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Von Regulatorik bis Reputation – ein digitales Hinweisgebersystem für die ESG-Strategie

Verantwortung und nachhaltiges Handeln wird von Unternehmen immer stärker gefordert. Die Bedeutung von ESG-Kriterien rückt entsprechend zunehmend in den Fokus. Neben offensichtlich drängenden Umweltaspekten umschließt ESG auch soziale und Governance-Themen. Eine der wichtigen Fragen in diesem Kontext ist: Welche Unternehmenskultur möchten wir pflegen? Und hier kommt das Hinweisgebersystem ins Spiel.

Die Anforderungen in Bezug auf ESG steigen für Unternehmen von allen Seiten. Zum einen durch die Regulatorik: neue Gesetze wie das Lieferkettengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz machen einige ESG-Aspekte zur Pflicht. Andererseits wird nachhaltiges Handeln auch für Kund:innen, Mitarbeitende und Bewerber:innen immer wichtiger. Die Attraktivität eines Unternehmens sowie das Vertrauen seitens seiner Stakeholder ist eng mit seiner ESG-Performance verknüpft. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen stellen diese Anforderungen eine Herausforderung dar – gleichzeitig sind 99% aller Unternehmen in Deutschland KMU. Für das Erreichen jeglicher Nachhaltigkeitsziele sind sie also immens wichtig.

ESG-Compliance braucht Legal Tech

ESG wird von Unternehmen schon lange nicht mehr als notwendiges Übel angesehen, sondern sie erkennen, wie eng Verantwortung und nachhaltiger Unternehmenserfolg zusammenhängen. Die Abkürzung „ESG“ stellt es sehr anschaulich dar: “Nachhaltigkeit” gilt nicht nur für Umweltschutz, sondern ist verzahnt mit sozialen und Governance-Faktoren. Wollen Unternehmen langfristig auf dem Markt bestehen, kommen sie um ethische Unternehmensführung nicht herum.

Um die Einhaltung von Regeln in Form von rechtsverbindlichen Gesetzen oder indirekt bindenden ESG-Kriterien sicherzustellen, sind die konkreten Aufgaben oft repetitiv. Sie bilden somit eine perfekte Grundlage für Digitalisierung. So gibt es heute schon eine Reihe an digitalen Tools, welche diese Aufgaben oder zumindest die zugrunde liegenden Prozesse zuverlässig übernehmen. Digitale Tools sind oft effizienter, die Fehlerquote geringer und die Kosten überschaubar. Davon profitieren alle Unternehmen – besonders KMU wird damit ein Teil der Last abgenommen.

Das digitale Hinweisgebersystem als Teil der ESG-Strategie

Ein digitaler Meldekanal ist essenzieller Bestandteil einer effektiven ESG-Strategie. Dabei funktioniert er ganz einfach: die hinweisgebende Person wird durch einen einfachen Fragebogen geführt. Nach der Hinweisabgabe erhält die hinweisgebende Person einen Code und erstellt eine PIN, mit der sie sich jederzeit wieder einloggen und den Status der Meldung einsehen kann. Die hinweisempfangende Person wird benachrichtigt, dass ein neuer Hinweis eingegangen ist, und über eine Chat-Funktion können beide miteinander kommunizieren. Die hinweisgebende Person kann dabei auf Wunsch vollkommen anonym bleiben.

Sowohl das Lieferketten- als auch das Hinweisgeberschutzgesetz sehen solch einen Meldekanal vor. Neben der Einhaltung von regulatorischen Vorgaben gibt es eine ganze Reihe an Faktoren, die einen digitalen Kanal für Meldungen unabdingbar machen. Zunächst geht es um Früherkennung: Ein effektives Hinweisgebersystem ermöglicht es Mitarbeitenden, potenzielle ESG-Risiken und -Verstöße frühzeitig zu melden. Dadurch können Unternehmen schnell auf solche Bedenken reagieren, geeignete Maßnahmen ergreifen und potenziell negative Auswirkungen minimieren.

Ein Hinweisgebersystem fördert außerdem Transparenz im Unternehmen. Wenn Mitarbeitende darauf vertrauen, dass ihre Bedenken ernst genommen und vertraulich behandelt werden, führt dies zu einer offeneren Kommunikation – Unternehmen etablieren eine Speak-up Kultur. Diese hat positive Auswirkungen auf die gesamte Unternehmenskultur: Mitarbeitende sind zufriedener und bleiben länger im Unternehmen. Auch nach außen profitieren Unternehmen von einer transparenten Kultur. Kritische Themen können rechtzeitig angegangen werden, bevor sie sich zu reputationsschädigenden Skandalen entwickeln.

ESG als globaler Ansatz

ESG fokussiert nicht nur auf das Unternehmen selbst, sondern schließt auch Stakeholder wie Kunden, Lieferanten und Investoren ein. Wenn ein Unternehmen aktiv auf Bedenken dieser Stakeholder eingeht, kann es seine ESG-Performance verbessern und langfristige Partnerschaften aufbauen. Ein digitaler Meldekanal ist somit nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch in Bezug auf das B2B-Umfeld hilfreich. Gesetzlich ist dies seit diesem Jahr in Form des Lieferkettengesetz verankert. Damit Verletzungen von Menschenrechten oder Gefahren für die Umwelt gemeldet werden können, sieht das Gesetz einen Meldekanal als Teil eines Beschwerdeverfahrens vor. Dieser muss mehrsprachig sein, sodass Meldende in ihrer Muttersprache melden können. Dabei ist eine digitale Lösung zwingend notwendig – und ermöglicht ein unbürokratisches und user-freundliches Frühwarnsystem.

Practice what you preach – Hinweisgebersystem für Rechtsberater:innen

Für Kanzleien ab 50 Mitarbeitenden wird es in diesem Jahr ebenfalls Pflicht, interne Hinweisgebersysteme einzuführen. Jedoch sollte das Gesetz nur einer der Gründe sein, einen digitalen Meldekanal einzuführen. Besonders in Bezug auf Reputation sind digitale ESG-Tools für Rechtsberater:innen ein effizientes Mittel, um eine Vorbildfunktion einzunehmen. In Bezug auf ethische Geschäftspraktiken und integres Verhalten tragen Rechtsdienstleister eine besondere Verantwortung. Hier vorbildlich zu agieren ist wiederum vertrauensstiftend für Kund:innen und Geschäftspartner. Darüber hinaus ist es gerade für Beratungsunternehmen relevant, sich aufgrund Ihrer meist Stunden-basierten Dienstleistung mit zusätzlichen digitalen Tools aufzustellen, um ihrer Mandantschaft möglichst effizient und technisch zeitgemäß zur Seite zu stehen. Mit dem allgemein zu beobachtenden Trend weg von Stunden-Abrechnung hin zur Pauschalvergütung liegt diese Entwicklung im ureigenen wirtschaftlichen Interesse der beratenden Organisationen.

Fazit

Auch im Privaten müssen wir klimafreundlicher und ressourcenschonender handeln, doch für größere Veränderungen braucht es die Unternehmen. Um hier KMU in die Lage zu versetzen, Compliance und ESG-Kriterien zu einer Priorität zu machen, sind Legal Tech Tools wie ein digitales Hinweisgebersystem eine wichtige Unterstützung. Ein Hinweisgebersystem macht noch keine ESG-Strategie, eine ESG-Strategie ohne Hinweisgebersystem ist jedoch unvollständig. Insgesamt tragen ein Hinweisgebersystem und die daran gekoppelte Speak-up-Kultur dazu bei, ESG-Prinzipien in den operativen Alltag eines Unternehmens zu integrieren und so langfristig nachhaltige Geschäftspraktiken zu fördern – in Beratungen und KMU gleichermaßen.

Autorin: Maraja Fistanic ist CMO der LegalTegrity GmbH. Ihr Spezialgebiet ist die Schnittstelle zwischen Marketing, digitalen Geschäftsmodellen und der Rechtsbranche. Zuvor war sie Geschäftsführerin eines europäischen Rechtsanwaltskanzleiverbunds und Projekt- und Marketing-Managerin einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei. Mit ihrer Leidenschaft für Digitales fokussierte sie sich in ihren MBA in Digital Transformation Management auf den Erfolg von Geschäftsmodellinnovationen in Legal-Tech-Unternehmen. Heute ist sie außerdem als Vorstandsmitglied des Legal Tech Verband Deutschlands tätig.

Autor: Dr. Thomas Altenbach, CEO und Rechtsanwalt der LegalTegrity GmbH, ist ein Compliance-Experte mit einer Leidenschaft für Integrität und Innovation. Als Anwalt im Topmanagement internationaler Konzerne sowie als Berater mittelständischer Unternehmen wurde er zu einem der gefragtesten Compliance-Spezialisten und Mitglied einer UN-Expertengruppe zur Korruptionsvermeidung. Sein Interesse an Digitalisierung in Verbindung mit Compliance und Mittelstand mündete in der Gründung des Legal Tech Unternehmens LegalTegrity.

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