Fachartikel

Legal Tech Diskussion im Bundesjustizministerium

Wenn sich die Teilnehmenden einer Diskussion recht schnell über die wesentlichen Punkte einig sind, kann das einerseits für eine eher gütlich und homogen zusammengestellte Diskussionsgruppe sprechen. Andererseits können die zentralen Probleme des Diskussionsgegenstands auch so offensichtlich auf dem Tisch liegen, dass es kaum einer inhaltlichen Auseinandersetzung bedarf. Es spricht viel dafür, dass letzteres der Fall war, als sich rund 20 geladene Vertreterinnen und Vertreter der Legal Tech-Welt – wenn wir für die Zwecke dieses Beitrags diese eher schemenhafte Bezeichnung einmal verwenden wollten – Ende Januar im Berliner Bundesjustizministerium einfanden, um mit Minister Buschmann über die Herausforderungen der Digitalisierung in der Rechtswelt zu diskutieren.

So waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnell einig, dass die Justiz auf einem Datenschatz sitzt, den sie bisher in keiner Weise gehoben hat. Die unzähligen Gerichtsentscheidungen, die das tägliche Leben der Rechtssuchenden – manch einer würde jetzt fragen, ob es diese Suchenden denn überhaupt gibt, aber das sei hier unterstellt – beeinflusst haben und beeinflussen, aber der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Auch trotz entsprechender Ankündigungen im Koalitionsvertrag ist derzeit nicht abzusehen, wann alle Urteile deutscher Gerichte endlich öffentlich zugänglich sein werden. Mit Enthusiasmus wurde berichtet, dass die meisten deutschen Nachbarländer schon viel weiter sind; auch das immer wieder gebetsmühlenartig vorgebrachte Argument der schwierigen Anonymisierbarkeit konnte durch den Teilnehmerkreis mit konkreten Beispielen aus der Softwarewelt, die KI verwenden, schnell entkräftet werden. Mit motivierendem Elan war sich auch der Minister dieses großen Projekts bewusst; es bleibt zu hoffen, dass die Landesjustizverwaltungen hier mitziehen. Es wäre allen geholfen.

Selbstverständlich durfte das heutzutage omnipräsente, eben schon erwähnte Thema KI nicht fehlen. In der Diskussionsrunde waren sich auch hier alle recht schnell einig, dass die Justiz KI braucht, die KI aber nicht unbedingt die Justiz. Daher wurde, und hier kam es dann doch zu Diskussionen, insbesondere erörtert, ob die Verwendung eines bestehenden großen Sprachmodells (z.B. ChatGPT) einer selbst programmierten „Justiz-KI“ nicht vorzugswürdig wäre. Der Datenschutz schwebte als „big brother“ natürlich über dieser Frage. Die jüngst verabschiedete KI-Verordnung der EU könnte die „big sister“ werden. Dessen ungeachtet waren sich dann doch wieder alle einig, dass es konkreter Testprojekte bedarf, um hier wirklich stichhaltige Antworten zu liefern. Genau das soll jetzt geschehen.

Besonders hervorheben möchte ich die beeindruckende Frische des Treffens. Wenn es mehr solcher offenen und konstruktiven Gespräche auf höchster politischer Ebene gäbe, wäre für die Lösung der häufig (zurecht) betonten Kommunikationsprobleme der politisch Handelnden schon viel gewonnen. In diesem Zusammenhang geht die Justiz mit ihrem Bundesminister also tatkräftig voran – möge sie dies nun auch bei den zentralen Themen Urteilsveröffentlichung und KI tun. Die Möglichkeiten sind da.

Autor: Dr. Benedikt Quarch ist Unternehmer und Jurist. 2017 gründete er mit zwei Freunden das LegalTech-Unternehmen RightNow, welches in den letzten Jahren mehrfach von der Financial Times als eines der erfolgreichsten Unternehmen Europas ausgezeichnet wurde. Daneben ist Quarch, der 2020 als einer von „Forbes 30 under 30“ und 2023 als einer von „Juve 40 unter 40“ geehrt wurde, wissenschaftlich aktiv und gibt u.a. die LegalTech-Zeitschrift bei Nomos heraus.

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