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Innovationstag Legal Tech für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare

Das Interesse war groß: Über 300 bayerische Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare haben am 16.02.2022 an einer Online-Veranstaltung zu den Themen Digitalisierung und Legal Tech, dem „Innovationstag Legal Tech“, teilgenommen. Organisiert und durchgeführt hatte die Veranstaltung das Bayerische Staatsministerium der Justiz.

Inhaltliche Konzeption

Nach einem Grußwort von Herrn Staatsminister Georg Eisenreich führte Dr. Bettina Mielke in die Grundlagen von Legal Tech ein. Wie wichtig die Einführung der Vorsitzenden Richterin am OLG Nürnberg und dortigen Leiterin der Abteilung E (Rechtsreferendare und Juristische Staatsprüfungen) war, zeigte das nach der Veranstaltung eingeholte Feedback der Teilnehmenden: Nach eigener Einschätzung hatte der Großteil der Referendarinnen und Referendare noch keine oder nur geringfügige Kenntnisse über Legal Tech. Der einführenden Klärung von Grundbegriffen und Vermittlung von Basiswissen, etwa zur begrifflichen Herleitung von Legal Tech sowie zu dessen vielfältigen Erscheinungsformen, folgten vertiefende Vorträge aus unterschiedlichen Perspektiven:

Janine Krzizok widmete sich in ihrem Vortrag den aktuellen Herausforderungen in der richterlichen Praxis. Als Richterin am Amtsgericht in Erding berichtete sie anschaulich von ihrem Arbeitsalltag bei der praktischen Bewältigung der weit überwiegend auf die Nutzung von Legal Tech-Tools zurückgehenden Fluggastentschädigungsfälle, die dort angesichts des im Amtsgerichtsbezirk Erding angesiedelten Münchener Flughafens ca. 85 % aller Zivilverfahren ausmachen. Als thematisches Gegenstück angedacht gewesen wäre ein Vortrag von Dr. Martin Wachter, Bayerisches Staatsministerium der Justiz, zu den Einsatzmöglichkeiten von Legal Tech in der Justiz, der jedoch leider krankheitsbedingt kurzfristig ausfallen musste.

Die Perspektive der Rechtsdienstleistungsbranche bildete einen weiteren thematischen Schwerpunkt der Veranstaltung. Rechtsanwalt Nico Kuhlmann erklärte, wie Legal Tech bereits derzeit seinen Arbeitsalltag in der Kanzlei prägt und in den kommenden Jahren voraussichtlich noch weiter prägen wird. „Rechtsdienstleistungen werden vermehrt wie Schuhe hergestellt werden“, so sein Resümee mit Blick auf das Verhältnis zwischen hochspezialisierter anwaltlicher Beratung und automationsgestützten Lösungen „von der Stange“.

Im weiteren Verlauf widmete sich Dr. Till Guttenberger, Bayerisches Staatsministerium der Justiz, der zugleich als Moderator durch den Innovationstag führte, in seinem Vortrag den rechtspolitischen Herausforderungen von Legal Tech. Er zeigte auf, welchen verfassungsrechtlichen Grenzen Legal Tech begegnet und dass hierfür staatliche Wertentscheidungen notwendig sind. Die in Art. 79 Abs. 3 GG verankerte „Ewigkeitsklausel“ bilde die „rote Linie“ für den „Richterroboter“, so Dr. Guttenberger.

In einem zweiten Vortragsblock trug Dr. Bettina Mielke zu „Data Science und Big Data im Rechtswesen“ vor. Dabei behandelte sie Themen wie Korpuslinguistik bzw. Natural Language Processing (NLP), E-Discovery und Legal Analytics samt deren mögliche Einsatzbereiche im Rechtsbereich, etwa in umfangreichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren.

Ich selbst durfte die Veranstaltung mit einer Einführung in (Legal) Design Thinking schließen. Nach einer Erläuterung der Funktionsweise der Innovationsmethode Design Thinking sowie der Vorstellung ausgewählter Praxisbeispiele wurden die Teilnehmenden aktiv eingebunden: Gemeinsam sammelten wir Ideen, wie sich ein Zivilurteil neu gestalten ließe, um es für die unterliegende (Natural-)Partei besser verständlich und nachvollziehbar zu machen.

Technische Durchführung und Organisation

Die Anmeldung erfolgte zentral über die Referendargeschäftsstellen der drei Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg.

Konferenztechnisch wurde die Veranstaltung über die Plattform Microsoft Teams abgewickelt. Um trotz des pandemiebedingten Onlineformats eine Interaktion mit den Teilnehmenden zu ermöglichen, konnten sich die Referendarinnen und Referendare über den Chat beteiligen. Dies wurde gegenüber der ebenfalls eröffneten Möglichkeit, sich mit Bild und Ton zuzuschalten, von den Teilnehmenden präferiert. Nach jedem Vortragsthema gab es eine Fragerunde, die auch rege genutzt wurde.

Ausblick

Kürzlich wurde die bayerische Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) geändert. Nun ist in § 23 Abs. 3 Satz 2 bzw. § 44 Abs. 1 Satz 2 JAPO ausdrücklich klargestellt, dass die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung im Rahmen der Ausbildung Berücksichtigung findet – sowohl mit Blick auf das Studium als auch das Referendariat.

Hierzu soll unter anderem das bestehende Angebot an Veranstaltungen im Referendariat zum Erwerb berufsrelevanter Zusatzqualifikationen zeitnah um Kurse beispielsweise zu Legal Tech und zur Digitalisierung in der juristischen Arbeitspraxis erweitert werden. Die große Resonanz bei dem Innovationstag Legal Tech, der auch als „Appetizer“ in diesem Bereich gedacht war, hat gezeigt, dass ein solches Angebot auf große Nachfrage trifft.

Daneben soll demnächst ein neues Berufsfeld eingerichtet werden, das voraussichtlich Rechtsfragen des Einsatzes von Legal Tech-Anwendungen sowie weitere wichtige Rechtsfragen der Digitalisierung umfasst und eine tiefergehende Spezialisierung in diesen Bereichen ermöglicht. Das Berufsfeld bildet einen Bestandteil der mündlichen Prüfung im Zweiten Juristischen Staatsexamen in Bayern und bestimmt demgemäß auch die Wahlstation.

Hierdurch sollen die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare künftig noch besser auf die zukünftigen Anforderungen im Berufsalltag als Juristin bzw. Jurist vorbereitet werden – unabhängig davon, ob sie sich für eine Tätigkeit in einem Unternehmen, in der Anwaltschaft, in der Verwaltung, im Notariat oder in der Justiz entscheiden.

Autorin: Dr. Christina-Maria Leeb ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Analyst Digital Business Development bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München sowie Rechtsreferendarin im OLG-Bezirk München. Weitere Informationen über die Autorin finden Sie unter www.christina-maria-leeb.de.

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