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Warum ESG einen ganzheitlichen rechtlichen Beratungsansatz braucht

Nachhaltiges Handeln wird in immer mehr Branchen und unternehmensinternen Arbeitsbereichen relevant. Das zeigt schon der Begriff ESG, der nachhaltiges Handeln den Bereichen Umwelt, Soziales und der Unternehmenskultur (Governance) zuschreibt.

Nachhaltigkeit als Leitthema für die kommenden zehn bis 15 Jahre

Nachhaltigkeit als messbare Größe wird zunehmend in vielen Unternehmensbereichen und damit auch in den korrespondierenden Rechtsbereichen wichtig. Investoren fragen bei M&A-Deals, bei VC-Investments, Fondsinvestments oder Investitionen in Immobilienprojekten verstärkt nach, wie Unternehmen, Finanzprodukte oder Immobilienprojekte nachhaltig ausgestaltet sind bzw. ausgestaltet werden können. Wir stehen am Beginn einer Entwicklung, die in den nächsten zehn bis 15 Jahren in der Rechtsberatung nicht mehr wegzudenken sein wird. Mit der Taxonomieverordnung wurde in Europa eine Grundlage geschaffen, in der man Definitionen für nachhaltiges Handeln findet und die damit einen einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard schaffen möchte. Während im Finanzmarkt nachhaltige Anlageprodukte bereits transparent und im Einklang mit der Taxonomieverordnung gekennzeichnet werden müssen, sind andere Branchen noch nicht direkt betroffen. Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird Umfang und Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen tiefgreifend ändern, ausweiten und in Europa vereinheitlichen. Auch die CSRD referenziert auf die Taxonomieverordnung. Die CSRD wiederum wird Unternehmensdaten liefern, die der Finanzmarkt beim Vertrieb von Finanzprodukten, die den Wert von Unternehmen abbilden, benötigt.

Die Verzahnung der Rechtsgebiete im Bereich ESG – Beispiele

Will etwa ein Unternehmen A eine Unternehmensanleihe emittieren und durch eine Bank Investoren suchen, muss die Bank entsprechende Nachhaltigkeitsinformationen über Unternehmen A haben, um den Anforderungen der Regulierung gerecht zu werden. Sie kann die Anleihe nur vertreiben, wenn bestimmte Informationen über die Nachhaltigkeit des Unternehmens auch vorhanden sind. Reine Finanzdaten reichen künftig nicht mehr aus. Dieses einfache Beispiel zeigt, wie verzahnt heute schon die einzelnen Rechtsgebiete und die Nachhaltigkeitsregulierung insgesamt sind. Ein anderes Beispiel bieten die Vorgaben rund um die Lieferkette, die neue Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit sich bringen; hier trifft Arbeitsschutz auf Umweltrecht und Menschenrechte.

Einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit im Unternehmen

Nicht nur in den einzelnen Branchen oder Unternehmensbereichen ist Nachhaltigkeit künftig ein Thema. Auch in den verschiedenen unternehmensinternen Abteilungen müssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Mitglieder des Vorstandes künftig mit dem Thema ESG auseinandersetzen. Compliance, Legal, der Vertrieb, die Produktentwicklung, das Risikomanagement, ggf. eine übergeordnete Nachhaltigkeitsstabstelle für die Entwicklung und Aufsicht über die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie sind nur die offensichtlichen Abteilungen, die sich künftig mit dem großen Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten auseinandersetzen müssen. Daher ist es wichtig, dass in einem Unternehmen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern denselben Anspruch und dasselbe Verständnis von nachhaltigem Handeln ihres Unternehmens haben. Dabei hilft sicher eine Rechtsberatung aus einer Hand, die das Unternehmen ganzheitlich in diesem Bereich beraten kann. Das setzt wiederum voraus, dass die Rechtsberaterinnen und Rechtsberater rechtsbereichsübergreifend miteinander sprechen und sich austauschen (und beispielsweise Begriffe der Taxonomieverordnung einheitlich auslegen).

Nachhaltigkeit als Querschnittsthema

Dazu kommen neue Themen, die sich über zwei oder mehr Bereiche hinweg entwickeln. Marketing nachhaltiger Produkte kann schnell zum Greenwashing werden. Was, wenn die Kennzeichnung der nachhaltigen Bestrebungen gesetzlich vorgegeben ist (wie etwa in der Offenlegungsverordnung für Finanzprodukte), aber daneben das Wettbewerbsrecht Greenwashing vorliegen sieht. Hier treffen Beratungsfelder aufeinander, deren Anwältinnen und Anwälte früher wenig miteinander zu besprechen hatten. Aber gerade bei fortschreitender Regulierung im Bereich ESG wird es immer wichtiger: dass Anwältinnen und Anwälte aus unterschiedlichen Bereichen mehr miteinander sprechen und sich austauschen. Dann können Mandantinnen und Mandanten auch umfassender und einheitlicher beraten werden. Denn der Maßstab von nachhaltigem Handeln in dem einen Bereich sollte mit dem Maßstab in dem anderen Bereich konsistent sein.

Nachhaltigkeit als Querschnittsthema kann zudem neue Produkte schaffen. Die Frage nach der Handelbarkeit von Treibhausgasminderungsquoten, die an Eigentümer von E-Autos vergeben werden, bringen Zivilrechtler, Öffentlichrechtler, Finanzaufsichtsrechtler und Energierechtler zusammen. Vergütungsanreize, die den Erfolg nachhaltiger Tätigkeiten belohnen, müssen Arbeitsrecht, aber im Finanzbereich auch der Regulierung entsprechen. Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Themen und neuen Produkten, die das rechtsgebietsübergreifende Arbeiten und Beraten erforderlich machen. ESG als Querschnittsthema wird in den nächsten Jahren sicher noch wachsen.

Ganzheitliche ESG-Beratung für eine gute Reputation und Zukunftsfähigkeit

Verstöße gegen ESG-Vorgaben werden zudem schnell zu einem Reputationsschaden. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig solche Risiken einzuschränken. Auch hierfür ist ein ganzheitlicher Beratungsansatz, der das Geschäftsmodel eines Unternehmens als Ganzes im Blick hat, unverzichtbar. Eine ausgewogene ESG-Strategie, die Umstellung einer Produktion auf mehr Nachhaltigkeit, die Anpassung der Lieferkette an mehr Arbeitsschutz und klare soziale und ökologische Vorgaben kann gerade die Investition sein, die das Unternehmen zukunftsfähig macht.

Es wird in den nächsten Jahren noch mehr Regulierung geben, die die Wirtschaft nachhaltiger machen möchte. Das wird voraussichtlich vor allem auf europäischer Ebene erfolgen. Auch wenn es derzeit in manchen Bereichen und für manche Unternehmen noch mühsam und lästig erscheint, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, so wird in Zukunft daran kein Weg vorbeiführen. So ist es auch die Aufgabe der Beraterinnen und Berater, Unternehmen dabei wirkungsvoll zu unterstützen und die Scheu vor diesen Veränderungen, die auch gesellschaftlich großen Einfluss haben werden, zu nehmen. Ein ganzheitlicher Beratungsansatz kann hier den Unterschied machen.

Autorin: Dr. Verena Ritter-Döring, Partnerin bei Taylor Wessing, ist Expertin für Finanzmarktregulierung und Bankaufsichtsrecht in Deutschland und Europa.

Autor: Sebastian Rünz, LL.M., Salary Partner bei Taylor Wessing, berät speziell zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und zur rechtlichen Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Compliance-Management-Systeme.

Dr. Verena Ritter-Döring und Sebastian Rünz leiten die Industriegruppe Environmental, Social, Governance (ESG) bei Taylor Wessing Deutschland und koordinieren und entwickeln das Thema ESG gemeinsam mit den einzelnen Rechtsbereichen auf praxisübergreifender Ebene.

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