FachartikelLegal KI & ChatGPT

Wie man Künstliche Intelligenz erfolgreich in der Kanzlei einführt

Komplexe Recherchen, sekundenschnelle Analysen von Dokumenten oder die Erstellung von Verträgen, all das versprechen die Aussichten von Large Language Models oder auch KI. Zurecht spielen daher einige Kanzleien mit dem Gedanken eigene KI-Software bei sich einzuführen. Doch wie bereitet man seine Kanzlei dafür vor, was muss bei der Auswahl der Software beachtet werden und auf welchem Weg führe ich KI ein? Diese Fragen werde ich in meinem Beitrag in der gebotenen Kürze beantworten und gebe eine kleine Schritt für Schritt Anleitung mit an die Hand. Zugleich möchte ich im Beitrag einen Irrglauben und ein paar Missverständnisse aus dem Weg räumen.

Warum möchte man KI einführen?

Bevor sich die Kanzlei auf die Reise zu “KI” begibt, muss zunächst deren Ziel ausgemacht werden. Daher die wichtige Frage nach dem “Warum” zuerst: Warum sollte man KI einführen wollen, wenn es doch ChatGPT und Co. gibt?

Der wichtigste Beweggrund für eine eigene KI, ist die Hoheit über die eigenen Daten und der damit einhergehende Schutz von Informationen und Geheimnissen. Auf Basis dieser Erkenntnis bestehen die drei folgenden Möglichkeiten für eine KI:


1. Der KI-Chatbot: Einfacher Einsatz einer LLM.
“Wir nutzen ein eigenes ChatGPT über den Browser.”

2. Der KI-Chatbot mit eigener Datenbank: Einsatz einer LLM mit Zugriff auf eigene Daten.
“Wir haben eine eigene KI, welche unsere Verträge durchsuchen kann.”

3. Die auf spezielle Daten trainierte KI: Einsatz einer mit speziellen (eigenen?) Daten trainierten KI.
“Unsere KI ist darauf spezialisiert Behördenbescheide zu verstehen und zu analysieren.”

Wie man den ersten beiden Varianten entnehmen kann, ist das Trainieren einer KI auf die eigenen Daten nicht notwendig, um diese mit Mehrwert einzusetzen. Das Trainieren oder besser das Finetuning einer KI ist ein komplizierter und kostenintensiver Prozess, auf den man gut und gerne verzichten kann. In den allermeisten Fällen reicht es vollkommen aus, die grundlegende Fähigkeit der KI nämlich das Verständnis von Texten zu nutzen, um spezielle Lösungen zu kreieren.

Welches Nutzungsmodell soll es nun werden?

Level 1: Der Chatbot
Einen schnellen Start und einen niedrigen Aufwand verspricht der eigene KI-Chatbot in der Kanzlei. Hier gibt es bereits von einigen Anbietern eine Out-Of-The-Box-Lösung wie z.B. Microsofts Azure OpenAI Service, welches einem erlaubt ein eigenes ChatGPT in Unternehmen einzurichten, ohne dass Daten an Dritte abgehen. Die eigene IT oder ein Dienstleister kann dies problemlos einrichten. Damit hat man einen einfachen KI-Chatbot, der zwar keine neuen Informationen verarbeitet, jedoch grundlegend im Alltag unterstützen kann.

Level 2: Der KI-Chatbot mit eigener Datenbank
Möchte man den Chatbot auch noch mit den eigenen Daten füttern, steigt der Implementierungsaufwand erheblich, abhängig davon wie gut man bereits in der Vergangenheit seine Daten aufbereitet hat. Möchte ich, dass mein Chatbot mit meinen Daten arbeitet, um bspw. Vorlagen und bestehende Vertragsformulierungen in seinen Antworten zu verarbeiten, muss ich eine passende Datenbank vorhalten und meine Daten entsprechend aufbereitet haben. Daten müssen somit sortiert, getagt und mit ausreichend Meta-Daten versehen werden, dass diese auch nach Wunsch verarbeitet werden können. Schließlich will man keine veralteten oder schlichtweg falschen Daten als Grundlage für die nächste AGB nutzen. In Verbindung zur Entscheidung, welche Datenbank gewählt wird, kann dies einen erheblichen Koordinierungs- und Arbeitsaufwand bedeuten.

Level 3: Die auf spezielle Daten trainierte KI
Die umfangreichste Variante ist das Trainieren einer eigenen KI. Hier stellt man nicht einfach nur Daten zur Verfügung, sondern nutzt ein sogenanntes Foundation Model und trainiert dieses, um spezialisierte Fähigkeiten zu erzeugen. Diese Erweiterung erfordert, dass man das Modell mit einer erheblichen Menge an guten Datensätzen füttert. Dafür benötigt man nicht nur eine Menge gut aufbereiteter Daten, sondern auch ein Expertenteam, welches in der Lage ist, das Training durchzuführen.

Für die allermeisten Kanzleien wird dies zu viel Aufwand sein und fraglich ist auch, was man sich hiervon verspricht. Das Trainieren oder besser Finetuning an dieser Stelle, hat das Ziel die Fähigkeiten einer KI zu präzisieren. Damit ist die KI möglicherweise ein Stück besser im Verständnis von juristischen Texten, doch verliert wiederum an anderer Stelle Fähigkeiten. Grundsätzlich ist dies nur für die allergrößten Player im Markt geeignet, die über eine Masse an Daten verfügen, um KI wirklich gewinnbringend auf das eigene Geschäftsmodell anzupassen.

Hersteller und Modell bestimmen

Nachdem nun die Entscheidung für eine KI-Variante gefallen ist, gilt es die richtige Lösung des richtigen Herstellers zu finden. Die Möglichkeiten reichen von guten Open Source- bis zu den fertigen Plug-and-Play-Lösungen der großen Anbieter wie Microsoft und Amazon. Die Entscheidung ist wie die vorgehende besonders von Faktoren der eigenen wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten sowie dem Daten- und Informationsschutz geprägt.

Habe ich nur wenig Mittel zur Verfügung, dann werde ich um eine Plug-and-Play-Lösung nicht herumkommen, wobei ich auch für diese einen gewissen Sachverstand benötige. Die Lösungen können entsprechend ihres Einsatzes datenschutzkonform und sicher eingerichtet werden. Ist mir dies nicht sicher genug und habe ich ausreichend Ressourcen, dann kann ich auch eigene Modelle installieren und hosten, wobei das größte Risiko ist, dass die Einrichtung zur Kostenfalle wird und das endgültige Modell nicht den Erwartungen entspricht.

Prozesse, Management und Compliance

Mit der technische Einführung haben wir bereits den wichtigsten Teil hinter uns gebracht, doch liegt noch die Königsdisziplin vor uns: Die Akzeptanz der Software. Denn nur eine neue Software im Unternehmen einzuführen, ist nicht ausreichend, um diese auch zu etablieren. Eine Erkenntnis, die wohl bereits viele von uns haben durften.

Eine neue Software, welche für die meisten Nutzer:innen noch ein Buch mit sieben Siegeln sein kann, erfordert daher eine Nutzungsbedingung, welche den Nutzungszweck und die Art der Nutzung vorgibt. Ziel sollte es sein, dass alle Angestellten die Dos und Don’ts im Umgang der Software verstehen.

Des Weiteren empfiehlt es sich, Anwendungsbeispiele und Best Practices in der Kanzlei bereitzustellen. Das können praktische Ideen im Umgang mit der KI sein oder ein eigener Videokurs zum Prompten. Hier zeigt sich auch eine interne Datenbank für Prompts als gute Idee auf. Das kann auch nur eine einfache Excel-Tabelle sein. Gleiches gilt für eine allgemeine Ideenbox, welche jeder Angestellte füllen kann.

Zur Einführung der KI eignet sich neben dem klassischen Training auch ein Hackathon, in dem Interessierte gemeinsam neue Ideen und Lösungen entwickeln und testen.

Zuletzt sollte man je nach Tiefe der Integration der KI nachdenken, inwiefern man diese in tägliche Prozesse einbinden kann. Ist es möglich, automatisierte Abfragen zu erstellen oder beispielsweise eingehende E-Mails sofort zusammenzufassen?

Fazit

Unabhängig davon, für welches KI-Modell man sich entscheidet, Arbeit kommt immer auf einen zu. Zum einen gilt es die KI-Software in der Kanzlei technisch passend umzusetzen und zum anderen die eigenen Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, diese zu nutzen. Betrachtet man jedoch die vielen Möglichkeiten, welche KI bieten kann, wird der Aufwand wohl in den meisten Fällen gerechtfertigt sein.

Autor: Kilian Springer ist Rechtsanwalt für IT und hauptberuflich Legal Tech Manager bei Mazars Deutschland. Er beschäftigt sich nebenher stark mit KI und wie diese den Rechtsmarkt verändern wird. Ab und zu schreibt er zudem Artikel in seinem eigenen Newsletter “Kilian’s Weekly” auf substack unter https://kiliansweekly.substack.com.

- WERBUNG -