Ausbildung & KarriereFachartikel

Der LL.M. Legal Tech als neue Weiterbildungsmöglichkeit

Die universitäre Ausbildung bildet für alle Jurist:innen die Grundlage bei der Ausrichtung im Berufsleben. Leider kommt der Fokus auf Legal Tech und die damit zusammenhängenden Optionen für die Studierenden der Rechtswissenschaften als auch für Berufstätige noch zu kurz. Ändern könnte sich diese Bildungslücke durch neu vermittelte Inhalte in einem Weiterbildungsstudiengang: LL.M. Legal Tech.

Die Rechtswissenschaft versorgt die Studierenden mit verschiedenen Perspektiven der klassischen Rechtsbereiche. Vorlesungen, Arbeitsgemeinschaften, Seminare und Repetitorien begleiten uns bis zum Ersten Staatsexamen. Trotz der Vielseitigkeit des Jurastudiums wird leider ein nur geringer Einblick in Digitalisierung ermöglicht: Legal Tech als der sich mit der Automatisierung von juristischen Tätigkeiten befassende Rechtsbereich, rückt zwar immer mehr in den Fokus des Rechtsmarktes, nicht jedoch in den des Bildungsweges in der Rechtswissenschaft. Im Vergleich dazu sind Rechtsprechung und Gesetzgebung progressiver: Das beste Beispiel für einen massiven Fortschritt ist das seit dem 01.10.2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ oder auch kurz „Legal Tech Gesetz“. Doch wie sich solche Neuerungen auf das Leben eines Studierenden oder eines Berufstätigen auswirken, scheint nach wie vor nicht klar zu sein. Die Universität Regensburg erkannte die (Aus-)Bildungslücke und etablierte im Jahr 2020 einen neuen Masterstudiengang: Den ersten deutschen Master of Laws im Bereich Legal Tech.

Der Weg zu Legal Tech als Berufsanfänger:in

Heute stoßen Studierende und Referendar:innen, die sich für Legal Tech als „neue Rechtsabteilung“ interessieren, oft an Hürden beim Kennenlernen des Bereiches. Andere wissen nicht Mal, dass so etwas existiert und wie weit der Entwicklungsstand neben dem klassischen Jura-Dasein ist. Ähnlich ging es auch mir: Nach den schriftlichen Prüfungen sehnte ich mich wieder nach dem „normalen“ (Berufs-)Alltag ohne Bibliotheksekstasen oder langwierigen Lernsessions und bewarb mich daher bei einem Start Up. Zufällig entdeckte ich nach dem Vorstellungsgespräch, dass das neu gegründete Unternehmen im Bereich des „Legal Tech“ und für eine Rechtsanwaltskanzlei tätig ist. Coole Arbeitszeiten und Kollegen, irgendwas mit Jura und ganz nettes Gehalt schienen mir akzeptabel. Ich lernte die Online-Mandatierung per Website und Vertragsgeneratoren für Mandatsverträge kennen. Ich blickte in den Kosmos der Massenschadensfälle, innovativer Rechtsproduktentwicklung und die auf Algorithmen basierenden Arbeitsprozesse. Alles in der Kombination schenkte mir eine neue Perspektive von Jura, in der ich mich sofort wohl fühlte. Im Vergleich dazu war mein vorheriger Nebenjob als studentische Hilfskraft einer klassischen Kanzlei mit der Verwaltung von Post und Akten – ausschließlich in Papierform – eine ganz andere Welt, die ich in der Art nicht nochmal erleben wollte. Als Juristin gefiel es mir, nicht den ganzen Tag juristische Texte zu lesen oder zu schreiben, sondern mehr in die Produkt- und Prozessgestaltung durch technische Tools und der Analyse von Kundenbedürfnissen einzutauchen.

Der Start des LL.M. Legal Tech

Nach der Erteilung der Endnote meines Studiums hatte ich das Erste Staatsexamen zwar in der Tasche, aber so richtig bereit fühlte ich mich noch nicht für das Referendariat und den klassischen Weg zum zweiten Examen. Vielmehr wollte ich im Berufsleben und der neuen Branche bleiben, die ich neu kennengelernt hatte. Die Entscheidung gegen das Referendariat, dafür aber für eine Spezialisierung über den LL.M. Legal Tech als berufsbegleitendes Weiterbildungsstudium ab Oktober 2020 fiel mir leicht. Die dargestellten Informationen auf der Website der Universität Regensburg waren sofort ansprechend und interessant. Ich hatte die Chance, im ersten Studiendurchlauf viele interessante Persönlichkeiten kennenzulernen und mich an dem Ausbau des ersten Legal Tech Studienganges zu beteiligen. Die „Berufsleben-LL.M.-Pause“ hat mir geholfen, einen für mich interessanten Schwerpunkt zu finden. Dennoch freue ich mich schon jetzt auf die letzte Ausbildungsphase meiner juristischen Karriere und bin froh, dass ich den Referendariatsweg in Berlin mit einer Legal Tech Brille gehen werde.

Voraussetzungen für den Studiengang

Als Voraussetzung für die Zulassung wird eine juristische Vorausbildung in Form eines erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudiums benötigt. Davon umfasst sind das Erste oder Zweite Juristische Staatsexamen oder ein gleichwertiger Abschluss mit mindestens acht Semestern Regelstudienzeit. Keine Sorge: Informatikvorkenntnisse sind nicht erforderlich – Jura reicht aus. Da der Studiengang ein Weiterbildungsstudiengang ist, kann nur teilnehmen, wer vor Beginn des Studiums zusätzlich über eine mindestens einjährige qualifizierte berufspraktische Erfahrung verfügt – egal ob die Tätigkeit ihren Schwerpunkt in der Rechtsanwaltschaft, einem Unternehmen oder einer Behörde hatte. Neben den zwei Formalien ist die dritte und letzte Stufe das Bestehen des Eignungsverfahrens, womit festgestellt wird, ob die Person über hinreichende Kenntnisse und Fähigkeiten für den Abschluss als LL.M. Legal Tech verfügt. Alles machbar!

Der Studienverlauf und Inhalte

Der Studiengang gliedert sich in zwei Semester, verteilt auf neun verschiedene Module. Durch die auf Vorkenntnissen der Teilnehmer:innen basierenden Lerneinheiten wird ein anwendungsbezogenes Wissensniveau im Bereich Legal Tech angestrebt. Beginnend mit Grundlagen zur Rechtsinformatik, über ethische und psychologische Aspekte der Rechtsdigitalisierung werden die Fachgebiete mit Fortgang des Studienganges immer praktischer. Die behandelten Themen waren z.B. Legal Tech im Allgemeinen, Big Data, Digital Law sowie Bereiche wie Datenschutz, digitales Vertragsrecht, FinTech, Cybersecurity oder die Anwendung von Legal Tech in der Praxis durch Smart Contracts. Durch den Studiengang werden unterschiedliche Perspektiven und Auffassungen zur Rechtsdigitalisierung vermittelt, wobei einige noch vorhandene Defizite in der Informationsvermittlung zum neuen Bereich festgestellt wurden. Die Inhalte eines abgeschlossenen Moduls wurden zu Beginn des neuen Vorlesungsblocks über eine Abschlussklausur abgefragt. Neben Klausuren wurden zwei Hausarbeiten zu einem selbst gewählten Thema verfasst. Den Abschluss des Studienganges bildete das Mastermodul, mit der Verfassung einer Masterarbeit und der Anwendung des Erlernten. Hierbei lag der Schwerpunkt in der Darstellung eines Rechtsproblems in der Digitalisierung und der Lösungsfindung für die Arbeitswelt.

Fazit

Im Ergebnis kann ich sagen, dass der LL.M. Legal Tech Studiengang tatsächlich wissenschaftlich fundiertes Fachwissen aus der Vorausbildung mit dem für den beruflichen Alltag entscheidenden Praxisbezug kombiniert hat und mir bei der Entwicklung von neuen Geschäftsfeldern unter Einbezug von Technologien aus Theoriesicht sehr behilflich war. Für alle, die sich nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen wie ich damals nicht sicher sind, welche Richtung eingeschlagen werden sollte, kann ich persönlich einen solchen LL.M. empfehlen. Im Allgemeinen hilft ein solcher LL.M. aber auch den Berufstätigen.

Autorin: Katharina Melnikow (LL.M.) absolvierte das Erste Staatsexamen an der Universität Leipzig und ist aktuell die Standortleiterin der Spreefels GmbH. Neben administrativen Aufgaben der Geschäftsführung übernimmt sie die Entwicklung von innovativen Rechtsprodukten und agiert im Key-Accounting als Schnittstelle im Produkt- und Projektmanagement für Legal und Tech. Katharina erwarb 2021 den ersten deutschen LL.M.-Titel für Legal Tech und hat vor, nach dem Referendariat weiterhin in diesem Bereich als Rechtsanwältin tätig zu sein, um sich an der Entwicklung neuer Geschäftsfelder im Rechtswesen zu beteiligen.

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