Reshaping Legal Education
eLegal wurde 2019 an der Georg-August-Universität Göttingen gegründet und ist seitdem zur bundesweit führenden Legal Tech-Initiative mit fast 200 Mitgliedern und einem großen Netzwerk in der Rechtspraxis angewachsen. Mit der preisgekrönten Legal Tech University setzt der Verein neue Maßstäbe bei der studentischen Legal Tech-Bildung.
Die Digitalisierung verändert die Art und Weise wie wir leben und arbeiten. Und sie verändert auch die Rechtsbranche. In Großkanzleien ist es längst üblich, dass Verträge von Software nicht nur überprüft, sondern auch formuliert werden. Rechtsstreitigkeiten werden längst nicht mehr nur vor staatlichen Gerichten ausgefochten, sondern zunehmend auf Online-Plattformen durch Algorithmen entschieden. Schon heute werden im internationalen Warenverkehr automatisierte, sich selbst erfüllenden Verträge (“Smart Contracts”) eingesetzt. All das geht an den meisten Jurastudierenden vorbei. Tag für Tag, Jahr für Jahr verbringen sie ihr Studium in stickigen Bibliotheken, um zwischen sich bis zur Decke türmenden Altauflagen des “Wessels” und des “Brox/Walker” Definitionen und Meinungsstreitigkeiten auswendig zu lernen. Haben sie ihr Studium durch viel Auswendiglernen und Glück erfolgreich abgeschlossen, wachen sie in einer Welt auf, die mit der verstaubten Wirklichkeit des Studiums nichts zu tun hat. Das Schlagwort “Legal Tech” löst bei den meisten Studierenden nach wie vor nur einen fragenden Gesichtsausdruck aus. Wer eine Assoziation zu Flightright oder wenigermiete.de herstellt, darf sich schon seines überdurchschnittlichen Wissens rühmen.
Es stellt sich die Frage, welchen Sinn eine Ausbildung hat, die die in der Praxis benötigten Kenntnisse nicht einmal im Ansatz vermittelt. Und zu diesen Kenntnissen gehört neben den juristischen heute eben auch der Umgang mit einschlägigen Tools oder zumindest grundlegendes Verständnis darüber, welche Aufgaben verschiedene, in der Praxis gebräuchliche technische Hilfsmittel übernehmen können.
Angesichts des Siegeszugs von Legal Tech in allen Bereichen der Juristerei wäre zudem wünschenswert, dass in den Universitäten Möglichkeiten und Grenzen, aber auch Chancen und Risiken des Einsatzes von Legal Tech-Lösungen diskutiert werden. Man denke etwa an die Vorbereitung richterlicher Entscheidungen durch KI oder die viel diskutierte Frage, ob die Möglichkeit, einfach gelagerte Fälle massenhaft und lukrativ abzuwickeln, letztlich zu einer generellen Verschlechterung des Zugangs zum Recht bzw. der Beratungsqualität führt. Zumindest die theoretische Ausleuchtung dieser gewichtigen rechtsstaatlichen Implikationen darf man den juristischen Fakultäten wohl als eine ihrer Kernaufgaben abverlangen. In den Vorlesungsverzeichnissen findet sich indes auch hierzu: nichts.
Initiative
Um die entstandene Lücke zwischen Ausbildung und Praxis zu schließen, haben wir deshalb bereits im Frühjahr 2019 die Initiative eLegal gegründet. Mit mittlerweile fast 200 Mitgliedern sind wir bundesweit vertreten und haben seit unserer Gründung bereits eine ganze Reihe verschiedener Projekte und Veranstaltungen organisiert. In Webinaren können Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr über die anwaltliche Arbeit mit künstlicher Intelligenz oder die Zukunft juristischer Berufe lernen. In praktischen Workshops erstellen sie selbst intelligente Vertragsmuster oder programmieren kleine Bots, die automatisiert repetitive Arbeitsaufträge ausführen. Gleichzeitig veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen Interviews, Fachartikel und unseren Podcast “How to Legal Tech”, um auf möglichst vielen Ebenen einen niedrigschwelligen Einstieg zu ermöglichen.
Legal Tech University
Nach anderthalb Jahren intensiver Vorbereitung haben wir zudem im Februar 2022 die Legal Tech University veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um eine in dieser Form weltweit bislang einzigartige, kostenlose Lernplattform, mit deren Hilfe die Nutzerinnen und Nutzer umfassendes Grundlagenwissen über die Veränderung der juristischen Arbeit durch die Digitalisierung erwerben können. Die Inhalte der Plattform wird in enger Zusammenarbeit mit führenden Expertinnen und Experten aus Kanzleien, Rechtsabteilungen, Startups, Gerichten und Universitäten erarbeitet.
In 25 verschiedenen Einheiten geben wir einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Arbeit von Juristinnen und Juristen. Dazu kombinieren wir einführende Artikel mit realistischen Praxisbeispielen und eingebetteten Tools für eine möglichst abwechslungsreiche und praxisnahe Lernerfahrung. Durch Wissenskontrollen und individuelles Fortschrittstracking stellen wir dabei eine personalisierte Lernerfahrung sicher.
Mittelfristig verfolgen wir das Ziel, unsere Lernplattform schrittweise in universitäre Lehrveranstaltungen zu integrieren. Insbesondere im Rahmen von (verpflichtenden) Schlüsselqualifikationsveranstaltungen sollen Studierende nicht mehr nur praktisches Anwendungswissen sammeln, sondern gleichzeitig auch einen breiten Überblick über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung des Rechts erhalten. Dazu bieten wir Universitäten in enger Zusammenarbeit unsere Lernplattform zur kostenlosen Nutzung an und unterstützen sie aktiv bei der Integration in bestehende oder neue Veranstaltungen.
Die Legal Tech University ist für jedermann frei zugänglich; erforderlich ist lediglich eine einmalige Registrierung. Zu finden ist die Lernplattform unter www.legaltech.university.
Mitwirken
Alle Studierenden, die durch unsere Angebote Lust auf Legal Tech bekommen haben und sich auch in praktischer Hinsicht intensiver auf ihre Zukunft vorbereiten, an der (Weiter-)Entwicklung unserer Formate und Angebote mitwirken oder Zugang zu noch mehr Informationen und Veranstaltungen bekommen wollen, sind herzlich eingeladen, Mitglied in unserer Initiative zu werden. Darüber hinaus freuen wir uns auch sehr über Zulauf von Anwältinnen, Richtern, Referendarinnen und anderen Praktikern.
In unseren interdisziplinären Teams arbeiten (angehende) Juristen und Informatiker völlig universitätsunabhängig und sogar über Ländergrenzen hinweg mit Experten aus Kanzleien, Startups und Universitäten zusammen. Dabei sind wir vollständig projektbezogen organisiert und nutzen verschiedene Kollaborationstools wie Notion, Slack oder Zoom, um allen Mitgliedern maximale Flexibilität für ihr Engagement zu geben. Wir ermutigen ausdrücklich auch Interessierte ohne Vorkenntnisse, Mitglied bei eLegal zu werden. Wir hatten am Anfang alle keine – gerade deshalb haben wir eLegal gegründet!
Alle unsere Formate und Publikationen sowie mehr Informationen über uns und unsere Motivation finden Sie unter https://www.elegal.technology
Autor: Steffen Kootz studiert im zehnten Semester Jura an der Göttinger Georg-August-Universität und ist Gründer und Vorstandsvorsitzender von eLegal.
Autor: Jari Kohne studiert im zehnten Semester Jura an der Leibniz Universität Hannover und ist Vorstandsmitglied bei eLegal.