Wenn ein Rechtsprofessor in der Vorlesung von KI “überholt” wird!
Eine neue Ära der juristischen Bildung: Der Einfluss generativer KI
Stellen Sie sich vor, Sie sind seit 25 Jahren routinierter Professor und dann passiert Folgendes in der Vorlesung, als ein Student seine Lösung eines Falles zeigt: Eine Argumentation, so präzise und durchdacht, dass sie alles übertrifft, was Sie in einem Vierteljahrhundert Lehrtätigkeit gesehen oder selbst gelehrt haben. Was ist passiert?!
In einer sich rapide wandelnden Welt, in der digitale Technologien die Grenzen traditioneller Praktiken verwischen, erlebte ich als langjähriger Wirtschaftsrechtsprofessor im letzten Sommersemester 2023 damit eine Offenbarung, die nicht nur meine Sichtweise auf die juristische Bildung revolutionierte, sondern auch tiefgreifende Fragen über das Potenzial und die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) im Rechtswesen aufwarf.
Der Wendepunkt: Eine beeindruckende Falllösung durch KI
Als der Student mit der Unterstützung generativer KI eine Falllösung präsentierte, die alles bisher Gesehene in den Schatten stellte, wurde deutlich, dass wir am Beginn einer neuen Ära stehen.
Eine neue Ausprägung der KI, die eigenständig Inhalte generiert, transformiert die juristische Landschaft mit einer Geschwindigkeit und Tiefe, die bisher unvorstellbar war: ein Ereignis, das zutiefst beeindruckte.
Eine spannende Vision für die Zukunft: KI-Magie und langjährige Erfahrung zu verbinden
Inspiriert von dieser wegweisenden Begegnung mit der KI, nahm der altgediente Wirtschaftsprofessor, Ende 50, wieder ein Studium dieser fortschrittlichen Technologie auf und versucht mit wachsender Begeisterung mehr und mehr KI in den Lehrplan und die Praxisarbeit zu integrieren.
Es stellte sich konkret die Frage: Ist KI nicht sogar die Brücke, das eigene Lebenswerk zu vollenden und etwas der Erfahrung der nächsten Generation so weiterzugeben, dass sie es auch annehmen kann?
Das schon vor Jahrzehnten in vielen Tausenden Falllösungen entwickelte, innovative sog. Richterschema als systematischer Ansatz zur standardisierten Fallbearbeitung läßt sich überraschenderweise perfekt mit KI-Anwendungen wie ChatGPT verknüpfen. Dieses methodische Vorgehen eröffnete den Studierenden (und auch praktizierenden Juristen) die Möglichkeit, komplexe juristische Fragestellungen mit einer zuvor unerreichten Effizienz und Kreativität zu analysieren und zu lösen.
Das haben die Studierenden zuerst bemerkt, nicht der Professor, der es eigentlich entwickelt hatte! „Chapeau“ – Hut ab!
Revolution auch in der juristischen Praxis?
Diese Technologie, die eigenständig Inhalte wie Texte generieren kann, hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und beginnt nun, die juristische Praxis grundlegend zu verändern.
Die Fähigkeiten generativer KI-Systeme, juristische Dokumente zu erstellen, Vertragsanalysen durchzuführen und komplexe Rechtsfragen zu interpretieren, signalisieren eine signifikante Reduktion des Zeitaufwands für traditionelle juristische Aufgaben.
Für Juristen aller Art bedeutet dies eine beispiellose Möglichkeit, ihre Arbeitsweise zu revolutionieren, indem sie effizienter arbeiten und sich auf komplexere und strategisch wichtigere Aufgaben konzentrieren können.
Eine Herausforderung und Chance: KI als Partner
Noch sträuben sich viele Lehrende und Juristen gegen diesen Einzug der Digitalisierung in die Rechtsberatung und Lösung von Rechtsfällen. Hier gilt es jetzt umzudenken!
Die atemberaubende digitale Entwicklung erfordert jedoch mehr als nur ein technisches Verständnis; sie fordert eine Neuausrichtung unserer Denkweise.
Juristen stehen vor der Herausforderung, KI und ihre Tools (allen voran ChatGPT) nicht als Bedrohung, sondern als Partner zu betrachten, der das volle Potenzial ihrer Praxis entfalten kann.
Die Implementierung generativer KI in Hochschulen, und dann weiterführend an den Einsatzorten der Justiz, Rechtsberatung in Kanzleien und Rechtsabteilungen ist daher nicht nur ein Schritt zur Effizienzsteigerung, sondern auch ein strategischer Zug, um in einer sich ständig verändernden Welt wettbewerbsfähig zu bleiben.
3 Ansätze für eine erfolgreiche Integration von KI in der juristischen Bildung und Rechtspraxis
1. Aktive Auseinandersetzung mit KI-Technologien: Lehrende und Rechtsanwender müssen sich kontinuierlich mit den neuesten Entwicklungen im Bereich der generativen KI auseinandersetzen. Dies umfasst das Erlernen der Grundlagen, das Verständnis der Anwendungsmöglichkeiten und das Erkennen der Grenzen dieser Technologien. Ja, es gilt zurück auf die Schulbank und Weiterführung des lebenslangen Lernens. Die zahlreichen Bildungsangebote im Internet und an Bildungseinrichtungen müssen mindestens 2 Stunden pro Woche für Beschäftigung mit der KI genutzt werden.
2. Integration von KI in den Lehrplan und die Beratungspraxis: Es ist essentiell, KI als Werkzeug in den Lehrplan zu integrieren, um Studierenden praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Dies bereitet sie nicht nur auf die Anforderungen der modernen Rechtspraxis vor, sondern fördert auch ihr Verständnis und ihre Kompetenz im Umgang mit KI. Aber auch den bereits aktiven Juristen ist dringend anzuraten, mit kleinen KI-Aufgaben (wie z.B. einer Urteilzusammenfassung) anzufangen, erste AHA-Erlebnisse zu sammeln.
3. Förderung eines kritischen Dialogs über KI: Ein offener und kritischer Dialog über die Möglichkeiten und Herausforderungen der KI im Rechtswesen ist unerlässlich. Diskussionen über ethische Überlegungen, Datenschutz und die Rolle des Menschen in einer zunehmend automatisierten Rechtspraxis sind dabei von zentraler Bedeutung. Dieser Dialog kann aber nur gelingen, wenn man weiß, wie die KI u.a. mit ihren Prompts und Chatbots funktionieren.
Zusammenfassend: KI ist es Wert, sich mit ihr zu beschäftigen!
Die ersten Erfahrungen mit KI verdeutlichen, dass die Bereitschaft, sich auf neue Technologien einzulassen, und die Fähigkeit, traditionelle Methoden zu hinterfragen, entscheidend sind, um das Potenzial von KI in der juristischen Bildung und Praxis zu nutzen. KI ermöglicht eine tiefgreifende Transformation der juristischen Arbeit, indem sie Routinetätigkeiten automatisiert und den Fokus auf strategische und kreative Aufgaben verlagert.
Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära, in der KI nicht nur unsere Effizienz steigert, sondern auch die Qualität unserer Arbeit für die Lernenden und später die Mandanten verbessern kann.
Die nächsten Jahre werden zeigen, wie wir diese Technologie nutzen, um die Grenzen des Möglichen im Rechtswesen zu erweitern und eine Zukunft zu gestalten, die intelligent, effizient und kreativ ist.
Das KI Spaß machen kann, zeigen die neu gestalteten Vorlesungen mit Studierenden, die sich z.B. mit ihren KI-Ergebnissen in den nun noch häufiger anzutreffenden Präsentationen gegenseitig versuchen zu übertrumpfen.
Dazu kommen sehr ermutigende Erlebnisse bei der Lösung von praktischen Rechtsfällen: die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen, die z.B. ChatGPT liefert ist immer wieder inspirierend und hat mitunter sogar “Suchtcharakter”.
Autor: Prof. Dr. iur. Thorsten Richter ist Hochschulprofessor für Wirtschaftsrecht an der HTW Dresden und zeigt auf seiner Seite www.Richterschema.com wie er jeden Rechts-Fall mit KI löst, Juristen das erfolgreiche Prompten beibringt und falllösende Chatbots (z.B. ChatGPTs) für Anwälte, Juristen und Rechtsberater baut.