen Legal Tech Firmen und forderten Beschränkungen und Verbote. Rechtlich lag der Legal Tech Höhepunkt des Jahrs 2019 dann sicherlich bei der Verkündung des BGH Urteils über das Geschäftsmodell von wenigermiete.de. Hier wurde die Erlaubnis der Inkassotätigkeit des äußert erfolgreichen Start-Ups LexFox im Ergebnis vom BGH bejaht. Ein kleiner Dämpfer war allerdings das Urteil des LG Köln gegen Wolters Kluwer als Betreiber der Plattform Smartlaw. Hier wird sich 2020 zeigen, ob das Urteil Bestandskraft hat, da das Unternehmen ja angekündigt hat, vor den BGH ziehen zu wollen.

ChevalierFür mich persönlich waren die Besuche bei der Arbeitsrechts-Kanzlei Chevalier und bei LexFox (wenigermiete.de) weitere Highlights des Jahres. Hier konnte man live erleben, wie die „Kanzlei der Zukunft“ und eine bereits etablierte Legal Tech Firma sich täglich um ihre Mandanten kümmern.

Im Bereich der Software-Entwicklungen ist vor allem zu erwähnen, dass Cloud-Lösungen in der Kanzleiwelt immer nachgefragter werden und auch Work-Flow Software speziell bei Massenverfahren immer mehr zum Einsatz kommt. Auch juristische Verlage stoßen immer mehr in den Legal Tech Markt vor, wie z.B. Wolters Kluwer mit ihrer Baurechts-Lösung. Rechtsschutzversicherungen hingegen starten nur zögerlich (ARAG Rechtsschutzversicherung bereitet Einstieg in den deutschen Legal Tech Markt vor) und scheinen vor allem noch auf die endgültige Klärung der Rechtslage in Deutschland zu warten.

Ausblick auf 2020

Sowohl für Legal Tech Anbieter, als auch für alle Kanzleien, bleibt zu hoffen, dass im Jahr 2020 eine baldige und abschließende Klärung der Rechtslage von Legal Techs und eine Reform des RDG und der BRAO durchgeführt wird. Im Ergebnis sind die bisherigen Legal Tech Gerichtsurteile nur so viel Wert, wie die Gesetze, denen sie unterliegen. Wünschenswerterweise werden 2020 neue Möglichkeiten eröffnet, wie z.B. die Möglichkeit von Dritten in Kanzleien zu investieren, die Erlaubnis von Provisionsgeschäften für Anwälte/innen oder die Möglichkeit auch weitere Nicht-Juristen-Gruppen als Partner aufnehmen zu dürfen. Außerdem sollte Klarheit geschaffen werden, wie weit denn eine Inkassolizenz auch zur (automatisierten) Rechtsberatung berechtigt. Die bisherigen wagemutigen Legal Tech Unternehmer/innen würden davon genau so profitieren, wie alle zukunftsorientiert denkenden Juristen/innen. Würde doch durch eine abschließende Klärung der Situation auch eine gewisse Starre und Lethargie wegfallen, die die Rechtsbranche schon seit vielen Jahren gegen Innovationen hemmt. Die Zeitschrift „Cicero – Magazin für politische Kultur“ erklärte neulich sogar, dass der höchstinstanzliche Erfolg der Marke wenigermiete.de der Startschuss für die sogenannte Legal-Tech-Szene sein könnte. Ob dies so ist bleibt abzuwarten.

Wie das Beispiel Chevalier zeigt, werden Kanzleien in Zukunft deutlich interdisziplinärer und neue Berufe werden extrem nachgefragt, wie z.B. Legal Engineer oder CTO einer Kanzlei. Im Bereich Software wird 2020 vor allem die Mandanten-Plattform, Work-Flow Automatisierung, Legal Chatbots und verbesserte Matter Management Systeme im Vordergrund stehen. Da es immer mehr Anbieter von Legal Tech Software gibt, wird auch die Legal Tech Beratung in Zukunft verstärkt nachgefragt werden. Der Legal Tech Markt bleibt also spannend und die größten Veränderungen mit Sicht auf den Rechtsberatungsmarkt stehen erst noch bevor. 2020 wird dabei sicherlich ein Jahr mit weiter vorantreibenden Veränderungen werden.

Autor: Patrick Prior – Jurist, Legal Tech Berater und Entwickler

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