Fachartikel

NetzBeweis – von schlechten Screenshots zum Legal Tech StartUp

Die Mühen der Erstellung von Screenshots sind der Hintergrund, im Legal Tech Hackathon entstand die Idee. Heute ist NetzBeweis ein Legal Tech StartUp, welches sowohl Preise gewonnen hat als auch zwei hochkarätige Löwen als Investoren überzeugen konnte. Die Geschichte, und welche technischen Herausforderungen mit dem Tool einhergegangen sind, finden Sie hier.

Die Origin Story

Jede Juristin, die mit Rechtsverletzungen im Internet zu tun hat, musste sicher bereits Screenshots machen. Die Herausforderungen, die damit einhergehen, reichen von fehlenden Daten, schwere Nachvollziehbarkeit von Posting- und Erstelldaten, zu dem Versuch, viele Screenshots in ein Dokument zu bekommen, und dies ERV-ready bzw beA-ready zu speichern. Bereits in meiner Ausbildung zur Rechtsanwältin musste ich mit diesen Problemen kämpfen, und als Nerdin war Screenshots erstellen auch oft meine Aufgabe.

Dieses Problem kam im Juni 2020 wieder zu Tage, als ich am Legal Tech Hackathon des Instituts für Digitalisierung und Innovation im Recht der Universität Wien teilgenommen habe. Die Mentorinnen des Hackathons, insbesondere Daniella Domokos (HateAid) und Thomas Schreiber (FlexLex) inspirierten die Idee, ob die Erstellung des Screenshots nicht einfacher, oder gar automatisiert, funktionieren würde.

Mit DI Thomas Schreiber, LLM und DI Philipp Omenitsch als Softwareentwickler und Rechtsanwalt Mag. Michael Lanzinger an Board, wurde aus der Idee im Februar 2021 ein erstes Produkt – das NetzBeweis Web Formular (www.netbeweis.com/web). Mit der Web-Version können öffentliche Webseiten gesichert werden, und es funktioniert beispielsweise bei öffentlichen Tweets sehr gut. Diese Version ist seit Beginn für betroffene Privatpersonen kostenlos und für Unternehmer, wie z.B. Rechtsanwälte, kostenpflichtig.

Da im Jänner 2021 ein großangelegtes Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz in Kraft trat, welches viele Regelungen in dem Bereich aktualisierte und auch verschärfte, war das Thema Hass im Netz und auch die dazugehörige Beweissicherung besonders aktuell.

In die Höhle der Löwen

Es folgten Medienartikel und die Idee, sich bei Die Höhle der Löwen zu bewerben. Die Bewerbung beschleunigte die Entwicklung von NetzBeweis, da aus einem ersten Produkt bzw MVP sehr schnell ein Unternehmen wurde. Die Investments von Carsten Maschmeyer und Nils Glagau, und das Geschenk von Nico Rosberg gaben dann auch den finanziellen Boost. Dadurch war es uns möglich, das Browser Plugin zu entwickeln, mit dem auch Webseiten hinter Logins, persönliche Nachrichten, und vieles mehr gesichert werden kann. Diese Version ist kostenpflichtig erhältlich.

Die Ausstrahlung „unserer“ Folge DHDL im Mai 2022 gab uns auch noch einen großen Marketing-Boost. Unser Weg nach Deutschland und in die Schweiz wurde auch durch unsere Vertriebspartner begleitet – von JAASPER und jurXpert in Österreich, Weblaw in der Schweiz zu Soldan in Deutschland hatten wir schnell starke Partner an unserer Seite – und es während laufend mehr!

Darüber hinaus durften wir Partneranwälte begrüßen, die bei Anfragen von Betroffenen zur Verfügung stehen, aber auch viele glückliche Kunden.

Die Use-Cases von NetzBeweis gehen von Urheberrechtsverletzungen im Internet, zu wettbewerbsrechtlichen Themen, natürlich auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen, aber auch zur Beweissicherung eines Status Quo – z.B. wie haben AGB zu einem gewissen Zeitpunkt ausgesehen.

Die rechtlichen Herausforderungen

Die erste Frage, die wir uns für Österreich gestellt haben, aber auch, bevor wir den Schritt nach Deutschland und in die Schweiz gemacht haben, war, ob ein NetzBeweis Report auch vor Gerichten und Behörden verwendet werden kann. Da die Reports, ähnlich wie Screenshots, in Deutschland und Österreich Augenscheinsbeweise sind, die der freien richterlichen Beweiswürdigung unterliegen, und in der Schweiz sogar Urkunden sein können, gab es hier keine Probleme. Wir wollten jedoch die Beweise verbessern, und es Richtern erleichtern, die relevanten Informationen zu finden und diese zu beurteilen.

Darüber hinaus gibt es durch das ERV in Österreich und das beA in Deutschland die Pflicht, Dokumente elektronisch an Gerichte, und teilweise auch an Behörden, zu übermitteln. Das bedeutete für uns, um einen brauchbaren Beweis zu liefern, der nicht nochmals umformatiert oder konvertiert werden musste, mussten NetzBeweise bereits kompatibel sein.

Schlussendlich müssen nicht nur die hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen, sondern auch die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen zur Einhaltung der anwaltlichen Verschwiegenheit in der technischen Umsetzung bedacht werden.

Die technische Lösung

Von NetzBeweis gibt es zwei Versionen – ein Web-Formular und eine Browser-Extension. Das Web-Formular war die erste Version, und sichert, nach Eingabe von URL und E-Mail-Adresse, öffentliche Webseiten serverseitig und mailt diese an die Nutzer. Da mit diesen Webseiten nicht interagiert werden kann, wie z.B. Teile aufklappen, oder Passwörter eingeben, war schnell klar, dass eine vollständig serverseitige Lösung nicht alle gewünschten Funktionen bieten kann. Aus diesem Grund wurde die Browser Extension entwickelt, die direkt bei Nutzern die Screenshots erstellt, und dann an unsere Server schickt.

Die Funktionen, die beide Versionen enthalten, sind, dass die Screenshots der jeweiligen Seite in einem übersichtlichen signierten PDF mit URL und qualifiziertem Zeitstempel (gemäß eIDAS-VO) zusammengefügt werden, und diese PDF mit ERV und beA kompatibel sind. Je nach Sprache der Webseite werden die Reports auf Deutsch oder Englisch erstellt.

Die Browser Extension erlaubt es den Nutzern, die jeweils angezeigte Webseite zu sichern. Das bedeutet, auch Seiten hinter Logins, persönliche Nachrichten, Web-Versionen von Messenger Apps uvm kann gesichert werden. Die Seite wird automatisch gescrollt (wobei dies bei einigen Plattformen gesondert eingebaut werden musste), und danach der PDF-Report erstellt. In der Extension kann auch eine Bezeichnung für die Datei und eine Notiz hinzugefügt werden, und die Sprache des Reports zwischen Deutsch, Englisch und Französisch gewählt werden. Auf Wunsch der Kunden können auch Logos und eigene Texte im Report eingefügt werden, die PDF per Schnittstelle statt E-Mail übermittelt, oder gesamte öffentliche Webseiten mit Unterseiten gesichert werden.

Da die Browser Extension am Rechner des Nutzers läuft, haben wir hier einige Sicherheitsmaßnahmen eingebaut, und es werden laufend mehr.

Ausblick

Die Wunschliste an neuen Features scheint nie enden wollend, aber ein paar Punkte stehen ganz oben auf der Roadmap. Das nächste Feature wird eine OCR-Funktion der Reports sein, damit diese durchsuch- und kopierbar werden. Danach stehen die Sicherung von Online-PDF an und der Schritt in neue Länder und neue Märkte.

Für viele Webseiten mussten spezielle Lösungen für die Scroll-Funktion eingebaut werden, da die gewünschten Informationen z.B. in einem kleinen Frame sind, und auch hier werden es – je nach Bedarf der Kunden – immer mehr. Da sich diese Plattformen immer wieder ändern, gibt es auch diesbezüglich immer wieder Update-Bedarf.

Es wird uns also nicht langweilig!

Autorin: Mag. Katharina Bisset, MSc ist selbstständige Rechtsanwältin, CEO und Co-Founderin der NetzBeweis GmbH und der Nerds of Law. Davor war sie mehrere Jahre in großen IT-Unternehmen tätig. Ihre Spezialgebiete sind IT-, IP-, Medien- und Datenschutzrecht. Zusätzlich zur juristischen Ausbildung hat sie einen Master of Science in Engineering in Business Process Management and Engineering. Sie ist darüber hinaus Disziplinarrätin in der RAK NÖ und Lektorin auf der FH Wiener Neustadt und der FH des BFI Wien.

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