Fachartikel

Robin Hood Litigation

Rechtsdurchsetzung scheitert oftmals an den bestehenden Zugangshürden. Strukturelle Nachteile halten viele davon ab, ihre Rechte zu verfolgen. Das Legal Tech Start-up cleverklagen hat sich vorgenommen, die Situation mithilfe von innovativen Litigation-Konzepten zu verbessern. Hier erzählen die Gründer, was hinter Ihrer Idee steckt und wie sie diese umsetzen wollen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen euer Legal Tech Start-up cleverklagen zu gründen?

Wir haben uns während unserer gemeinsamen Zeit bei Hausfeld LLP kennengelernt. Fabian war damals einer der Köpfe des Dieselgate-Teams. Lucas hat dort seinen Berufseinstieg als Rechtsanwalt gemacht. Bereits in dieser Zeit haben die Themen Legal Tech und Prozessfinanzierung unseren Berufsalltag bestimmt. Wir haben mit den Diesel-Sammelklagen große Massenverfahren für den Legal Tech Anbieter myright betreut. Bei diesen ging es darum, zehntausende Ansprüche von Verbraucher:innen in wenigen großen Klagen zu bündeln. Zudem haben wir auch eine eigene Legal Tech Einheit aufgebaut. Diese Erfahrungen gaben den Anstoß für den Aufbau von cleverklagen.

Der entscheidende Gedanke für die Gründung war, dass wir gerne aus der Perspektive „klein gegen groß“ arbeiten. Wir wollen uns für die Rechte derjenigen einsetzen, die weniger Ressourcen haben und dadurch strukturell im Nachteil sind. Etwas scherzhaft nennen wir das bei uns „Robin Hood Litigation“.

Das Paradebeispiel dafür ist natürlich das Arbeitsrecht, daher haben wir es auch als erstes Rechtsgebiet ausgewählt. Arbeitnehmer:innen haben in einer Kündigungssituation oftmals das Gefühl, einem übermächtigen Gegner ausgeliefert zu sein. Das Unternehmen, für das sie gearbeitet haben, hat deutlich mehr Ressourcen. Hinzu kommt der psychologische Druck, jetzt den Chef oder die Chefin zu verklagen. Hier setzen wir auf Empowerment und Finanzierung, damit niemand auf seine Rechte verzichtet.

Wie funktioniert euer Konzept genau?

Unser Konzept ist eigentlich schnell erklärt. Wir haben tolle Anwält:innen für Arbeitsrecht ausgewählt, die wir unseren Kund:innen vermitteln. Das sind Anwält:innen, die nicht nur juristisch was draufhaben, sondern auch erhebliche Softskills besitzen. Letzteres ist im Arbeitsrecht besonders wichtig. Der Erfolg eines Falls hängt stark mit dem Verhandlungsgeschick der Akteur:innen zusammen.

Für Kund:innen, die keine Rechtsschutzversicherung haben, finanzieren wir die Anwalts- und Gerichtsgebühren. Im Gegenzug erhalten wir eine Erfolgsprovision an den Zahlungen der Arbeitgeber:innen.

Was den Tech-Aspekt angeht: Wir haben ein maßgeschneidertes Softwarepaket entwickelt, das wir unseren Partneranwält:innen zur Verfügung stellen. Dieses Paket deckt alles ab – von der Mandatsaufnahme bis zur Abrechnung. Es geht letztlich um eine hoch digitalisierte Rechtsdurchsetzung von A-Z. Der Großteil der Prozesse läuft vollständig automatisiert ab. Die Anwält:innen greifen nur dort ein, wo juristischer Sachverstand wirklich benötigt wird. Dies kommt wiederum den Mandant:innen zu Gute. Denn die Anwält:innen haben so deutlich mehr Zeit, sich um die wesentlichen Dinge zu kümmern – Strategie, Verhandlung und natürlich das Gewinnen der Verfahren.

Welche Schwierigkeiten gab es bei der Umsetzung des Projektes?

Es ist sicherlich eine große Umstellung, wenn man als Rechtsanwalt in einer Großkanzlei gearbeitet hat und dann auf einmal Legal Tech Unternehmer ist. Die Aufgabenfelder verschieben sich naturgemäß sehr. Das juristische Handwerk rückt etwas in den Hintergrund. Nun geht es auch um Marketing, UX, Design, Softwareentwicklung, Customer-Success und vieles mehr. Da kommen direkt ganz neue Herausforderungen auf einen zu. Gerade das ist aber auch der besondere Reiz, den unsere Arbeit ausmacht – immer wieder neue Themenkomplexe für sich zu erschließen. Die Lernkurve war bislang extrem steil, und genau das macht es so spannend für uns.

Abgesehen davon war es der wohl übliche Start-up-Struggle. Wir sind ohne Investor:in gestartet und mussten daher am Anfang fast alles selbst machen im Unternehmen. Die größte Schwierigkeit in den ersten Jahren ist, nicht auszubrennen. Es ist einfach unendlich viel zu tun. Umso mehr freut es einen, wenn sich der Einsatz auszahlt. Auf einmal beginnt das Pflänzchen zu wachsen, und das Unternehmen entwickelt sich Schritt für Schritt. Das ist ein großartiges Gefühl.

Was waren eure ersten Erfolge?

Unsere ersten Erfolge waren natürlich die ersten Kund:innen und gewonnenen Cases. Die Dankbarkeit der Menschen, die einen guten Service bekommen haben, entschädigt einen für die vielen Mühen. Der Verlust des Arbeitsplatzes stellt für viele eine existenzielle Krise dar. Menschen in einer solchen Situation helfen zu können, ist sehr motivierend.

Gibt es weitere Projekte, die ihr mit cleverklagen umsetzen wollt?

Unser Angebot ist momentan noch auf Arbeitsrecht beschränkt. In den kommenden Monaten wird cleverklagen das Portfolio aber schrittweise um weitere Rechtsbereiche erweitern. Wir wollen unser Know-How im Bereich Litigation und Digitalisierung nutzen, um mehr Personen bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen. Unser Ansatz zielt dabei nicht ausschließlich auf sogenannte „Verbraucherrechte“ ab. Wir sehen uns in allen Bereichen, wo wir ein Ungleichgewicht von Ressourcen und Chancen bei der Rechtsdurchsetzung beobachten. Das kann natürlich auch auf Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen zutreffen.

Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft des Rechtsmarktes aus und welche Rolle wollt ihr dabei spielen?

Das Problem des traditionellen Rechtsmarkts ist aus unserer Sicht, dass die Zugangshürden zu hoch sind. Viele setzen ihre Rechte nur deshalb nicht durch, weil sie schlichtweg Angst vor der Rechtsmaschinerie haben. Und diese Angst ist nicht ganz unbegründet: Richter:innen und Rechtsanwält:innen sprechen eine für die meisten Leute unverständliche Sprache. Alles dauert unglaublich lange. Dennoch fallen hohe Kosten an. Genau hier muss Legal Tech ansetzen. Das Rechtssystem muss entstaubt und die Zugangshürden müssen abgebaut werden. Dabei geht es nicht nur um die Kosten der Rechtsdurchsetzung. Auch die Art und Weise, wie eine Rechtsdienstleistung angeboten wird, spielt eine sehr wichtige Rolle. Das berührt viele verschiedene Bereiche, wie Fragen des Designs oder der Kommunikation – also verständliche Sprache, moderne Kommunikationskanäle, kundenorientierter Service und dergleichen mehr.

Wir brauchen einen zeitgemäßen und qualitativ hochwertigen Zugang zum Recht, den sich jede:r leisten kann. Genau das will cleverklagen ermöglichen. Wir wollen mit cleverklagen einen Beitrag zu der dringend notwendigen Demokratisierung des Rechtssystems leisten.

Vielen Dank für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg mit cleverklagen.

Interviewter: Fabian Beulke ist Rechtsanwalt und COO bei cleverklagen. Als Spezialist für komplexe Gerichts- und Schiedsverfahren war er davor für die Kanzleien Raue LLP und Hausfeld LLP in Berlin als Rechtsanwalt tätig.

Interviewter: Lucas Rößler ist Rechtsanwalt und CEO bei cleverklagen. Vor der Gründung von cleverklagen war er bei Hausfeld LLP in Berlin tätig, wo er sich auf Prozessführung und digitale Rechtsdurchsetzung spezialisierte.

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