Fachartikel

Digitalisierung der Streitbeilegung – Der Einsatz technikbasierter Streitbeilegungsinstrumente in Deutschland

Digitalisierung der Streitbeilegung ist spätestens seit der Corona-Pandemie in aller Munde. Stärken und Schwächen der digitalen Streitbelegung wurden dadurch erst so richtig sichtbar. Beispielsweise wurden mündliche Verhandlungen via Videokonferenz in zivilprozessualen Verfahren erstmalig bzw. vermehrt genutzt. Dabei zeigte sich unter anderem welche Lücken der § 128a ZPO aufweist und wo noch Handlungsbedarf besteht.

Videokonferenzen für mündliche Verhandlungen und die e-Akte sind allerdings lange nicht die einzigen technischen Tools, die im Rahmen einer digitalen Streitbeilegung zukünftig eingesetzt werden könnten.

Ein Werkzeugkasten für die Digitalisierung der deutschen Streitbeilegungslandschaft

Viele weitere technische Tools könnten die zukünftige Streitbelegung bereichern. Für einige in Deutschland angebotene Streitbeilegungsverfahren könnte ein Werkzeugkasten für die Digitalisierung der Streitbeilegungslandschaft geschaffen werden (so das Ziel der Dissertation Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 34).

Ein bunter Strauß an Tools könnte zukünftig im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung / Interessensermittlung, Kommunikation und Lösungsfindung eingesetzt werden (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 40 ff). Dabei ist nicht nur der Zivilprozess zu beleuchten, sondern auch die Verbraucherstreitbeilegung nach dem VSBG, das Schiedsverfahren, die außergerichtliche Mediation, die obligatorische Streitschlichtung und die Konfliktbehandlungsverfahren der Handelsplattformen.

Interdisziplinärer Austausch

Der interdisziplinäre Austausch wird bei der Digitalisierung der Streitbeilegungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Die in Deutschland angebotenen Streitbeilegungsverfahren könnten bei der Digitalisierung von bzw. für einander lernen und Erfahrungen beim Einsatz der verschiedenen Tools untereinander austauschen. Vor allem könnten die außergerichtlichen Verfahren als Testfelder für die gerichtlichen Verfahren dienen, denn die außergerichtlichen Verfahren profitieren von einem größeren Gestaltungsspielraum bei ihrer Verfahrensausgestaltung und von einer weniger starken Regelungsdichte als die gerichtlichen Verfahren (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 112, 363 f).

Daneben könnten weitere Leitbilder bei der Umsetzung der Digitalisierung der Streitbeilegung helfen: Das digitale Denken wird eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der digitalen Streitbeilegung darstellen. Das bedeutet, dass Prozesse nicht nur vom Analogen ins Digitale übertragen werden, sondern tatsächlich von Beginn an neu und digital gedacht werden sollten. Weiter wird man durch eine flexible und nutzerorientierte Planung auf den schnellen Wandel von technischen Neuerungen reagieren und den Nutzer:innen eine digitale Streitbeilegung auf den neuersten Standard bieten können (zu diesen Leitbildern insgesamt Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 362 f).

Mit der Berücksichtigung von diesen und weiteren Leitbildern besteht die Möglichkeit, dass mit der Digitalisierung der Streitbeilegung der Zugang zur Streitbeilegung erleichtert, die deutschen Streitbeilegungsverfahren im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig(er) werden und eine effektive, schnelle und ressourcenschonende Streitbeilegung geschaffen wird (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 30 ff).

Bestandteile des Werkzeugkastens – einige Beispiele

Diese Ziele könnten mittels folgender Tools erreicht werden:

Das Fundament für die Digitalisierung der Streitbeilegung bilden Online-Portale, die den Zugang zur Streitbeilegung künftig vereinfachen und erleichtern könnten. Das gesamte Streitbeilegungsverfahren könnte über derartige Portale abgewickelt werden (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 364 f., 117 ff, 295 ff, 319 ff, 333 f, 343, 353).

Die Sachverhaltsfestellung / Interessensermittlung ist der Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen digitalen Streitbeilegung. Neben Online-Eingabemasken könnte auch das Beweisverfahren durch den Einsatz von VR-Technik und die Beweisführung mittels elektronischer Dokumente digitalisiert werden (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 146 ff, 302 ff, 322 ff, 334 ff, 344 f, 353 f, 365 f).

Die digitale Kommunikation stellt das Bindeglied einer digitalen Streitbeilegung dar. Legal Chatbots, virtuelle Verhandlungen und eine automatisierte Protokollerstellung könnten die Kommunikation künftig im Rahmen der Streitbeilegung erleichtern (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 198 ff, 307 ff, 324 ff, 336 ff, 346 ff, 354 ff, 367).

Die KI-basierte Lösungsfindung stellt die Königsdisziplin einer digitalen Streitbeilegung dar. Durch Blind-Bidding-Verfahren und Crowd-Streitentscheidungen könnte die endgültige Beilegung von Streitigkeiten zukünftig erreicht werden (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 231 ff, 311 ff, 327 ff, 339 f, 349 ff, 356 ff, 367 f.). Vielleicht können und lassen sich Richter:innen auch künftig von einer KI bei Ihrer Entscheidungsfindung unterstützen (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 240 ff).

Fazit

Abschließend ist festzustellen, dass die Digitalisierung der deutschen Streitbeilegungsverfahren Schritt für Schritt durch ein Zusammenarbeiten der verschiedenen deutschen Streitbeilegungseinrichtungen erfolgreich bestritten werden kann (Deichsel, Digitalisierung der Streitbeilegung, 2022, S. 369 f). Die ersten Schritte und auch weitere wurden bereits gesetzt. Jetzt heißt es dran bleiben und die Schritte weiter zu gehen.

Dieser Beitrag dient als kleine „Kostprobe“ auf die beim Nomos Verlag erschienene, gleichnamige Dissertation ISBN 978-3-8487-8901-6

Autorin: Dr. Tamara Deichsel war von 2019 bis 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Zivilverfahrensrecht und Rechtstheorie an der Universität Passau (Professor Dr. Thomas Riehm). Seit Oktober 2021 ist sie Rechtsreferendarin und Mitglied bei recode law.

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