Preview Swiss Legal Tech 2019
Interview mit Dr. Petra Arends-Paltzer, Initiatorin der Swiss Legal Tech, Mitherausgeberin und Co-Autorin des Bestsellerbuches „Legal Tech: Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“ und Woman of Legal Tech 2018. Frau Dr. Arends-Paltzer berichtet über Neuerungen der Legal Tech Messe in Zürich, über die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei und über die gravierenden Veränderungen, die der Rechtsbranche bevorstehen.
LTV: Liebe Frau Dr. Arends-Paltzer, am 3. und 4. September 2019 findet, nun schon zum dritten Mal, die Swiss Legal Tech in Zürich statt. Was steht dieses Jahr thematisch auf der Agenda?
Petra Arends-Paltzer: Um die Themen Legal Tech und deren zahlreiche Anwendungsbereiche einem breiten juristischen Publikum näherzubringen, gibt es auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit, an den zahlreichen praxisbezogenen Workshops teilzunehmen, die am Donnerstag, den 3. September stattfinden. In diesem Jahr gibt es 3 verschiedene Praxisblöcke, die zeitgleich angeboten werden. «Essentielle digitale Tools», «Digitale Kommunikation und Marketing» und «Specials». In letzterem stellen wir z.B. den Gewinner des Global Legal Hackathon vor. Wichtig ist uns der Praxisbezug. In den Workshops, die zeitgleich laufen, lernen die Teilnehmer vor Ort, wie sie digitale Tools in der täglichen Praxis einsetzen können.
In der Konferenz am 4. September, die auch in diesem Jahr wieder im Landesmuseum Zürich vis à vis dem Hauptbahnhof stattfinden wird, werden praxiserfahrene Experten die relevanten Veränderungen, die die Rechtsberatung in 2019 und den Folgejahren erwarten lässt, verständlich und auch hier anhand von konkreten Beispielen vermitteln. Nach vier Jahren Hype um das Thema Legal Tech wird an der Swiss Legal Tech einmal beleuchtet, was Legal Tech in der Praxis wirklich heisst. Renommierte Referenten aus dem In- und Ausland ziehen eine Zwischenbilanz nach mehreren Jahren im Legal Tech und reflektieren mit den Teilnehmenden die aktuellen Entwicklungen im Markt. Die Keynote zu diesem Thema hält Markus Hartung, im Anschluss daran werden systematisch die verschiedenen Arten der «Alternative Legal Service Provider» vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt darin aufzuzeigen, wie diese ALSP die Arbeit der Anwälte und Juristen verändert haben.
«Gemeinsam sind wir stark» heisst der 2. Teil der Konferenz. Praxisbeispiele aus Wien und Paris zeigen auf, wie Anwaltskanzleien im Legal Tech zusammenarbeiten und unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ eine kanzleiübergreifende Initiative gegründet haben. Welche neuen Businessmodelle eröffnet die Digitalisierung für Anwälte? Dies wird am Beispiel der PropTech-Entwicklung der Immobilienwirtschaft aufgezeigt. Die laufende Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen verändert die Rechtsdienstleistungen fundamental – hier liegen enorme Chancen für Anwälte und Juristen. Am Ende der Veranstaltung werfen wir einen Blick in die Zukunft: Was können wir heute schon umsetzen? Bekannte Sprecher aus dem In- und Ausland werden darlegen, wie die Digitalisierung aus ihrer Sicht das Recht und die Rechtswirklichkeit heute und in der Zukunft verändern werden. Die Teilnehmer werden digital und interaktiv in Diskussionen eingebunden.
LTV: Welche Speaker wurden dieses Jahr eingeladen?
Petra Arends-Paltzer: Wie in jedem Jahr bei der Swiss Legal Tech gibt es wieder neue internationale Gesichter. So zum Beispiel Stefan Schicker von SKW Schwarz, Sabrina Keese-Haufs von Lawlikes, Gudrun Stangl und Lukas Schmidt vom Vienna Legal Tech Hub, Bart van Wanroij von Epona Legal aus den Niederlanden, Arnaud Touati von der Pariser Anwaltskammer, Kaisa Kromhof von Contract Mill aus Finnland, Marianna Matokhniuk, die den Gewinner des Global Legal Hackathon vorstellen wird, und viele mehr!
LTV: Wie sind die Erfahrungen aus den letzten Jahren? Was waren ihre persönlichen Highlights?
Petra Arends-Paltzer: Ganz sicher der Vortrag an der ersten Swiss Legal Tech Conference von Meng Wong „Law firms do not want to be efficient“. 2018 die Vorträge von Sarah Mahmud und Pascal Hachem zum Thema «Legal Tech in internal Investigations» und Andreas May zur digitalen Fahndung im Darknet. Ferner alle Vorträge zum Themenkomplex «Neue Geschäftsmodelle im Bereich Access to Justice».
LTV: Wie hat sich das Publikum verändert in ihrer Einstellung zum Thema „Digitalisierung der Rechtsbranche“? Wird das Thema heute anders wahrgenommen als noch 2017?
Petra Arends-Paltzer: Nach wie vor ist das Thema nur bei einigen wenigen wirklich angekommen, das sind dann die Kollegen, die man an den gängigen Legal Tech Veranstaltungen trifft – so eine Art Klassentreffen. Einige von diesen Kollegen haben auch das Gefühl, Legal Tech sei ein einziger Hype… weshalb wir genau dieses Thema an der Swiss Legal Tech 2019 aufnehmen. Insgesamt interessiert sich die Branche erst ganz langsam aber für das Thema – wichtig ist m.E., anhand konkreter Beispiele aufzuzeigen, wie Anwälte und Juristen digitale Tools auch wirklich einsetzen können. Wenn das gelingt, dann wird man zukünftig auch die zahlreichen Juristen erreichen können, für die das Thema bisher noch nicht von Bedeutung war. Durch die Gründung zahlreicher Meet-Ups im Bereich Legal Tech ist aber insbesondere die jüngere Generation der Juristen dem Thema gegenüber aufgeschlossen und zunehmend als Teilnehmer anzutreffen. Interessanterweise nehmen aber auch viele BWLer an den Veranstaltungen teil, die sich über potentielle neue Businessmodelle im Zusammenhang mit Legal Tech informieren wollen.
LTV: Sie sind neben Christian Solmecke und Robin Schmitt Co-Herausgeberin des Buches „Legal Tech – Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“. Ist diese Transformation in der Schweiz und in Deutschland schon weit vorangeschritten?
Petra Arends-Paltzer: Eine ganz klare Antwort: Nein. Und das hängt vor allem damit zusammen, dass das Thema so komplex ist, dass viele gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Auf der anderen Seite sehen viele Anwälte, die nach wie vor gut im Geschäft sind, nicht die Notwendigkeit, sich mit diesen Themen umfassend auseinander zu setzen, solange sie keinen Druck verspüren. Da aber zunehmend junge Unternehmen, die oftmals nicht von Juristen gegründet wurden, in den digitalen Rechtsmarkt eintreten, ist das Thema allgegenwärtig und wird uns so schnell nicht verlassen.
LTV: Gibt es Unterschiede bei der Herangehensweise und der Einstellung zur Digitalisierung bei Rechtsanwälten/innen in der Schweiz gegenüber Deutschland? Sind die Schweizer hier schon weiter
Petra Arends-Paltzer: Es gibt in beiden Ländern Anwälte/innen, die dem Thema gegenüber aufgeschlossen sind, nach wie vor aber eine verschwindend geringe Zahl. Einen strukturellen Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz kann ich nicht erkennen.
LTV: Was können Anwälte/innen jetzt tun, um sich besser aufzustellen? Mit welchen Themen sollten sie sich aktuell beschäftigen?
Petra Arends-Paltzer: Mit den einfachsten Dingen der Digitalisierung, wie der Automatisierung von Prozessen und Dokumenten, sowie der digital rechtssicheren Kommunikation mit Mandanten, Kollegen und Externen. Ein Thema was in einem unserer Workshops am Donnerstag, den 4.September behandelt werden wird.
LTV: Wie sehen sie die Rechtsbranche in den nächsten zehn Jahren? Welche gravierenden Veränderungen wird es geben?
Petra Arends-Paltzer: Die Spreu wird sich vom Weizen trennen. Es wird zunehmend digitalisierte Rechtsberatungsportale geben, die einfachste anwaltliche Tätigkeiten übernehmen werden. Der eigentliche Markt für Legal Tech liegt aber nicht in Europa, sondern in Ländern, in denen bisher Millionen von Menschen noch nie Zugang zu Recht (Access to Justice) hatten. Also konkret zum Beispiel in Afrika oder Asien. Dort werden wir einen Boom im Bereich Legal Tech erleben, insbesondere auch deshalb, weil die Legal Tech Branche insbesondere in Asien mithilfe von Private Equity und Venture Capitel massive Unterstützung erhalten wird. In Europa werden die spezialisierten Experten weiterhin alle Hände voll zu tun haben. Der Kunde aber wird die Ansprüche stellen, die er an alle anderen Branchen stellt. Einfacher Zugang und digitale Kommunikation und 24/7. Wer das bieten kann, gehört zu den Gewinnern.
LTV: Vielen Dank für das interessante Interview und viel Erfolg bei der Swiss Legal Tech 2019!