Fachartikel

Was können wir von Scrum lernen? – Teil 1: Aktivitäten

Scrum ist ein agiles Modell, welches vor allem in der Softwareentwicklung eingesetzt wird. Der Begriff stammt aus dem Rugby und kann als „Gedränge“ übersetzt werden.

Scrum besteht aus :

  • Drei Rollen (Scrum Master, Product Owner und Entwickler)
  • Vier zeitlich begrenzte Treffen bzw Aktivitäten (Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review, Sprint Retrospective)
  • Drei Artefakten (Product Backlog, Sprint Backlog, Inkrement)
  • Einer Definition of Done

Es ist ein iterativ-inkrementelles Modell, bei dem in jeder Iteration – dem Sprint – ein auslieferbares Produktinkrement erstellt wird. Die Säulen: Transparenz, Kontrolle und Anpassung sind die zentralen Prinzipien hinter Scrum.

Sprint

Jeder Sprint in einem Projekt hat eine feste Länge und beginnt direkt nach dem letzten Sprint. Alle notwendigen Arbeiten zur Erreichung des Ziels werden innerhalb der Sprints durchgeführt.

Beim Sprint Planning wird ausgewählt, welche Elemente/Aufgaben aus dem Backlog (siehe Teil 2) in den Sprint aufgenommen werden sollen. Es muss klar sein, was der Inhalt der einzelnen Aufgabe ist, aber auch wie diese umgesetzt werden kann und wessen Aufgabe die Umsetzung ist. Die Aufgaben müssen daher konkret definiert sein, um innerhalb des Sprints umgesetzt werden zu können.

Auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Mandantin und Anwält:in nicht in Sprints aufgeteilt ist, kann es sinnvoll sein, dieses Instrument kanzleiintern einzusetzen. Ein Sprint kann z.B. eine Woche sein, idealerweise zwischen zwei Besprechungen (z.B. Jour Fixes), die sowohl Sprint Planning als auch Review und Retrospektive beinhalten können.

Daily Scrums werden jeden Tag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort abgehalten – idealerweise mit Blick auf die Tasks (zB Kanban Board) und dauert maximal 15 Minuten.

In einem Daily Scrum beantwortet jedes Teammitglied (einschließlich Anwält:in) der Reihe nach folgende Fragen (siehe auch: Schwaber, Agile project management with Scrum (2004) 70):

  • Was habe ich seit dem letzten Daily Scrum erreicht?
  • Was hat für mich in den nächsten 24 Stunden oberste Priorität? Was werde ich bis zum nächsten Daily Scrum tun?
  • Wo brauche ich Hilfe? Was hindert mich daran, meine Arbeit zu tun?
  • Welche Informationen sollte mein Team haben?

Diese Fragen tragen dazu bei, größere Hindernisse zu vermeiden, die Kommunikation und Transparenz innerhalb des Teams zu verbessern, helfen aber auch der/m Anwält:in, das Team zu organisieren. Mit dieser Methode weiß man mehr über das Arbeitspensum der Teammitglieder und was sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

Tägliche Meetings mit jeder/m Mandant:in wäre praktisch unmöglich, dies ist oft nur in kritischen Projektphasen sinnvoll. Dennoch könnten Kanzleiintern durchaus Daily Scrums durchgeführt werden, oder diese Inhalte in (wöchentliche) Jour Fixes einfließen lassen.

In einem praktischen Beispiel stellte eine Rechtsabteilung fest, dass nach zwei Wochen das 15-minütige tägliche Scrum den wöchentlichen Jour Fixe der Abteilung ersetzte. Schließlich verwandelten sich die längeren Meetings in Retrospektiven (Gloger, Die agilen Anwälte).

Am Ende des Sprints wird im Sprint Review die Arbeit überprüft, der Fortschritt besprochen und ggf. Anpassungen vorgenommen. Es kann auch der Backlog geändert werden und ist eine Gelegenheit für alle Stakeholder, Status-Updates und Feedback zu erhalten. Alle Funktionen, die im Sprint fertiggestellt wurden, werden mit der Definition of Done abgeglichen abgeglichen und, wenn passend, auf erledigt gesetzt. Elemente, die nicht zu 100% fertig sind, wandern zurück in den Backlog.

Die Sprint-Retrospektive kommt direkt nach dem Review und konzentriert sich nicht auf die Aufgaben selbst, sondern darauf, wie die Menschen, Prozesse und Werkzeuge verbessert werden können. Nach der Retrospektive beginnt der nächste Sprint mit der Planung.

Die detaillierte Bewertung, die üblicherweise in einem Sprint-Review und einer Sprint-Retrospektive vorgenommen wird, wird nur selten Teil des Kooperationsprozesses zwischen Anwältin und Mandantin sein. Wenn Anwältin und Mandantin über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten, sollten regelmäßige Bewertungen der Zusammenarbeit vorgenommen werden. Eine offene Kommunikation bietet auch die Möglichkeit, die Prozesse zu verbessern.

Noch wichtiger ist, dass Überprüfungen und Retrospektiven regelmäßig zwischen Anwält:innen und ihren Teams stattfinden sollten. Sie können z.B. wöchentlich in Jour Fixes behandelt werden. Da Anwält:innen in der Regel mit mehreren Mandant:innen an mehreren Projekten arbeiten, ist es wichtig, dass die Prozesse in der Kanzlei generell verbessert und neu bewertet werden, nicht nur für einzelne Mandantinnen.

Bei der Retrospektive in Anwaltskanzleien sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden:

Gelerntes:

  • Was ist gut gelaufen?
  • Was habe ich in Bezug auf Kommunikation und Zusammenarbeit gelernt?
  • Was habe ich in Bezug auf rechtliche Fragen gelernt?

Verbesserungen:

  • Kann der Prozess vereinfacht/verbessert werden?
  • Gab es Hindernisse?
  • Was brauchte ich/was fehlte mir?
  • Wie kann die Kommunikation in der Kanzlei verbessert werden?
  • Wie kann die Kommunikation mit der/m Mandant:in verbessert werden?

-> Hier geht es zu Teil 2

Autorin: Mag. Katharina Bisset, MSc ist selbstständige Rechtsanwältin in NÖ, CEO und Co-Founderin der LegalTech Unternehmen NetzBeweis GmbH und der Nerds of Law. Davor war sie mehrere Jahre in großen IT-Unternehmen tätig. Ihre Spezialgebiete sind IT-, IP-, Medien- und Datenschutzrecht. Zusätzlich zur juristischen Ausbildung hat sie einen Master of Science in Engineering in Business Process Management and Engineering. Sie ist darüber hinaus Disziplinarrätin in der RAK NÖ, Mitglied des Arbeitskreis IT und Digitalisierung des ÖRAK und Lektorin auf der FH Wiener Neustadt und der FH des BFI Wien. Katharina Bisset ist Autorin des Buchs: Agile Lawyer – Implementing Agile Principles in the Attorney-Client Relationship

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