Warum Legal Operations angesagt ist oder es zumindest sein sollte
Wer sich für Jura interessiert aber den klassischen juristischen Berufsbildern nichts abgewinnen kann, ist im Bereich Legal Operations richtig aufgehoben! Und die juristische Berufswelt braucht mehr „Legal Operations Professionals“ und „Legal Engineers“, die mit ihrer einzigartigen Sichtweise und ihren Fähigkeiten die Welt der Kanzleien und Rechtsabteilungen verändern! Als Manager eines Legal Operations Teams und ehemaliger Legal Counsel, ist meine Meinung diesbezüglich ehrlicherweise nicht ganz objektiv. Ich möchte jedoch aufzeigen, weshalb ich überzeugt davon bin, dass Legal Operations „angesagt ist“ oder es zumindest sein sollte.
Titel sind nur Schall und Rauch! Oder?
Berufsbezeichnungen, wie „Legal Operations Professional“ oder „Legal Engineer“ ebnen zwar nicht den Weg in klassische juristische Berufe, jedoch in eine andere Form der (juristischen) Tätigkeit, sowohl in Kanzleien als auch in Unternehmen.
„Legal Tech Analysts“, „Regulatory Compliance Experts“ und „Legal Designer“ werden am Arbeitsmarkt ebenso heiß umworben, wie „Data Analysts“, „Process Specialists“, und „Spend Management Experts“. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter diesen „Titeln“?
Was Legal Operations alles bietet
Legal Operations Professionals und Legal Engineers sind u.a. in folgenden Bereichen tätig:
• Legal Tech(nologie)
• Process Automation
• KPIs & Metrics (Datenanalyse)
• Spend Management
• Regulatory Compliance
• Legal Design & Plain Language
Dabei sind Legal Tech und Process Automation nicht den ITler:innen vorbehalten. Oder KPIs & Metrics und Spend Management den BWLler:innen. Regulatory Compliance ist nicht nur etwas für Jurist:innen. Und für Legal Design & Plain Language muss man nicht künstlerisch begabt sein.
Legal Tech(nologie)
Legal Tech bedeutet nicht nur die Beschaffung und Implementierung von Tools, wie z.B. Contract Lifecycle Management (CLM) oder Matter Management Systemen. Legal Tech umfasst auch die Nutzung und sinnvolle Ergänzung bereits vorhandener Software. Wenn man versteht, wie diese für bestimmte Anwendungsfälle genutzt werden kann, lassen sich Synergien heben. Entsprechendes Wissen ist für Kanzleien und Unternehmen wertvoll. Entsprechende Expert:innen heiß begehrt.
Der Legal Tech Markt ist zudem unübersichtlich. Entweder man verliert sich darin oder sucht am eigentlichen Bedarf vorbei. Es ist bereits interessant zu sehen, welche Lösungen es gibt und was technisch alles möglich ist. Achtung Ironie: Man braucht dann nur noch das passende Problem dazu. Setzt man hier einen entsprechenden Schwerpunkt, wird man schnell zum Experten / zur Expertin z.B. für CLM-Systeme und findet leichter die passende Lösung für das bestehende Problem.
Process Automation
Hier heißt das Stichwort „No-Code“ oder „Low-Code“ Applikationen. Entsprechende Tools ermöglichen die Erstellung eigener Apps, ohne Programmierkenntnisse. Erforderlich ist lediglich die Bereitschaft zur Aneignung der erforderlichen Kenntnisse und die Fähigkeit zu deren Einsatz. Das beste Beispiel für solche Apps oder Workflows sind „Self-Services“, die zur Beantwortung wiederkehrender (rechtlicher) Anfragen erstellt werden: „Brauche ich ein Non-Disclosure Agreement?“, „Wer unterschreibt meinen Vertrag?“. Solche wiederkehrenden (rechtlichen) Anfragen müssen nicht durch Mitarbeitende-, sondern können (auch) automatisiert beantwortet werden.
Rechtsanwaltskanzleien beschäftigen ganze Entwicklungsteams, um entsprechende Apps zu erstellen und sie ihren Kunden anzubieten. Aber auch in-house ist die Entwicklung eigener Apps und Workflows sowie die damit einhergehende Entlastung der Rechtsabteilung gefragt.
Zur Prozessautomatisierung gehört auch die Prozessaufnahme, also die Ermittlung und Visualisierung zu automatisierender Prozesse. Dies ist gerade bei komplexen Abläufen unabdingbar, um Abhängigkeiten oder Effizienzdefizite aufzuzeigen. Eine entsprechende Darstellung in gängigen Tools ermöglicht oft erst die weitere Bearbeitung.
KPIs & Metrics (Datenanalyse)
Die Erbringung von Rechtsberatungsleistungen erzeugt Daten. Diese Daten zu erheben, aufzubereiten und auszuwerten, um daraus hilfreiche Schlüsse zu ziehen, ist in der Rechtsberatung wichtiger als je zuvor. Es gilt der Grundsatz von W. Edwards Deming: „Without data, you’re just another person with an opinion.“ Gerade durch den Einsatz von Legal Tech entstehen wertvolle Daten, die aufbereitet und ausgewertet werden sollten. Aus einem Matter Management Tool lassen sich z.B. Rückschlüsse auf die Auslastung der Rechtsabteilung oder die beratenen Rechtsgebiete ziehen. Ob neues Personal eingestellt wird oder die Beratung bestimmter Rechtsgebiete ausgelagert, entscheidet man somit gestützt auf eine fundierte (Daten)Grundlage.
Spend Management
Beim Spend Management geht es vor allem um die Kostenkontrolle und den Überblick über das Budget für externe Rechtsberatung. Hierher gehört aber auch das Lieferanten-Management, sprich die Auswahl geeigneter Kanzleien, Erstellung eines Kanzlei-Panels und regelmäßige Bewertung, ob die externen Berater:innen die eigenen Standards an Qualität und Service erfüllen.
Es geht aber auch um (Beschaffungs-)Prozesse. Gerade bei der Beauftragung externer Rechtsberatung. Spend Management liefert zudem wichtige Daten für KPIs & Metrics, selbst ohne Einsatz entsprechender Legal Tech („e-Billing“) Tools in diesem Bereich. Wer gerne mit Zahlen jongliert, ist hier richtig aufgehoben.
Regulatory Compliance
Die „Überwachung der Einhaltung von Regeln“ erfolgt in der Regulatory Compliance. Selbst auferlegte Vorgaben, wie Policies oder Unternehmensanweisungen und externe Normen, wie Gesetze oder behördliche Anordnungen, werden identifiziert und dokumentiert sowie anhand ihrer Relevanz für das Unternehmen bewertet. Ihre Einhaltung wird überwacht und die verantwortlichen Fachteams bei der Umsetzung der sich aus den jeweiligen Normen ergebenden Pflichten beraten.
Natürlich muss man dafür längst keine Excel-Tabellen mehr verwenden. Stattdessen nutzt man auch hier Legal Tech, in Form von Governance Risk & Compliance (GRC)-Tools. Das regulatorische Umfeld wird immer komplexer. Die einzuhaltenden Compliance-Anforderungen immer höher. Daher würde man ohne den Einsatz entsprechender Technologie und Expert:innen, die sich in der Materie auskennen, schnell den Überblick verlieren.
Legal Design & Plain Language
Bei Legal Design & Plain Language geht es vereinfacht gesagt darum rechtliche Inhalte, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, Verträge oder (Datenschutz)Hinweise, für juristische Laien verständlich zu machen. Als interne/r oder externe/r Rechtsberater/in möchte man schließlich, dass dem juristischen Rat gefolgt wird. Dazu müssen die Mandant:innen ihn allerdings zunächst verstehen. Während Plain Language den Fokus auf die Verwendung laiengerechter Sprache legt, ergänzt Legal Design diesen Ansatz um grafische Elemente und eine übersichtliche Darstellung der Inhalte von Rechtstexten. Wichtige Grundsätze sind:
Die Vermeidung des Nominal-Stil. Besser den Verbal-Stil verwenden.
Aktiv statt Passiv: „Es wird in Betracht gezogen…“ => „Wir denken darüber nach.“.
Direkte Ansprache: „Die Regeln sind zu befolgen!“ => „Befolgen Sie die Regeln!“.
Kurze Sätze verwenden => keine Schachtelsätze. Und gebräuchliche Begriffe => kein Fachchinesisch. Hauptaussagen vorn im Satz => nicht hinten.
Die Hervorhebung wichtiger Inhalte durch entsprechende grafische Gestaltung von Texten und Dokumenten (hier stark vereinfacht dargestellt).
Im Bereich Legal Design & Plain Language finden kreative Köpfe ihre juristische Nische.
Und deshalb ist Legal Operations angesagt
Jeder der zuvor genannten Bereiche erfordert eine einzigartige Kombination aus Fähigkeiten und Interessen. Und in all diesen Bereichen sind rechtliche Fragestellungen relevant, stehen aber nicht im Mittelpunkt. Die Bereitschaft die Erbringung von Rechtsberatung neu zu denken und Althergebrachtes zu hinterfragen sind jeweils die wichtigsten und alles vereinenden Kriterien. Und der Grund, weshalb Legal Operations angesagt ist!
Autor: Michael Thompson ist Wirtschaftsjurist (LL.M.) und Head of Legal Operations bei der ALDI International Services SE & Co. oHG. Zuvor war er dort als Legal Counsel mit Schwerpunkt IT-Vertragsrecht tätig. Mit seinem Team von Legal Operations Professionals verwirklicht er unter anderem Projekte in den Bereichen Regulatory Compliance, Process Automation, Legal Tech und Legal Design.