Fachartikel

Legal Tech – quo vadis?

Legal Tech ist ein Buzz Word rund um anwaltliche und juristische Tätigkeiten. Denken die einen darüber nach, künftig alles an Algorithmen zu delegieren, ist eine nicht geringe Zahl von Anwälten eher befremdet, sehen sie doch ihre anwaltliche Kunst gefährdet. Nach einem Hype in den vergangenen Jahren ist es ruhiger geworden, und das hat sicher einen Grund.

Es geht schon damit los, dass die Begriffsdefinition nicht einheitlich ist. Fasst man den Begriff weit, kann man durchaus sagen, dass Legal Tech bereits in der Wirklichkeit angekommen ist. Schließlich hilft eine Vielzahl von etablierten, professionellen Anwendungen den Rechtsanwaltskanzleien dabei, ihre Dokumente effizienter zu verwalten, Akten digital zu führen und das Kanzleimanagement zu optimieren.

Häufig versteht man unter Legal Tech jedoch eine fortschreitende Automatisierung von Rechtsdienstleistungen. Beispiele sind bekannte Plattformen, die sich z.B. um Verkehrsübertretungen oder Fluggastrechte kümmern. Was macht sie erfolgreich? Sie greifen ein winziges Stück aus dem großen Kuchen der Rechtsdienstleistungen heraus und bearbeiten nur ganz spezifische Rechtsprobleme, die in Massen wiederkehren und sich standardisiert sowie automatisiert abarbeiten lassen. In ihren Marktsegmenten sind diese Legal Techs sehr erfolgreich, denn sie kennen jeden einzelnen notwendigen Schritt sehr genau und haben dazu eine Prozesskette angelegt, die es quasi auf Knopfdruck erlaubt, den Sachverhalt mit einem entsprechenden juristischen Konzept zu verknüpfen, das sich bewährt hat. Dies ist der unglaubliche Vorteil für eine effiziente Fallbearbeitung mit minimalem manuellem Aufwand und dadurch entsprechend guter Ergebnismarge. Gleichzeitig ist das jedoch auch die Limitierung. Sie funktionieren perfekt – in ihrem kleinen Marktsegment…

Die meisten klassischen Rechtsanwälte werden jedoch täglich mit ganz unterschiedlichen Rechtsfragen befasst. Diese wiederum erfordern nicht selten eine sehr individuelle Bearbeitung und Recherche, um die Probleme der Mandanten zu lösen. Also keine Automatisierung? Nun, so einfach darf man es sich nicht machen. Denn gerade die Rechtsanwälte mit Laufkundschaft bestreiten einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens mit eben dieser Flexibilität, unterschiedlichste Rechtsfragen lösen zu können. Aber auch sie können von Legal Tech Anwendungen profitieren, um effizienter zu werden.

Moderne Rechtsdienstleister sind im Gegensatz zu vielen Kanzleien viel stärker kaufmännisch ausgerichtet und stellen daher an Software den Anspruch, juristische und organisatorische Produktionsabläufe so abzubilden, dass sie automatisiert ohne großen Personalaufwand ablaufen können. Man orientiert sich hier am Fließband der Industrie. Um die Vorteile der Automatisierung heben zu können, ist jedoch der Umbau von Anwaltsbetrieben in moderne Dienstleistungsbetriebe notwendig.

Kanzlei 4.0 – Perpetual Prototyping


Der Zusatz „4.0“ wird allein auf die automatisierte, vernetzte Industrieproduktion angewandt. Innovative Produkte sollen nun ein vergleichbares Ergebnis auch für die Wissensarbeit von Juristen vollbringen. Es geht darum, ein vom Mandanten geschildertes Problem, automatisch von einem Wissensroboter in ein juristisches Konzept – Sachverhalt, juristische Grundlage, Lösungsweg, Workflow – verwandeln zu lassen, das in der Erzeugung von Schriftstücken mündet.

Der Fortschritt einer Kanzlei 4.0 geht aktuell vornehmlich im sogenannten Prototyping-Verfahren voran. Gewisse Produkte und Methoden werden innerhalb einer Kanzlei, oder einer Rechtsabteilung theoretisch auf deren Sinnhaftigkeit hinterfragt, anschließend in kleinen Schritten getestet, und nur nach erfolgreichem Test eingeführt. Man könnte also auch sagen: „Es wird viel probiert…“

Bettet man diese Tätigkeiten jedoch in den Prozess des Design Thinking ein, so steht man am Ende der Kette vor vielen Iterationen des Prototyp- Entwickelns und -Testens. Man beschleunigt so den Design-Thinking Prozess dadurch, dass man das Produkt durch eine Vielzahl von Detailentwicklungen und Tests zur finalen Reife führt, oder bei fehlendem Erfolg den Ansatz nicht mehr weiter verfolgt.

Ist ein Test nicht erfolgreich, so werden die Produkte je nach Ausgang des Tests ganz verworfen, oder geändert zum Einsatz kommen.

Schlussendlich stellt sich dann die Frage, wie diese vielen Versuche mit vielen Produkten im Legal Tech Bereich zu einer ganzheitlichen Konzeption werden können. Auf eben letztere kommt es an, wenn man einen spürbaren Erfolg durch den Einsatz juristischer Algorithmen erzielen möchte.

Fazit


Legal Tech ist wichtig für jeden Rechtsanwalt, für die Rechtsabteilung eines Unternehmens, sowie für alle juristisch tätigen Unternehmen und Berufsgruppen. Denn im steigenden Wettbewerbsdruck werden diese mehr und mehr gefordert sein, in vielen Bereichen vorgefertigte Leistungsprozesse einzusetzen, um effizienter zu arbeiten und damit mehr Fälle in der gleichen Zeit bei hoher und sogar steigender Qualität abzuwickeln. Mittels eines intelligenten, in IT-Systemen hinterlegten Fallmanagements wird es möglich, eine Vielzahl von Fällen automatisiert abzubilden. Voraussetzung ist jedoch, dass die geänderten Arbeitsmethoden in den Kanzleien und Unternehmen eingeführt und umgesetzt werden. Nur so lässt sich das verborgene Potenzial heben und damit tatsächlich ein Vorteil erwirtschaften.

Kurz gesagt: Legal Tech ist ein Weg. Letztlich werden testweise noch einige am Ende nicht erfolgreiche technische Wege beschritten werden. Aber dessen ungeachtet, ist Legal Tech bereits Realität, was nicht gleichbedeutend damit ist, Juristen durch Algorithmen zu ersetzen. Denn eine automatisierte, komplexe juristische Entscheidung, die auch menschliches berücksichtigt, wird es kaum geben. Aber sehr intelligente Hilfsmittel, die dazu beitragen, dass nicht in jedem Fall das (juristische) Rad wieder neu erfunden werden muss.

von Marco Buhleier, Geschäftsführer ReNoStar GmbH – Lösungen für Kanzleimanagementsoftware und Legal Tech Lösungen

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