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Legal Tech in der Juristenausbildung: Eine Erfolgsstory aus NRW

Leser dieses Magazins wissen: Legal Tech ist die Zukunft. Deswegen muss eine zukunftsfähige Juristenausbildung darauf vorbereiten. In NRW hat die politische Führung das erkannt, das Juristenausbildungsgesetz geändert und mit dem bundesweit einmaligen Fachkongress „JURTECH:JURSTUDY“ Experten zusammengebracht, um genau über dieses Thema zu diskutieren.

Die Reise dorthin begann wohl, als das Ministerium der Justiz NRW (im Folgenden: „JM NRW”) Ende 2020 Änderungen am Juristenausbildungsgesetz (im Folgenden: „JAG“) ankündigte, dabei aber kein Wort zur Digitalisierung verlor. In einem offenen Brief forderte der Think-Tank recode.law das JM NRW daher dazu auf, Legal Tech in der Juristenausbildung zu fördern. Konkret schlugen wir dazu zwei Maßnahmen vor: Erstens, nicht nur fremdsprachige, sondern auch andere Zusatzausbildungen mit einem Freisemester zu honorieren, und zweitens, Legal Tech per Gesetz zum Inhalt des Studiums zu erklären. Eine von recode.law organisierte Podiumsdiskussion mit u. a. dem Minister der Justiz und eine vierzigseitige Stellungnahme von recode.law für den Rechtsausschuss des Landtags (Stellungnahme 17/3715) später, hatten wir unser Ziel erreicht: Nach § 25 Abs. 2 Nr. 4 des heutigen JAG führt auch „eine Ausbildung im Bereich Digitalisierung und Recht“ zu einem Freisemester im Zusammenhang mit dem Freiversuch; nach § 7 Abs. 2 soll das Studium auch „digitale Kompetenzen“ vermitteln.

Der Rahmen ist da, aber wie füllt man ihn aus?

Der rechtliche Rahmen für Legal Tech in der Juristenausbildung war damit geschaffen. Aber wie sollte man ihn an den Hochschulen des Landes konkret ausfüllen? Um diese Frage zu beantworten, organisierte das JM NRW einen bis dahin bundesweit einmaligen Fachkongress namens JURTECH:JURSTUDY. Neben Legal Tech behandelte dieser Fachkongress auch drei andere Themenkomplexe im Zusammenhang mit Digitalisierung und Juristenausbildung: digitale Lehre, digitale Prüfungen und das Recht der Digitalisierung. Der Fachkongress setzte sich aus zwei Teilen zusammen: Im ersten Teil wurde jeder der vier Themenkomplexe von je einer fünfzehnköpfigen Expertengruppe diskutiert und aufbereitet. Den zweiten Teil bildete der Kongresstag am 23. Februar 2022 auf dem Gelände des Düsseldorfer Flughafens. Nach dem Grußwort des Ministers der Justiz fanden dort Podiumsdiskussionen zu den vier Themenkomplexen statt.

Die Ergebnisse der Podiumsdiskussionen

In der ersten Podiumsdiskussion („Juristische Arbeitswelt der Zukunft“) stellte sich heraus, dass die juristische Arbeitswelt ohne Legal Tech inzwischen undenkbar ist und es daher nun Aufgabe der Universitäten ist, den zukünftigen Juristinnen und Juristen ein Mindset für die Digitalisierung zu vermitteln. Auch die zweite Podiumsdiskussion („Rechtsanwendung auf digitale Sachverhalte“) knüpfte daran an und ging der Frage nach, wie die juristischen Sachverhalte sich an die digitalisierte Welt und die technischen Neuerungen anpassen können. Getreu dem Motto: „Analog first, digital second“, sollen den Diskutanten zufolge weiterhin zunächst die „klassischen“ Einstiegsfälle wie das „Brötchenkaufen“ behandelt werden. Anschließend sollen aber auch digitale Sachverhalte wie ein Instagram-Posting als Abwandlung des klassischen Mephisto-Falls aufgegriffen werden, um durch diese Transfer-Möglichkeit das Rechtsverständnis der Studierenden zu erhöhen.

Die beiden weiteren Diskussionsrunden legten den Fokus auf zukünftige Lehr- und Prüfungsformate: Während das dritte Podium („digitale Lehre“) viele Möglichkeiten aufzeigte, wie die Lehrenden Zugangsmöglichkeiten zur Vorlesung schaffen und die Partizipation der Studierenden erhöhen können, indem sie bspw. flächendeckend hybride Vorlesungsformate anbieten und daneben Lernvideos und andere digitale Elemente in die Vorlesung einbauen, zeigte sich in der letzten Diskussion („digitale Prüfungen“), dass sowohl Justizprüfungsämter als auch Universitäten durch die Einführung digitaler Klausuren vor diversen Problemen stehen. Hier geht es auch um handfeste Probleme wie die Anschaffung von Computerausstattungen und die Findung geeigneter Räume. Ziel ist es jedenfalls, das E-Examen schon im Jahr 2024 anzubieten und die Studierenden darauf vorzubereiten.

Unser Fazit aus dem „JURTECH:JURSTUDY“ Fachkongress

Auf dem Fachkongress zeigte sich viel Begeisterung für Digitalisierung und Legal Tech. Es wurden über die juristischen Professionen hinweg viele Ideen ausgetauscht, wie die Universitäten der Aufgabe, „digitale Kompetenzen“ zu vermitteln, gerecht werden können. Auch sind die Erkenntnisse mit dem Ministerium an einer Stelle angekommen, wo sie wirklich etwas bewirken können. Daher ist der Fachkongress ein großer Erfolg gewesen und könnte auch als Vorbild für andere Bundesländer dienen.

Gleichzeitig waren auf dem Kongress aber auch vor allem Experten aus dem Bereich Legal Tech und Digitalisierung anwesend, die von diesen Themen sowieso schon überzeugt sind. Bis diese Ideen und Vorschläge aber sämtliche Vorlesungen erreichen, bleibt es wohl noch ein langer Weg, sodass auch die Digitalisierung der Juristenausbildung insgesamt nur langsam voranschreiten wird. Dennoch gilt: Durch diesen Fachkongress ist ein erster Schritt getan. Nun müssen weitere Schritte folgen, um den Universitäten in NRW bei der Umsetzung zu helfen. Zugleich müssen Lehrende und Studierende auch Initiative ergreifen, um die Digitalisierung des Jurastudiums und auch Legal Tech in die Vorlesung zu holen. So können Lehrende diese Themen in ihren Vorlesungen behandeln – und die Studierenden müssen die Chance ergreifen, diese Angebote anzunehmen.

Unsere nächsten Ziele

Als recode.law bleiben unsere Ziele im Bereich der Juristenausbildung nun zum einen, dass Legal Tech auch in die JAG der anderen Bundesländer kommt. Zum anderen wollen wir den Austausch der Universitäten im Bereich Legal Tech weiterhin anregen, sodass in Zukunft keine Studentin und kein Student die Ausbildung abschließt, ohne auf die zukünftige Arbeitswelt vorbereitet zu sein. Und das geht nur, wenn jede Juristin und jeder Jurist ein Grundverständnis von Legal Tech und davon vermittelt bekommt, welche Rolle es in der Rechtsfindung, Rechtsgestaltung und Rechtsdurchsetzung spielen wird.

Autorin: Annika Koch ist Studentin und Mitglied des Think-Tanks recode.law. Dabei engagiert sie sich dafür, dass die juristische Ausbildung zeitgemäßer und digitaler gestaltet wird und Legal Tech umfasst. Im Zuge dessen wirkte sie an der Stellungnahme von recode.law für den Landtag NRW mit und schrieb eine Stellungnahme zum Thema „Didaktik rechtswissenschaftlicher Lehre im Zeichen der Digitalisierung” für den Fachkongress JURTECH:JURSTUDY.

Autor: Paul F. Welter ist Jurist, Programmierer und Mitgründer des Think-Tanks recode.law. Von 2020 bis 2022 war er dessen Vorstandsvorsitzender. In diesem Rahmen setzte er sich intensiv für die Aufnahme von Legal Tech in die Juristenausbildung ein und veröffentlichte diverse Beiträge zu diesem Thema, zuletzt seine Stellungnahme im Rahmen von JURTECH:JURSTUDY: „Die Digitalisierung des Rechts: Staatsaufgabe und Ausbildungsinhalt“.

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