Fachartikel

Legal Tech Verband Deutschland stellt sich vor

Die deutsche Legal Tech-Branche hat im Mai 2020 den Bundesverband Legal Tech Deutschland e.V. gegründet. Wir baten den Verband um eine Vorstellung seiner Ziele und Positionen.

Moderner Rechtsrahmen statt Fehde

Langsam aber sicher hat die Digitalisierung auch den Rechtsmarkt erreicht. Die Entwicklung eines modernen Rechtsrahmens kann hier allerdings nicht Schritt halten. Bei der Diskussion über die Zukunft des Rechtsmarkts hat sich indes eine Kluft gebildet. Es stehen sich nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister und einige Akteure der etablierten Anwaltschaft gegenüber. Zielführender wäre es jedoch, die neuen Gestaltungsmöglichkeiten gemeinsam zu ergreifen. Wo die einen Rechtssicherheit brauchen, benötigen die anderen mehr Gestaltungsspielraum – mehr Klarheit aber brauchen alle!

Warum ein Legal Tech Verband?

Um einen modernen Rechtsrahmen zu schaffen, benötigt es Vertreterinnen und Vertreter, die sich dafür stark machen. Befürworter eines modernen Rechtsmarkts, progressive Juristinnen und Juristen, haben jedoch keine eigene Lobby in der deutschen Politik. Zwar gibt es einige Interessenvertreter auf dem deutschen Rechtsmarkt. Diese haben jedoch entweder bestimmte Berufsgruppen im Blick oder sehen sich nicht als politische Akteure, sondern als Expertennetzwerke. Das Ziel, den regulatorischen Rahmen für einen modernen Rechtsmarkt in Deutschland branchenübergreifend zu schaffen, ist nun auch Aufgabe des Legal Tech Verbands.

Der Legal Tech Verband Deutschland e.V. wurde im Frühjahr 2020 von Vertretern aus der Legal Tech Startup Szene und der Anwaltschaft gegründet. Der Verband sieht sich als Sprachrohr für Digitalisierung und Innovation im deutschen Rechtsmarkt – unabhängig von der Rechtsform der Akteure. Willkommen sind nicht nur Legal-Tech-Start-ups und Kanzleien, sondern auch weitere Akteure im Rechtsmarkt, die sich für dessen moderne Gestaltung einsetzen und von dieser profitieren. So z.B. Rechtsschutzversicherungen, die durch die Finanzierung rechtlicher Verfahren den Zugang zum Recht verbessern. Sowie Software-Unternehmen, durch die an vielen Stellen der technische Grundstein für Veränderungen gelegt werden könnte. Oder Content-Häuser, für die die Digitalisierung Herausforderung und Chance zugleich ist, deren weitere geschäftliche Entwicklung jedoch ebenfalls durch große Rechtsunsicherheit geprägt ist (vgl. Smartlaw-Urteil).

Drei Bereiche werden entscheidend für einen modernen Rechtsmarkt

Es kristallisieren sich insbesondere drei große Bereiche heraus, in denen die Fragen nach einem klaren Rechtsrahmen und Modernisierung der Prozesse immer lauter werden.

Unklar – und das bis heute – ist, was nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister (z.B. Flightright, wenigermiete (LexFox) und myRight), eigentlich dürfen. Um erfolgsbasiert für Kunden tätig zu werden und Investitionen für Technologien einholen zu dürfen, agieren die meisten Legal-Tech-Start-ups unter einer Inkassolizenz und nicht als Anwaltskanzleien. Welche Tätigkeiten von einer Inkassolizenz (noch) gedeckt sind (Geltendmachung von Forderungen, Abwehr von fremden Forderungen), ist nun Streitpunkt vor diversen Gerichten bis hin zum BGH. Die Existenz dieser Geschäftsmodelle ist daher von einer großen Rechtsunsicherheit geprägt.

Auch der klassische Rechtsdienstleistungsmarkt entwickelt sich weiter, steht aber ebenso vor Hindernissen. Kanzleien, die auf die gesteigerten Kundenerwartungen reagieren und innovative Beratungsmodelle für ihre Mandanten anbieten wollen, werden durch ihr Berufsrecht stark eingeschränkt. Erfolgsbasierte Vergütung, wie Legal-Tech-Start-ups sie regelmäßig anbieten, ist ihnen verboten. Auch Investitionen in häufig kostspielige Technologien werden dadurch erschwert, dass es Kanzleien durch das Fremdfinanzierungsverbot nicht gestattet ist, Investoren mit an Bord zu nehmen.

Bedenklich langsam entwickelt sich außerdem die Digitalisierung in Behörden und der Justiz. Die Corona-Krise macht deutlich, wie schlecht deutsche Gerichte auf jede Form der digitalen Arbeitsweise eingestellt sind. Selbst die Werkzeuge, die ihnen die ZPO bereits an die Hand gibt, wie die Durchführung von Video-Verhandlungen, werden kaum genutzt, weil es an der notwendigen Ausstattung fehlt. Die Justiz gerät immer mehr zum „Bottleneck“ für moderne Rechtsdienstleistungen.

Positionen und Forderungen des Verbands: Rechtssicherheit, Gestaltungsspielraum, Digitalisierung

Dass der Verband im Frühjahr 2020 aktiv wurde, ist kein Zufall. Zeitgleich wurde im Bundestag über einen Gesetzesvorschlag der FDP zur Modernisierung des Rechtsdienstleistungsgesetzes beraten. Der Legal Tech Verband begrüßte den Vorschlag für einen eigenen Erlaubnistatbestand für nicht-anwaltliche Rechtsberatung in einer Stellungnahme. Rechtssicherheit für diese Form der Rechtsberatung ist eine Kernforderung des Verbands, um den Bedürfnissen zu einem erleichterten Zugang zum Recht
gerecht zu werden. Allerdings greift der Bezug auf automatisierte Rechtdienstleistungen zu kurz, es braucht eine saubere Lösung für die außergerichtliche Rechtsberatung insgesamt.

Gleichzeitig erkennt der Verband, dass Anwältinnen und Anwälte dadurch benachteiligt werden, dass ihnen attraktive Leistungsangebote, wie eine erfolgsbasierte Vergütung, berufsrechtlich untersagt sind. Der Verband hat daher mit einer Stellungnahme politische Initiativen unterstützt, die das Verbot von Erfolgshonoraren abschaffen wollen. Auch dies stellt eine Kernforderung des Legal Tech Verbands Deutschland e.V. dar.

Der Verband wird sich sowohl für die Liberalisierung von anwaltlichen Vergütung- und Finanzierungsmodellen (wie z.B. dem Wegfall des Fremdfinanzierungsverbots und des Provisionsverbots) sowie für Rechtssicherheit in der außergerichtlichen nicht-anwaltlichen Rechtsberatung einsetzen.

Auch der bessere Zugang zum Recht ist eine der Forderungen des Verbands. Als die kroatische EU-Ratspräsidentschaft eine mögliche Revision der Fluggastrechte-Verordnung in Brüssel auf den Plan rief, stellte sich der Verband gegen diese Bestrebungen, die vorsahen, die verbraucherfreundlichen Regelungen zu Entschädigungszahlungen, die durch Portale wie „Flightright“ für Fluggäste geltend gemacht werden, faktisch abzuschaffen.

Zudem forcierte der Verband anlässlich des Gesetzesentwurfs zur Durchführung von Online-Courts im Arbeits- und Sozialrecht eine breite öffentliche Debatte zur Digitalisierung der Gerichtsbetriebe – ein notwendiger Schritt, um den Zugang zum Recht zu verbessern.

Der deutsche Rechtsmarkt braucht mehr Mut. Und er braucht eine Lobby, um den innovativen Bestrebungen, die es bereits gibt, einen rechtlichen Rahmen zu geben. Der Legal Tech Verband Deutschland e.V. will das Sprachrohr für eine politische Interessenvertretung in Berlin und Brüssel werden. Gleichzeitig ist die Vision des zukünftigen Rechtsmarkts in Deutschland nicht zu Ende gedacht. Sie erfordert Austausch, Gestaltung und eine gemeinsame Mission. Wir brauchen den Zusammenschluss, nicht nur einzelner Berufsgruppen und Unternehmungen, sondern aller relevanten Akteure für einen modernen Rechtsmarkt.

Autorin: Alisha Andert arbeitet als Head of Legal Innovation bei der Berliner Arbeitsrechtskanzlei Chevalier. Zuvor hat sie bereits die Innovationsberatung und Think Tank „This is Legal Design“ mitgegründet. Seit Mai 2020 ist sie nun ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des neu gegründeten Legal Tech Verbands Deutschland.

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