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Wann macht eine Automatisierung von Prozessen im Kanzlei- oder Unternehmensalltag Sinn?

Wann lohnt es sich, Prozesse im Kanzlei- oder Unternehmensalltag zu automatisieren? Welche Abwägungen sollten hier getroffen werden und was bringt einem eine Automatisierung eigentlich? Der folgende Artikel möchte die richtigen Fragen auf dem Weg zur Automatisierung an die Hand geben.

Im Kanzlei- oder Unternehmensalltag stoßen wir oft auf Prozesse, die sich wiederholen und eher weniger Denkleistungen von uns verlangen. Diese so genannten “Monkey Tasks” halten uns nicht nur von der fachlichen Arbeit ab, sondern demotivieren uns über längere Zeit zusätzlich. Es lohnt sich also die Frage zu stellen, ob man diese Aufgaben nicht lieber den Computer erledigen lässt und sie automatisiert.

Und obwohl ein jeder solche Prozesse kennt, haben viele von uns noch nicht den Schritt in die Automatisierung gewagt. Um die Entscheidung zu erleichtern, möchte ich gerne der Frage nachgehen, wann sich eine Automatisierung lohnt, welche Abwägungen man hierzu treffen sollte und welche Vorteile neben der Einsparung von Arbeitszeit die Automatisierung noch hat.

Was meine ich mit Automatisierung?

In einer Automatisierung sehe ich einen Prozess, der ausgelöst durch einen sogenannten Trigger, automatisch Aufgaben ausführt, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Der Prozess kann zudem von weiteren menschlichen Interaktionen abhängig sein, welche als weitere Trigger funktionieren.

Wann ist ein Prozess automatisierbar?

Im Grundsatz gehe ich davon aus, dass jeder Prozess automatisierbar ist, der keine wertende Entscheidung fordert, die nicht nach vorher festgelegten Parametern abläuft.

Der automatisiertere Prozess fordert im Kern “nur” Ja- und Nein-Entscheidungen bzw. Wenn-Dann-Abfolgen. Wenn eine E-Mail eingeht, dann speichere den Anhang ab und wenn der Anhang einen bestimmten Begriff enthält, sende eine Benachrichtigung an mich.

Hier trifft der Prozess keine wertenden Entscheidungen, sondern handelt nach einem vorgegebenen Schema F. Eines das durchaus komplex werden kann. Gerade dann, wenn es darum geht, Daten auszulesen und zu verstehen. Hier liegt zugleich die Achilles-Ferse der Automation. Denn am Auslesen von ganz normalen Dokumenten, scheitert die KI öfter, als man es glauben mag und gerade im Bereich Jura, benötigen wir Eineindeutigkeit und geben uns nicht mit 97% zufrieden. Dem lässt sich aktuell übrigens am einfachsten mit einer klaren Systematisierung der Dokumente im Vorfeld begegnen.

Welche Abwägungen müssen wir im Vorfeld einer Automatisierung vornehmen?

Vor dem Automatisieren steht die Entscheidung zum Automatisieren selbst und hier gibt es zunächst drei Standardfragen, die man sich stellen sollte, um abzuwägen, ob sich eine Automatisierung überhaupt lohnt.

Frage 1: Wie viel Aufwand kostet mich im Moment die Aufgabe?

Der erste richtige Gedanke ist es, den reinen Netto-Zeit-Aufwand zu prüfen und niederzuschreiben. Dabei ist es wichtig, zu beachten, dass es damit noch nicht getan ist. Menschen sind keine Maschinen, weshalb wir in unsere Wertung einbeziehen müssen, wie sehr die Aufgabe die betroffene Person aus dem Alltag herausreißt und welche “Mental-Load”, also welche Belastung noch damit einhergeht.

Die beiden letzteren Gründe werden gerne von vorgesetzten Personen übersehen, da diese sich meist nur auf die Netto-Arbeitszeit konzentrieren. Doch wie sehr uns einfache Aufgaben aus dem Alltag reißen, ist schon beachtlich. Wer kennt nicht das Gefühl, stundenlang gearbeitet zu haben und am Ende sich zu fragen, was man eigentlich erreicht hat.

Frage 2: Wie viel Aufwand kostet mich die Umsetzung der Automatisierung?

Dies ist wohl am schwierigsten einzuschätzen und Fehler sind hier vorprogrammiert. Neben dem tatsächlichen Aufwand, die Automatisierung zu erstellen, kommt der Aufwand, betroffene Personen davon zu überzeugen, die neue Automatisierung zu akzeptieren und umzusetzen.

Aufgaben sind hier neu zu denken und kreativ umzusetzen. Dabei geht nicht jede Automatisierung so aus, dass am Ende die betroffenen Personen gar nichts mehr tun müssen, sondern eingeschränkt weiterhin Aufgaben (z.B. als Trigger) zu erledigen haben.

Die Auswüchse, die die Einführung von neuen Prozessen in bereits eingefahrene Systeme haben kann, ist beachtlich und stellt aktuell wohl die größte Hürde dar.

Frage 3: Und wie oft wiederhole ich den Task?

Die Frage ist wiederum recht leicht zu beantworten. Wie oft benötige ich diese Automatisierung? Es macht keinen Sinn für zehn Verträge im Jahr einen Vertragsgenerator einzuführen, jedoch jede Menge Sinn, für eine tägliche Aufgabe eine kleine Automatisierung umzusetzen.

Nach der einfachen Abwägung kommen die großen Fragen

Die vorgenannten Fragen stellen sich wohl die meisten, die über eine Automatisierung nachdenken, doch füge ich diesen zwei weitere hinzu, die trotz eines Neins nach den vorstehenden Fragen eine Automatisierung durchaus sinnvoll machen können.

Zusatzfrage 1: Habe ich ausreichend Personal, um die Aufgabe überhaupt auszuführen?

Aktuell leiden Unternehmen unter akutem Personalmangel und dies wird sich in den kommenden Jahren nicht ändern. Eine Methode, dem zu begegnen, ist es, die Personalressourcen schonender einzusetzen. Was bringt es, wenn eine Assistenzkraft zwar händisch eine Aufgabe im aktuellen System schneller ausführt, aber nur noch mit Dauerüberstunden diese schiere Masse an Aufgaben schafft? Hier sehe ich den viel größeren Gewinn für Automatisierungen, nämlich die Ausführungen von Aufgaben, für welche man schlichtweg kein Personal mehr findet bzw. Personal einsparen kann.

Zusatzfrage 2: Bildet diese Automatisierung vielleicht die Grundlage für weitere?

Ein bekannter Tweet zur Automatisierung geht wir folgt “Never spend 6 minutes doing something manually when you can spend 6 hours failing to automate it.” (Original wohl von @zhuowei). Hier findet sich ein Gedanke, dem Menschen wie ich gerne unterliegen: Automatisieren um des Automatisierens Willens. Wir machen es, weil wir es können.

Ich will daraus aber ein Argument für das Automatisieren gewinnen. Wenn ich nicht irgendwann anfange, falle ich immer weiter zurück. Die erste Automatisierung in einem alten, bestehenden System wird zu 90 % eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Hier lohnt es sich natürlich, mit kleinen Schritten anzufangen, um später ein gesamtes System zu entwickeln, welches einer holistischen Lösung nahekommt und nicht nur kleine Brände löscht.

Es gilt, den ersten Schritt zu wagen!

Fazit

Neben der einfach Abwägung, ob eine Automatisierung mehr Lösungen bietet als diese Aufwand kostet, sollte man sich fragen, ob eine aufwändigere Automatisierung nicht am Ende Personalnot mindern kann und eine Kanzlei bzw. ein Unternehmen in die Lage versetzt, in der Gesamtheit das eigene System umzustellen, um nicht nur aus der Not heraus handeln zu müssen.

Autor: Kilian Springer ist seit 2015 Rechtsanwalt und arbeitet seitdem an eigenen Lösungen und Tools im Bereich Legal Tech. Zunächst aus der Not heraus, da er keine passenden Lösungen finden konnte, welche er für den papierlosen und modernen Betrieb seiner Kanzlei KTR benötigte und später aus der reinen Lust am Erschaffen. Dies führte ihn zu seiner heutigen Arbeit als Legal Tech Manager und Entwickler bei Clarius.LEGAL, wo er für Unternehmen Lösungen im Bereich Automatisierungen, komplexe Vertragsgenerierung und Contract Lifecycle Management entwickelt und anbietet.

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