Fachartikel

Neues Inkassorecht und Gerichtsurteil greifen Legal Tech Angebote für Verbraucher an

In den letzten Tagen gab es zwei Nachrichten, die die Legal Tech Welt in Deutschland stark beeinflussen und sogar richtungsweisend verändern könnten. Beide Meldungen haben direkte Auswirkungen auf Anbieter von Legal Tech Lösungen für Verbraucher.

Gesetzesentwurf zum neuen Inkassorecht

Am 9.10.19 berichtet das Handelsblatt über den Gesetzesentwurf zur „Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht“. Das wohlwollende Ziel dieses Entwurfes ist es, Verbraucher gegen unseriöse Praktiken und hohe Inkassokosten zu schützen. Wer sich mit Geschäftsmodellen von Legal Tech Firmen für Verbraucher auskennt, weiss, dass diese oftmals als Inkassounternehmen zugelassen und tätig sind. Im neuen Gesetzentwurf finden sich Regelungen, die Nachteilig für Legal Tech Firmen wären.

Eine dieser Neuregelungen betrifft das sogenannte „forum-shopping“. Laut Wikipedia versteht man darunter „das systematische Ausnutzen nebeneinander bestehender Zuständigkeiten um bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile willen.“ Die hierauf bezogene Änderung befände sich in § 13 Absatz 1 S.4 RDG. In der Begründung dazu heisst es: „Mit dem neuen Buchstaben c soll insbesondere einem „forum-shopping“ im Bereich der Registrierungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz vorgebeugt werden. Vor allem im Zusammenhang mit den als „Legal Tech“ bezeichneten neuartigen Rechtsdienstleistungen, bei denen zweifelhaft sein kann, ob sie Inkassodienstleistungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 RDG darstellen, hat sich gezeigt, dass Antragsteller dann, wenn ihnen von der für ihren Sitz zuständigen Behörde eine Ablehnung des Antrags in Aussicht gestellt wurde, ihren Sitz verlegt und ihren Antrag bei der dann zuständigen Behörde noch einmal neu gestellt haben. In diesem Fall sollte der neu zuständigen Behörde dann aber zumindest bekannt sein, dass es schon einmal einen anderen Antrag gegeben hat.“

Eine weitere Neuregelung betrifft die Rechte der Aufsichtsbehörden für Inkasso, die deutlich gestärkt werden sollen. Im geplanten § 13e RDG heisst es dann: „Sie [die Aufsichtsbehörde] kann insbesondere anordnen, dass ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen ist. Eine Anordnung nach Satz 2 kommt insbesondere zur Entscheidung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder bei einem erheblichen oder wiederholten Verstoß gegen Rechtsvorschriften in Betracht.“

In der Praxis könnte dies dazu führen, dass Aufsichtsbehörden anordnen können, dass die Automatisierung von Rechtsdienstleistungen bis zu der Entscheidung einer Rechtsfrage zu unterlassen seien.

Smartlaw Urteil LG Köln

Ein weiterer Sieg gegen einen Legal Tech Anbieter fand am 8.10.19 statt. Das Landgericht Köln (Aktenzeichen 33 O 35/19) hat ein richtungsweisendes Urteil gegen das Legal Tech Angebot smartlaw von Wolters Kluwer verkündet.

Geklagt hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg. In ihrer Presseerklärung hieß es, smartlaw sei „als unzulässige Rechtsdienstleistung und deshalb als Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)“ vom Landgericht Köln bewertet worden. Weiter hieß es: „Es hat seinen guten Grund, dass das RDG eine „Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“, der Anwaltschaft vorbehält. Eine solche rechtliche Prüfung im Einzelfall ist besonders bei der Zusammenstellung von Vertragsrechten und -pflichten im Rahmen von abzuschließenden Verträgen geboten. Bei der Gestaltung rechtssicherer und interessengerechter Verträge muss in der Regel in Zusammenarbeit mit der Mandantschaft der maßgebliche Sachverhalt geklärt und geprüft werden, ob die von der Mandantschaft gestellten Fragen zur Vertragsgestaltung den Sachverhalt wirklich ausschöpfen. Das kann ein Computer, der in einem Frage- und Antwort-System unterschiedliche Fragen zu der gewünschten Vertragsgestaltung stellt und dann einen unter Berücksichtigung der Antworten zusammengestellten Vertrag liefert, nicht bieten. Er kann nämlich den Wert und den Wahrheitsgehalt der Antworten des/der Benutzer/in nicht hinterfragen, und er kann auch nicht beurteilen, ob im Interesse des/der Benutzer/in gebotene Fragen gerade nicht gestellt sind. Dabei war im entschiedenen Fall unstreitig, dass der Computer bei diesem Produkt nicht über „künstliche Intelligenz“ – was auch immer das sein mag – verfügt.“, und weiter „Dies gilt auch dann, wenn das Unternehmen in die AGB hineinschreibt, es liefere keine Rechtsberatung, sondern (nur) ein Verlagserzeugnis; denn die Kundschaft versteht nicht, dass sie lediglich selbst auf eigene Faust auf der Basis von Muster-Sammlungen ihren Vertrag zusammenstellt.“

Am 10.10.19 nahm Wolters Kluwer in einer Pressemitteilung zu diesem Urteil Stellung. Kristina Schleß, Head of Legal & Compliance bei Wolters Kluwer Deutschland sagte: „Nach unserer Auffassung erfüllt smartlaw nicht den Tatbestand der Rechtsdienstleistung im Sinne des § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Insbesondere ist keine rechtliche Prüfung eines Einzelfalls erforderlich. Abgedeckt wird eine Vielzahl standardisierter Sachverhalte. Dafür, dass auch ein Computer oder eine Software die „Tätigkeit“ im Sinne des RDG erbringen könnte, findet sich in Gesetz und Entwurfsbegründung kein Beleg. Diese Entscheidung des Gesetzgebers durch eine großzügige Auslegung zu korrigieren, greift unzulässig in die Kompetenz des Gesetzgebers ein, der sich bekanntlich ohnehin aktuell rechtspolitisch mit dem Thema befasst.“ Martina Bruder, CEO von Wolters Kluwer Deutschland äußerte sich ebenfalls: „Es ist keinesfalls unsere Zielsetzung, mit smartlaw die individuelle Rechtsberatung durch einen Anwalt zu ersetzen. smartlaw richtet sich nach Themenauswahl und Preisgestaltung an eine Zielgruppe, die typischerweise aus Kosten- oder Zeitgründen keine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach RDG tätigen Rechtsdienstleister in Anspruch nehmen würde, sondern ihre Verträge selbst erstellen möchte.“

Im Ergebnis werde Wolters Kluwer Deutschland GmbH gegen das Urteil des Landgerichtes Köln Berufung einlegen und ggf. höchstinstanzlich entscheiden lassen.

Fazit

Es tut sich viel am Legal Tech Markt mit Angeboten für Verbraucher. Nach einigen „wilden“ Jahren, die begleitet waren von Anwälten/innen, die von Begeisterung über die neuen Möglichkeiten bis hin zu starken Rufen nach Verboten alles äußerten, finden nun Regulierungen statt.

Endlich nehmen sich Politik und Rechtsprechung dem Thema „Legal Tech für Verbaucher“ an, siehe auch Neuregelung der BRAO. Ob das Ergebnis am Ende für alle zufriedenstellend sein wird, bleibt abzuwarten. Es bleibt dabei zu hoffen, dass am Ende vor allem die Verbraucher im Mittelpunkt stehen. Diese sehnen sich nach einfachen und bezahlbaren Möglichkeiten ihre Rechte durchzusetzen, müssen aber gleichzeitig auch vor falschen Erwartungen und schlechter Beratung geschützt werden. Bedenken sollte man dabei auch, dass ein komplett automatisierter Vertragsgenerator, oder sogar ein Rechtsfragen beantwortender Legal Chatbot der Zukunft, immer nur so gut sein kann, wie auch das Eingabeverständnis des Users. Hier müsste eine KI also so gut sein, auch vorbeugende Fehler zu erkennen und Nachfragen zu stellen, um den User vor sich selbst zu schützen. Dabei stellt sich dann auch die Frage der Haftung für eine automatisierte „Falschberatung“, je nach dem wer der Anbieter ist.

Am Ende muss man sich fragen, ob man trotzdem mit Hinweisen versehen, dem Kunden ein solches Angebot machen möchte, quasi automatisiert und günstig, aber vielleicht nicht 100% zu seinen Bedürfnissen passend, oder ob man den Kunden davor schützen möchte, ihm dafür aber keine Möglichkeit gibt günstig an solche Rechtsdokumente und Ratschläge zu kommen. Bekanntermassen gehen dann viele erst gar nicht zum Anwalt, schauen bei Google selber nach oder verwenden eine Vertragsvorlage, die sehr allgemein formuliert ist und für ihre Zwecke meist auch nicht optimal. Ob das besser ist für den Kunden, und auch für die Anwaltschaft, ist zumindest fraglich.

Nächste richtungsweisende Entscheidung

Am 16.10.19 verhandelt der BGH (AZ VIII ZR 285/18) die Klage gegen den Legal Tech Anbieter LexFox GmbH bezogen auf sein Angebot im Mietrecht wenigermiete.de. Dabei geht es kurz formuliert darum, ob das Angebot eines computerbasierten Mietpreisrechners, der analysiert ob ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse vorliegt, eine unerlaubte Rechtsdienstleistung darstellt. Dieses Urteil wird einen weiteren Meilenstein setzen, wie in Deutschland Legal Tech Unternehmen für Verbraucher zukünftig tätig sein dürfen.

Autor: Patrick Prior, Jurist, Legal Tech Experte und Berater bei der Firma Advotisement

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