Fachartikel

Wieso wir eine juristische Open-Access-Plattform brauchen!

Wer jemals eine juristische Recherche durchführen musste weiß, wie kompliziert das sein kann: Hochwertige juristische Fachinhalte sind weder leicht noch kostenlos zugänglich. Leider hat sich hieran in den letzten zehn Jahren nicht viel geändert. Zwar wird auf vielen Ebenen für einen leichteren Zugang zum Recht plädiert, doch werden darunter oft Angebote von Legal-Tech-Unternehmen verstanden, welche Verbraucherrechte durchsetzen sollen. Teilweise wird auch ein einfacherer Zugang zur Justiz unter diesen Begriff gefasst. Ein umfassend erleichterter Zugang zum Recht beginnt aber bereits bei der Beschaffung von rechtlichem Wissen.

Status Quo

Bislang verbergen sich viele juristische Fachinhalte hinter einer hohen Bezahlschranke oder teuren Abonnements. Hierdurch wird nicht nur den meisten Bürger:innen bereits aufgrund des hohen Preises der Zugang zu verlässlichen Rechtsinformationen verwehrt, sondern auch juristischen Berufsträgern wird die juristische Recherche erschwert: Leistungsstarke Suchmaschinen, wie sie beispielsweise im privaten Bereich für die meisten Recherchen genutzt werden, haben auf Fachinhalte hinter Bezahlschranken keinen Zugriff und können somit auch keine entsprechenden Suchtreffer auffinden. Stattdessen müssen die eingebauten Suchfunktionen der einzelnen Datenbanken verwendet werden. In der Regel ist deren Leistungsfähigkeit jedoch mit modernen Suchmaschinen kaum vergleichbar.

Zudem ist die Suche nach den relevanten Inhalten oft stark fragmentiert. Es gibt verschiedenste Rechercheplattformen aber keine, die alle Quellen vernetzt oder bündelt. So wühlt man sich nach dem Schneeballprinzip durch verschiedene Quellen und erstellt sich in mühevoller Kleinstarbeit ein Bild über die aktuelle Rechtslage.

Open Access als Lösung?

Der Begriff „Open Access“ bezeichnet den freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und anderen Inhalten im Internet. Open Access zeichnet aus, dass mit der Veröffentlichung jedermann die Erlaubnis erteilt wird, das Open-Access-veröffentlichte Dokument zu lesen, herunterzuladen, zu speichern, es zu verlinken, zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen. Das schafft einen freien und einfachen Zugang zu Informationen und könnte eine Lösung für das Problem der monopolartigen Wissensstruktur im Rechtsmarkt und die daraus resultierenden Probleme sein.

Open Access in der Rechtswissenschaft

Der Open Access Gedanke ist für die Rechtswissenschaft nicht vollständig neu. Es gibt seit ein paar Jahren einige wenige Veranstaltungen, die sich mit Open Access in der Rechtswissenschaft beschäftigen. Zu nennen ist hier insbesondere die diesjährig vom 21.–22.9.2022 in Bern stattfindende juristische Open Access (jurOA) Tagung. Das jurOA-Netzwerk betreibt zudem eine Mailingliste, die über Neuigkeiten zu Open Access in der Rechtswissenschaft berichtet. Außerdem gibt es eine stetig wachsende Zahl an juristischen Open-Access-Zeitschriften und Blogs, wie beispielsweise der JuWissBlog, der Verfassungsblog sowie der Völkerrechtsblog. Selbst Bibliotheken und Verlage (z.B. De Gruyter, Nomos und Mohr Siebeck) schaffen zum Teil immer mehr Strukturen für offene Publikationen. Allerdings findet hier wieder die oben erwähnte starke Fragmentierung statt.

Ein neues Projekt ist das von LEXCADA. Die Open-Access-Plattform ist Gesetz, Kommentar, Recherchetool und Netzwerk in einem. Die Vision von LEXCADA ist es, dass juristisches Wissen einfacher und besser zugänglich sein sollte – und das für jeden. Mit der Open-Access-Plattform arbeitet das Startup der TU München (Lehrstuhl Prof. Matthes) an einer umfassenden Vernetzung juristischer Wissensquellen. Die Informationen werden dabei direkt am Gesetz hinterlegt. Durch Kommentierungen, Notizen und eine Diskussionsfunktion wird das Gesetz zudem interaktiv und ermöglicht einen kollaborativen Wissensaustausch.

Hürden in der Rechtswissenschaft

Allerdings kommt Open Access im Gegensatz zu anderen Disziplinen, wo es bereits weite Verbreitung findet, in der Rechtswissenschaft nur langsam an. In der Theorie beschäftigen sich Rechtswissenschaftler:innen schon seit einigen Jahren mit dem Thema (z.B. „Rechtliche Rahmenbedingungen von Open Access“ Spindler, 2006). Wenn es aber um die eigenen Publikationen geht, ist das Thema nicht besonders verbreitet. Das führt zu dem besprochenen Problem, dass der Großteil des juristischen Fachwissens immer noch schwer zugänglich ist. Sei es durch eine Bezahlschranke verdeckt oder teilweise sogar dadurch, dass es lediglich in gedruckter Form zugänglich ist.

Vorteile von Open Access

Für die Verbreitung von Open Access in anderen Disziplinen gibt es gute Gründe:

Kollaborative Zusammenarbeit

Eine Open-Access-Plattform erleichtert den öffentlichen Diskurs indem verschiedene Akteure ihre Meinungen und Erkenntnisse kollaborativ an zentraler Stelle austauschen können. Die durchweg digitale Publikation führt zudem zu kürzeren Publikationszeiten und damit aktuelleren Inhalten. Für die Autor:innen ist es außerdem von Vorteil, dass sie nicht an starre Abgabefristen gebunden sind, wie dies beispielsweise bei einem klassischen, gedruckten Kommentar der Fall ist. Letzterer wird erst dann gedruckt und vertrieben, wenn alle Beiträge eingegangen sind. Bei einem Open Access Kommentar, können Autor:innen ihre Inhalte hingegen sukzessive hochladen und dadurch auch nur kleine Abschnitte kommentieren. Das garantiert auch, dass die Kommentierungen deutlich aktueller sind.

Freier Zugang zu wissenschaftlichen Informationen

Open Access steht für einen freien und schnellen Zugang zu wissenschaftlichen Informationen. Durch den offenen Charakter und die damit wegfallenden Bezahlschranken wird für die Autor:innen eine höhere Sichtbarkeit geschaffen. Neben dem leichten Zugriff auf die Inhalte selbst, können Artikel leichter untereinander vernetzt und zitiert werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Open Access Modells ist schließlich, dass auch Suchmaschinen, wie beispielsweise Google, freien Zugang auf die Inhalte haben und sie somit in ihren Suchindex aufnehmen können. Hierdurch wird es möglich, die weltweit besten Suchalgorithmen endlich auch für juristische Inhalte nutzen zu können.

Juristisches Wissen außerhalb der „legal community“

Das für den Rechtsstaat vielleicht gewichtigste Argument für Open Access ist jedoch, dass hierdurch alle Bürger:innen die Möglichkeit erhalten, einen einfachen und niederschwelligen Zugang zu juristischem Wissen über den bloßen Gesetzeswortlaut hinaus zu erhalten. Open Access bietet schlussendlich eine Chance, Wissen flächendeckend und für jeden zugänglich zu teilen und so bisher verborgene Synergien zu entdecken. Es ist der erste Baustein für einen wirklich einfachen Zugang zum Recht.

Autorin: Charlotte Falk hält einen Bachelor in Kommunikation & BWL von der Universität Mannheim und begann in dessen Endzügen 2017 ihr Jurastudium. Durch verschiedene Projekte in Kommunikationsberatungen und Kanzleien schlägt sie die Brücke zwischen Jura und Kommunikation. Sie ist beim Legal Tech Verband Deutschland für die PR-Arbeit zuständig und berät außerdem Kanzleien zu ihrem Social Media Auftritt.

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