FachartikelLegal Tech Rechtsabteilung

Rechtsabteilungen sollten keine Angst vor initialem Aufwand bzgl. der Digitalisierung haben

Lesen Sie im Folgenden ein Interview mit Florian Schäfer, General Counsel der Leica Camera AG. Wir sprachen mit ihm über den Einsatz von Legal Tech Tools in Rechtsabteilungen und wie sich die Arbeit eines General Counsel in den letzten Jahren immer weiter digitalisiert hat.

Sehr geehrter Herr Schäfer, seit wann sind Sie in der Rechtsabteilung der Leica Camera AG tätig und was haben Sie vorher gemacht?

Florian Schäfer: Ich habe meine Tätigkeit als In-House Counsel bei der Leica Camera AG im Oktober 2008 aufgenommen. Damals war ich der erste und einzige In-House Counsel bei Leica. Davor war ich Legal Counsel bei der Fiat Chrysler Automobiles Germany AG und auch einmal als Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei in Bayern tätig.

War für Sie als Jurist die Arbeit in einer Rechtsabteilung schon immer das interessantere Ziel?

Florian Schäfer: Begonnen habe ich, wie gesagt, als Rechtsanwalt in einer Kanzlei und möchte diese Zeit nicht missen, da ich dort „schwimmen“ gelernt habe und die gesamte Klaviatur des Prozessrechts kennenlernen konnte. Die Arbeit als Unternehmensjurist hat für mich aber deswegen einen besonderen Reiz, weil man als integrierter Bestandteil des Managements unmittelbar zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann. Im Gegensatz zu der Arbeit eines Kanzleijuristen, bietet die Arbeit als Unternehmensjurist außerdem eine viel höhere Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Produkten.

Was hat sich in den letzten Jahren bei Ihrer Tätigkeit verändert? Wurde Ihre Arbeit und die Arbeitsabläufe digitaler?

Florian Schäfer: Meine Digitalisierungserfahrung begann 2012 mit dem Einsatz von winra (von Wolters Kluwer) als Dokumenten-/Vertragsmanagement-System. 2013 erstellten wir für ein selbst eingeführtes Compliance-Pgramm webbasierte E-Learning-Module. Seit 2016 nutzen wir „Confluence“ (von Altlassian) als Collaboration-Software, insbesondere für das Intranet, inkl. Blog-News. 2019 haben wir Adobe Sign für eine digitale Zeichnung von Verträgen und ein „Jira“-Service Desk für Task Management eingeführt.

Speziell in Corona-Zeiten war der Einsatz der verschiedenen digitalen Tools sehr sinnvoll, da viele Mitarbeiter und Führungskräfte im Home-Office waren, aber Unterschriften z. B. über Adobe Sign eingeholt werden konnten. Auch die Nutzung von Confluence, zum gemeinsamen Arbeiten an Dokumenten über das Intranet, hat die Zusammenarbeit erheblich erleichtert und sehr gute Ergebnisse geliefert.

Über das Jira Task Management Tool können Tickets als Anfragen an die Rechtsabteilung eingestellt werden. Diese werden dann einmal am Tag im morgendlichen Team Jour-fixe besprochen und anschließend über das System abgearbeitet. Ein integriertes Analysetool erlaubt unterschiedliche Auswertungen, u.a. aus welchen Bereichen und Konzerngesellschaften/Ländern die Anfragen kommen. Dies hilft ungemein bei der Kostenanalyse. Sämtliche Tools haben uns dabei geholfen, auch während der Corona-Home-Office Zeit schlagkräftig auftreten zu können.

Welche Legal Tech Tools könnten Sie sich vorstellen zu verwenden, auch wenn es diese vielleicht noch gar nicht gibt?

Florian Schäfer: Sehr interessant fände ich eine Plattform für den Einkauf von Rechtsdienstleistungen mit integrierten Mini-Pitches.

Was raten Sie Rechtsabteilungen, die erst am Anfang der Digitalisierung stehen?

Florian Schäfer: Zunächst sollten sie keine Angst vor dem initialen Aufwand haben. Dieser lässt ich beeinflussen und zahlt sich später auf jeden Fall aus. Ob nur Teilbereiche digitalisiert werden sollten, ist eine Frage der Unternehmensgröße. Grundsätzlich würde ich aber empfehlen, von vornherein die gesamte Rechtsabteilung zu digitalisieren, da ich ein einheitliches Auftreten („One face to the customer“) gegenüber den internen Mandanten für wichtig halte.

Ferner würde ich einen Zeitpunkt festlegen, ab dem sämtliche Neuvorgänge ausschließlich über das neue System (in unserem Fall das Dokumenten-Management-System winra) bearbeitet werden. Alte Vorgänge werden parallel / sukzessive in die Datenbank eingepflegt, auch um den initialen Aufwand zu reduzieren. 


Wenn Sie sich von externen Kanzleien beraten lassen, kommt hier bereits spezielle Software zum Einsatz, etwa eine Plattformlösung, über die die Kommunikation und die Kontrolle der Prozesse läuft?

In der Regel findet die Kommunikation noch über die klassischen Tools statt, also insbesondere Telefon und E-Mails. Projekte bearbeiten wir dagegen teilweise über Confluence als Collaborations-Plattform, zu der externe Anwälte einen Zugang erhalten und Updates einpflegen können. Die Bereitschaft, mit solchen Tools zu arbeiten, wird von den Kanzleien erwartet.

Verwenden Sie für In-House Anfragen der Mitarbeiter Chatbots?


Nein, Chatbots haben wir bislang nicht im Einsatz. Abhängig von der Funktionsweise kann das sinnvoll sein. Offenheit dafür gibt es jedenfalls. Derzeit haben wir Schulungsmaterialien und FAQs mit Antworten im Intranet veröffentlicht, die jederzeit online abrufbar sind. 


Das Legal Tech Lösungen in Rechtsabteilungen eine große Zukunft haben, ist sicher unbestritten. Welche Veränderungen werden ihrer Meinung nach dadurch auf die Arbeitsweise von In-House Counseln zukommen?


Florian Schäfer: Die typische Aufgabe der Rechtsberatung bleibt zwar essentiell, aber auch In-House Counsel müssen Zeit in die Bedienung und Pflege der Tools investieren. Dies erfordert selbstverständlich auch eine gewisse IT-Affinität, gegebenenfalls auch Schulungen. Projektmanagement-Skills gewinnen meiner Einschätzung nach ebenfalls an Bedeutung. 


Was sind für Sie die wichtigsten Faktoren bei Legal Tech Anwendungen?

Florian Schäfer: Diese sind Zeitersparnis / Effizienz, Transparenz, die Unabhängigkeit vom Sachbearbeiter, die häufig zeit- und ortsunabhängige Erreichbarkeit/Verfügbarkeit, Synchronisierung des Auftritts der Rechtsabteilung durch Harmonisierung der Vertragsvorlagen und die Möglichkeit, alle Vorgänge auswerten und analysieren zu können.


Wie kann man sich ihrer Meinung nach am besten über Legal Tech informieren?


Florian Schäfer: Generell auf Kongressen und Veranstaltungen, wie z.B. der Legal Revolution in Frankfurt am Main oder der In-House Matters vom Deutschen AnwaltSpiegel. Ausserdem bei Roundtables für Unternehmensjuristen/innen. Auch Empfehlungen und Erfahrungsberichte von Kollegen/innen sind natürlich hilfreich und manchmal sehr inspirierend.

Vielen Dank Herr Schäfer für dieses interessante und aufschlußreiche Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Digitalisierung.

Florian Schäfer: Sehr gerne. Vielen Dank.

Im Interview: Florian Schäfer, Director Legal & Compliance | General Counsel bei der Leica Camera AG, Wetzlar, seit Oktober 2008.

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