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Erfolgreiche Implementierung von KI-Modellen in der Kanzlei und Rechtsabteilung: ein ganzheitliches Vorgehensmodell

Die Rechtsbranche ist gerade einem starkem Wandel unterworfen. Durch die rasante Entwicklung technologiegetriebener Lösungen, insbesondere der künstlichen Intelligenz (KI), stehen Kanzleien und Rechtsabteilungen vor der Möglichkeit – aber auch vor der Herausforderung, ihre Leistungsangebote gegenüber Mandanten oder internen Kunden sowie altbewährte Arbeitsweisen neu zu gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Experteneinschätzungen belegen dies sehr eindrucksvoll: Bei mehr als 50 % der Commodity-Leistungen (repetitive Leistungen) im Bereich juristischer Tätigkeiten sehen Experten hohes Potenzial für Effizienzsteigerung durch Legal Tech und KI. Im Bereich der Operational-Leistungen – dies ist die Anwendung von bewährtem juristischem Wissen auf neue Sachverhalte – sind es immer noch zwischen 20 % und 50 %. Hier bietet vor allem die Nutzung von generativen KI-Modellen neue Möglichkeiten zur Effizienz- und Qualitätssteigerung, der Risikominimierung oder der Gestaltung neuer Geschäftsmodelle. Wie navigiert man erfolgreich durch diesen Transformationsprozess der Organisation, wie lassen sich relevante Anwendungsfälle (Use Cases) finden, strukturieren, bewerten und umsetzen? Ein ganzheitliches Vorgehensmodell kann dabei den Weg von der Vision über die Implementierung bis zum erfolgreichen Einsatz von KI-Modellen in der Organisation strukturieren und leiten.

KI Modelle in Kanzlei und Rechtsabteilung

Vision zum Einsatz von generativer KI

Die Vision steht vor einer erfolgreichen Implementierung. Es ist entscheidend, ein erstes Bild davon zu haben, wie KI die Arbeit in einer Kanzlei oder Rechtsabteilung ergänzen und verändern kann. Die Vision sollte nicht nur die Verbesserung bestehender Prozesse umfassen, sondern auch das Potenzial für neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle beinhalten. Diese Vision dient als Nordstern für die spätere Bewertung der Anwendungsfälle und die Entwicklung einer abgestimmten Unternehmensrichtlinie, die sicherstellt, dass Mitarbeiter eine einheitliche Sichtweise auf das innovative Thema pflegen. Eine klare Kommunikation dieser Vision in die Organisation schafft Transparenz und fördert die Akzeptanz bei Mitarbeitern sowie Stakeholdern.

Etablierung eines zentralen, funktionsübergreifenden Teams

Ein interdisziplinäres Team ist ein Schlüssel für die erfolgreiche KI-Implementierung im Unternehmen. Dieses Team benötigt nicht nur technisches Know-how, sondern auch ein tiefes Verständnis für rechtliche Prozesse. Die Bildung eines solchen Teams erfordert eine gezielte Strategie, die sowohl die Anwerbung externer Talente, als auch die Weiterbildung interner Mitarbeiter umfasst. Die Schulung des Teams sollte neben technischen Themenfeldern auch Kreativitätsmethoden enthalten, so könnte z.B. das Thema „Legal Design Thinking“ eine ideale Ergänzung für die Teammitglieder darstellen. Die Entwicklung eines solchen Teams ist ein dynamischer Prozess, der Flexibilität und Offenheit für neue, alternative Karrierepfade im Unternehmen erfordert.

Weiterbildungsprogramm nach Funktionen und Qualifikationsniveau

Die Implementierung von KI-Technologien erfordert ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Ein maßgeschneidertes Weiterbildungsprogramm, das auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter zugeschnitten wird, ist ein weiterer Baustein für den Erfolg. Besonders bewährt hat sich das Konzept, mehrstufige Schulungsblöcke für verschiedene Nutzergruppen anzubieten (z.B. Anwälte, Business-Services, Wissenschaftliche Mitarbeiter / Referendare). Dies fördert den Dialog in den Schulungen und bringt schnellere Erfolgserlebnisse für die Teilnehmer. Diese Schulungen sollten praktische Anwendungsfälle von KI in der juristischen Praxis umfassen, um die Mitarbeiter nicht nur zu befähigen, sondern auch zu inspirieren, KI als Werkzeug zur Steigerung ihrer Produktivität zu nutzen.

Identifikation und Bewertung von Use Cases (Anwendungsfälle)

Die Identifikation der Use Cases ist einer der wichtigsten Schritte, da er die praktische Anwendung der KI in den Fokus rückt. Beginnen Sie mit einem kleinen Set von Anwendungsfällen, um Erfahrungen zu sammeln und sukzessive ein tieferes Verständnis für das Potenzial und die Grenzen der Technologie zu entwickeln. Diese frühen Erfahrungen sind wertvoll für die schrittweise Erweiterung des Einsatzbereichs von KI und für die Anpassung der Strategie an realweltliche Herausforderungen. Die Strukturierung und Bewertung der Anwendungsfälle sollte gut durchdacht und vom KI-Team mit einem klarem Prozess unterstützt werden. Geben Sie der Entwicklung und Abstimmung der Bewertungsmatrix den notwendigen Raum und nutzen Sie die entwickelte Vision als Nordstern für die Bewertungskriterien. Die Darstellung in „Heat-Maps“ für unterschiedliche Unternehmensbereiche hat sich – nicht nur für KI-Implementierungen – bewährt.

Integration der KI-Lösung in die Unternehmensarchitektur

Die technische Integration von KI-Modellen in die bestehende IT-Landschaft ist eine Herausforderung, die technische Expertise und Fingerspitzengefühl erfordert. Eine große Bedeutung kommt der Unternehmensentscheidung zwischen den grundsätzlichen Lösungsformen bei: On-Premise-Lösung und/oder Cloud-basierte Dienste. Neben Kosten und Nutzen spielen berufsrechtliche Themen, Datenschutz und Compliance dabei eine zentrale Rolle in der Bewertung. Eine flexible und zukunftssichere Architektur ist entscheidend, um die Langlebigkeit und Effektivität der KI-Integration zu gewährleisten. Die Entscheidung für eine Lösungsform heißt nicht zwingend die Entscheidung gegen die Andere – auch eine Parallelstrategie kann einen Lösungsweg darstellen. Aktuell befindet sich die technische Entwicklung in einem ständigen Wandel, monatlich kommen sowohl neue Sprachmodelle als auch Updates zu bereits bewährten Modellen auf den Markt.

Datenarchitektur für kuratierten Content entwickeln

Der Erfolg von KI-Anwendungen sowie deren Lösungen hängt maßgeblich von der Qualität und Verfügbarkeit relevanter Dokumente und Daten ab, gerade wenn die Use Cases über die reine Erstellung von Blogbeiträgen oder Artikeln hinausgehen. Die Entwicklung einer robusten Datenarchitektur, die den Zugang zu qualitativ hochwertigem, kuratiertem Content gewährleistet, ist daher von entscheidender Bedeutung. Das KI-Team spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, denn der Aufbau von diesen Data-Lakes ist keine rein technische Herausforderung sondern vielmehr ein Prozess des Knowledge Managements mit integrierter Technologielösung. Eine solche Architektur ermöglicht es der KI, kontinuierlich auf kuratiertes Wissen zuzugreifen, zu lernen und Ergebnisse zu erarbeiten, die auf unternehmensinternen, werthaltigem Wissen basieren.

Fazit

Die Implementierung von KI in Kanzleien und Rechtsabteilungen ist ein komplexes, sich aber im Ergebnis lohnendes Projekt. Durch den beschriebenen strukturierten Ansatz, geleitet durch ein professionelles Projekt- und Transformationsmanagement können Kanzleien oder Rechtsabteilungen neue Leistungsangebote an Mandanten oder interne Stakeholder entwickeln und die Vorteile von KI ausschöpfen, während Risiken im Einsatz minimiert und die Compliance sichergestellt wird. Die Zukunft der Rechtspraxis liegt in der intelligenten Nutzung technologischer Hebel – und KI wird hierbei in der Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen.

Autor: Günter Krieglstein ist Direktor und Leiter des Consulting- und Innovations-Hubs „Luther.Solutions“ bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Er ist Experte für digitale Geschäftsmodelle, für Organisations- und Prozessgestaltung sowie die Auswahl und Integration von Legal Tech Lösungen. Er berät externe und interne Kunden bei ihrer digitalen Transformation. Seine beruflichen Stationen beinhalten die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, BearingPoing sowie die Management Beratung der Deutschen Telekom.

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