Was bei der Gründung einer Legal Tech Kanzlei zu beherzigen ist
Für viele ist es unattraktiv, eine Kanzlei zu gründen. Das liegt an den damit einhergehenden Entbehrungen, etwa durch eine hohe Arbeitsbelastung. Dabei kann der Einsatz von Legal Tech und konsequente Prozessoptimierung dabei helfen, diese erheblich zu reduzieren. Dieser Beitrag gibt ein paar Denkanstöße, die beim Gründen einer Legal Tech-Kanzlei im B2C-Bereich nützlich sind.
Warum Legal Tech und Prozessoptimierung?
Legal Tech und Prozessoptimierung dienen vor allem einem Zweck: Das Leben der beteiligten Mandant:innen, Anwält:innen und Kanzleimitarbeiter:innen zu vereinfachen sowie Freiräume durch eingesparte Ressourcen zu schaffen.
Wer Technik richtig einsetzen und Prozesse optimal gestalten will, muss das angebotene Rechtsprodukt hinsichtlich der in Betracht kommenden Fallkonstellationen, die jeweilige Rechtslage und die typischen Umstände im Rahmen der Rechtsdurchsetzung bis ins Detail kennen. Nur so lässt sich die Erfassung und Bearbeitung des Rechtsproblems strukturell abbilden und damit standardisieren. Zudem spielen die für die Fallbearbeitung erforderlichen Dokumente sowie die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast eine erhebliche Rolle. Je höher der Standardisierungsgrad, desto effizienter kann Technik in der Mandatsbearbeitung eingesetzt werden.
Müssen Kanzleien selbst Tools entwickeln?
Im Grunde stehen alle zu Beginn vor der Frage, ob man Software/Tools gegen Lizenzgebühren anschafft oder diese selbst entwickelt bzw. entwickeln lässt. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Eigenentwicklung sehr teuer ist und erhebliche personelle Ressourcen beansprucht. Dies wird sich eine neugegründete Kanzlei in der Regel nicht leisten können.
Es ist daher ratsam, zunächst auf unterschiedliche Software und Tools gegen Lizenzgebühren zurückzugreifen. Um die Komplexität und die Arbeitsbelastung gering zu halten, kommt es aber entscheidend darauf an, ob die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Tools über Schnittstellen gewährleistet ist. Wenn keine sogenannten APIs vorhanden sind, müssen solche mit etwas finanziellem Aufwand entwickelt werden, was wiederum eine Schnittstellenfähigkeit der Tools voraussetzt. Ist dies nicht der Fall, sollte ernsthaft angezweifelt werden, diese Tools zu nutzen. Der Kommunikationsbruch benötigt sonst zusätzliches Personal, das Arbeitsschritte an der unterbrochenen Kommunikationsstelle manuell bearbeiten muss und führt zu Ineffizienz.
Was bedeutet Legal Tech für das Kanzleimanagement?
Wir unterscheiden grundsätzlich in zwei Erscheinungsformen von Kanzleimodellen. Bei dem „Sachbearbeitermodell“ gibt es für jedes Mandat eine sachbearbeitende Person, die Aufgaben an Mitarbeiter:innen delegiert und überprüft. Diese Form entspricht eher der klassisch arbeitenden Kanzlei und ist bei standardisierter Mandatsbearbeitung weniger effizient, da sie viele Kommunikationsschritte erfordert. Es eignet sich eher das „Fabrikmodell“ mit spezialisierten Abteilungen. Die jeweiligen Abteilungen sind für bestimmte Arbeitsschritte des jeweiligen Workflows zuständig. Diese können entweder rein technisch, personell oder im Hybridmodell besetzt sein. Hier bündelt sich Wissen, Erfahrung und Technik in der jeweiligen Abteilung, was zur höheren Qualität der Arbeitsergebnisse führt. Gleichzeitig ist diese Form effizienter, weil die Arbeitsschritte unabhängig von der Kapazität, Rückmeldung und Verfügbarkeit der zuständigen sachbearbeitenden Person abgeschlossen werden können.
Zudem lassen festgelegte Workflows eine einigermaßen zuverlässige Planbarkeit des Arbeitsaufkommens zu, mit der man die Personal-, Kapazitäts- und Budgetplanung gezielt anpassen kann. Die dauerhafte Über- oder Unterforderung der Mitarbeiter:innen lässt sich damit verhindern und führt zu einer höheren Zufriedenheit.
Akten sollten mit Stammdatenerfassung strukturiert verwaltet werden. Alle involvierten Anwält:innen und Mitarbeiter:innen müssen in der Lage sein, auf einem Blick oder mit wenigen Klicks die Informationen zu erhalten, die sie zum Erledigen ihrer Aufgaben benötigen. Lange und doppelte Einarbeitungsphasen gilt es unbedingt zu vermeiden. Dies ermöglicht Kanzleien zudem, ihren Mitarbeiter:innen flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten, ohne dass es auf Kosten der zügigen Mandatsbearbeitung geht.
Das Bearbeiten von Aufgaben sollte, soweit es geht, automatisiert erfolgen. Dies gilt insbesondere bei sich stets wiederholenden und für Mitarbeiter:innen ermüdende Tätigkeiten. Gleichzeitig darf der Faktor Mensch nicht unterschätzt werden. Schließlich ist eine B2C-Kanzlei ein People-Business. Gerade bei Rechtsprodukten, die wegen der emotionalen Belastung mit einem erhöhten Kommunikationsbedarf der Mandant:innen einhergehen, sollten geschulte und empathische Mitarbeiter:innen eingesetzt werden. Zur Realität gehört, dass die Betreuung von Mandant:innen nicht immer rein juristischer Natur ist. Dies führt ebenfalls zu einer erhöhten Zufriedenheit der Mandant:innen, und die Motivation der Mitarbeitenden kann mit sinnstiftenden Aufgaben gestärkt werden.
Legal-Self-Service – was sollte bei der Mandatsakquise beachtet werden?
Eine der größten Herausforderungen von Kanzleigründer:innen ist die Mandatsakquise. Entscheidend ist, in den Suchmaschinen gefunden zu werden und eine aus Sicht der Mandant:innen nutzerfreundliche, niedrigschwellige Kontaktaufnahme. Hier sollten Analysetools eingesetzt werden, um zu erkennen, an welcher Stelle potentielle Mandant:innen Schwierigkeiten hatten oder gar abgesprungen sind. Weitergehend ermöglicht die standardisierte Abfrage von relevanten Daten auf den hierfür erstellten Landingpages die gezielte Sachverhaltserfassung. Die eingegebenen Daten sollten dann strukturiert im Backend landen, damit diese für die folgende Dokumentengenerierung genutzt werden.
Wie hoch sollte der Automatisierungsgrad von Dokumenten sein?
Im optimalen Fall sind die im Backend eingespeisten Daten vollständig und strukturiert erfasst, damit die Daten im Wege der Dokumentengenerierung in Textbausteine übersetzt werden können. Der Automatisierungsgrad sollte im optimalen Fall bei 70-95 % liegen. Anschließend muss jedoch in jedem Fall eine Qualitätskontrolle durch Anwält:innen erfolgen. Diese Vorgehensweise ermöglicht, dass Anwält:innen ressourcenschonend vor allem in ihren eigentlichen Kernbereichen, nämlich im Beratungsgespräch, in den Verhandlungen mit der Gegenseite oder bei der Vertretung vor Gericht tätig werden.
Fazit
Der erfolgreiche Einsatz von Legal Tech und Prozessoptimierung verbessert die Planbarkeit und Steuerung der Ressourcen einer Kanzlei, erhöht die Zufriedenheit der Beteiligten im täglichen Geschäft. Dabei ist es unerlässlich, sich in engmaschigen Zeitabständen um ehrliches Feedback von Mandant:innen und Mitarbeiter:innen zu bemühen. Ratsam bleibt: Prüfe stets und behalte das Beste.
Autorin: Mariam El-Ahmad ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mitgründerin der Kanzlei Rotwang Law. Sie beschäftigt sich mit der standardisierten Mandatsbearbeitung zur effektiven Rechtsdurchsetzung und Erhöhung der Mandantenzufriedenheit. .