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Legal Geek 2023: Innovation, Interaktion, Fun und die unaufhaltsame Welle der GenAI

In den pulsierenden Straßen Londons, im spannenden Stadtteil Shoreditch, fand ein Ereignis statt, das die Brücke zwischen Tradition und moderner Innovation schlägt: die Legal Geek Conference 2023. Verborgen in den urigen Mauern der Old Trueman Brewery, einem Ort, der einst eine blühende Brauerei beherbergte und jetzt ein Zentrum für Kreativität und Unternehmertum ist, versammelten sich Geister, die gleichermaßen leidenschaftlich für Recht und Technologie sind. Mit Teilnehmern, die aus über 40 Ländern anreisten, war die Konferenz nicht nur ein Treffpunkt für Fachleute aus der ganzen Welt, sondern auch ein Schmelztiegel kultureller Vielfalt, der die globale Reichweite und den Einfluss der Veranstaltung unterstreicht.

Seit ihrer Gründung hat sich die Legal Geek Conference zu einem unverzichtbaren Ereignis im Kalender jedes Rechtsexperten entwickelt, der darauf bedacht ist, auch technisch am Puls der Zeit zu bleiben. Die Konferenz bietet eine seltene Gelegenheit, sich nicht nur über die neuesten Entwicklungen zu informieren, sondern auch aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Rechtsbranche teilzunehmen und sich dazu mit Gleichgesinnten auszutauschen. In diesem Jahr strömten rund 3000 Teilnehmer in die Konferenzräume, ein Beweis für die wachsende Bedeutung und Wichtigkeit der Veranstaltung. Diese beeindruckende Teilnehmerzahl steht im Einklang mit dem steigenden Interesse an Legal Tech, das die Branche in den letzten Jahren erlebt hat.

Anwälte, Unternehmer, Technologen und Studenten standen geduldig in langen Schlangen, alle vereint durch ihre gemeinsame Vision, die Rechtspraxis durch Technologie zu revolutionieren. Was sie in den Hallen der Old Trueman Brewery erwartete, war ein sorgfältig kuratiertes Programm, das darauf abzielte, viele Aspekte der Legal-Tech-Welt zu beleuchten.

Die Legal Geek 2023 war nicht nur eine Konferenz, sondern ein lebendiges Ökosystem, das darauf abzielte, Wissen zu teilen, Innovationen zu fördern und vor allem eine Gemeinschaft aufzubauen, die bereit ist, die Herausforderungen einer sich schnell verändernden Rechtslandschaft anzunehmen.

LegalGeek 2023

Die Vorträge: Wo Mensch und Maschine sich treffen

Die Vorträge waren zahlreich und vielfältig, wobei das zentrale Thema GenAI (Generative Artificial Intelligence) wie zu erwarten eine dominante Präsenz hatte. Die Dringlichkeit dieses Themas wurde durch eine Studie von Law.com unterstrichen, die zeigte, dass viele Kanzleien erwarten, dass GenAI-Technologie ihre Abhängigkeit von abrechenbaren Stunden reduzieren wird, wobei 14 von 26 Kanzleien zustimmten. Trotz der technologischen Fortschritte gab es jedoch eine spürbare Lücke im Verständnis und in der Anwendung von GenAI, wobei viele Teilnehmer diskutierten, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlten, diese Strategien ihren Mandanten klar zu kommunizieren, obwohl sie selbst noch im Dunkeln tappen.

Die Präsentationen selbst waren mit rund 10 Minuten Dauer bewusst knackig und kurz gehalten, um eine breite Palette von Themen abzudecken und die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu halten. Diese Kürze bot Raum für eine Fülle von Ideen und stellte sicher, dass die Konferenz dynamisch und schnelllebig blieb. Allerdings brachte dieses Format auch Herausforderungen mit sich. Während die kurzen Vorträge viele kurze Impulse boten und ein breites Themenspektrum abdeckten, fehlte es ihnen manchmal an der Tiefe, die für ein vollständiges Verständnis notwendig ist. Dies war besonders bei komplexen Themen wie generativer KI spürbar, wo viele Teilnehmer das Gefühl hatten, dass trotz der Fülle an Informationen eine gründlichere Analyse und Diskussion vorteilhaft gewesen wäre.

Neben GenAI wurden auch einige andere strategische Themen behandelt. Vorträge und Diskussionen reichten von der Implementierung neuer Technologien in traditionellen Kanzleien über ethische Überlegungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz bis hin zu Methoden zur Verbesserung der Kundenbeziehungen in einer zunehmend digitalen Welt. Es war klar, dass, obwohl GenAI ein zentrales Thema war, die Konferenz auch darauf bedacht war, die Teilnehmer dazu anzuregen, über den technologischen Tellerrand hinauszuschauen und die strategischen, ethischen und menschlichen Aspekte der Legal Tech-Revolution zu berücksichtigen. Diese umfassendere Herangehensweise war ein Versuch, die Teilnehmer nicht nur mit Technologie, sondern auch mit den notwendigen strategischen Werkzeugen auszustatten, um echte und dauerhafte Veränderungen in ihren Praktiken und Organisationen zu bewirken.

Spannend waren darüber hinaus einige Workshops. Dort wurden in 45 Minuten Slots die Themen vorgestellt und tiefer diskutiert. Beispielhaft sei hier ein Workshop erwähnt, in dem sich ein Team aus Universitäts-Mitarbeitern und KI-Programmieren die Aufgabe gestellt hatten, Rechtsrat oder Behörden-Kontakt für eine Person zur Verfügung zu stellen, die kein Englisch spricht, keinen eigenen Computer oder Strom zu Hause hat und dennoch Unterstützung bei der Krankheit eines Kindes benötigt. Durch Kombination verschiedener Tools (ChatGPT, AutoGPT, Übersetzungs-Tools, Sprach-Erkennung, etc.) wurde eine mögliche Lösung aufgezeigt. Das Beispiel hat demonstriert, dass die Zukunft der Lösungen wohl nicht aus nur einem Tool besteht, sondern aus der sinnvollen Verknüpfung von KI und GenAI Tools.

LegalGeek Aussteller 2023 London

Aussteller: Technologie im Rampenlicht

Die Messe war voller Energie und Innovation mit rund 50 Ausstellern, die eine Reihe von Produkten und Dienstleistungen präsentierten. Allerdings war auffällig, dass der Fokus stark auf der Technologie lag, mit einer Tendenz, die menschliche Komponente zu übersehen. Es gab eine beeindruckende Demonstration technologischer Fähigkeiten, aber die kritische Diskussion darüber, wie diese Tools effektiv in den täglichen Arbeitsablauf integriert werden können, fehlte – jedenfalls seitens vieler Anbieter. Dennoch hat sich klar gezeigt, dass die angebotenen Tools mittlerweile durch die Bank schon sehr weit entwickelt und fortgeschritten sind und in der Praxis sehr gut eingesetzt werden können.

Es wurde deutlich, dass es eine wachsende Kluft zwischen der technologischen Entwicklung und der praktischen Anwendung gibt. Die Aussteller präsentierten zwar fortschrittliche Lösungen, aber die Strategie für die Implementierung in die Praxis – eine ganzheitliche Einbindung in die täglichen Abläufe der Kanzleien und die Lebenswirklichkeit der Mandanten – wurde nach Meinung vieler nicht ausreichend thematisiert.

Netzwerken: Verbindungen, die zählen

Die Möglichkeiten zum Netzwerken waren eine der wichtigsten Komponenten der Konferenz. Die Teilnehmer waren offen und bereit, Einblicke in ihre Arbeit zu gewähren, was zu tiefgreifenden Diskussionen und dem Austausch von Best Practices führte. Jedoch gab es auch eine erkennbare Vorsicht unter den Teilnehmern, die sich aus der Unsicherheit ergibt, wie die Integration von Legal Tech in die Praxis effektiv gestaltet werden kann, ohne die Qualität der rechtlichen Arbeit zu beeinträchtigen.

Gerade in diesem Klima der Vorsicht und Unsicherheit zeigte sich eine besondere Stärke der Konferenz: die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten zu netzwerken. Viele Akteure im Bereich Legal Tech haben erkannt, dass ein Ansatz des „Trial and Error“ oft notwendig ist, um zu wirkungsvollen Lösungen zu gelangen, ein Prozess, der für Anwälte und Kanzleien eher ungewöhnlich und möglicherweise auch unkomfortabel ist. Auf der Konferenz hatten Teilnehmer die besondere Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen, die möglicherweise schon einen Schritt weiter sind. Dieser Austausch bot eine Plattform, um Erfahrungen zu teilen, von denen man lernen kann, wodurch die Möglichkeit eigener Fehler reduziert werden kann. Dieses Netzwerk von Fachleuten, die bereit sind, sowohl ihre Erfolge als auch ihre Misserfolge zu teilen, hat eine Umgebung geschaffen, in der Zusammenarbeit und kollektives Lernen die Angst vor Neuem und Unbekanntem verringern können. In einem Feld, das sich so schnell entwickelt wie Legal Tech und Legal Innovation, wurde deutlich, dass das Teilen von Wissen und Erfahrungen nicht nur erwünscht, sondern für den Erfolg in der Branche unerlässlich ist.

LegalGeek Besucher 2023 London

Fazit: Menschen im Mittelpunkt der Technologie

Trotz der beeindruckenden Schau von Technologie und Künstlicher Intelligenz war eine der wichtigsten Erkenntnisse der Legal Geek 2023, dass Technologie allein nicht ausreicht. Die Rechtsbranche muss Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen: die Anwälte, die mit diesen Tools arbeiten, und die Mandanten, die sie bedienen. Der „Human in the Loop“ ist bei allen Strategien ein wichtiger Bestandteil und es geht nicht darum Menschen durch Technik abzulösen, sondern sie durch die Technik Leistungsfähiger zu machen.

Es besteht ein klarer Bedarf an mehr Schulungen und Ressourcen, um Anwälte nicht nur mit den Werkzeugen vertraut zu machen, sondern ihnen auch das Vertrauen zu geben und das Mindest zu schaffen, dass sie die Qualität ihrer Arbeit und die Beziehung zu ihren Mandanten verbessern können. Es muss mehr getan werden, um Legal Tech nicht nur als operatives Werkzeug, sondern als strategisches Instrument zu verstehen, das die Art und Weise, wie Rechtsdienstleistungen erbracht werden, revolutioniert. Auf der Konferenz konnte man dieses Mindset eindrucksvoll bei sehr vielen Teilnehmern wahrnehmen.

Während die Legal Geek Konferenz 2023 viele lohnende Einblicke bot, war sie auch eine deutliche Erinnerung daran, dass der Weg zur wahren Innovation nicht nur durch die Entwicklung neuer Technologien, sondern auch durch die Schulung der Menschen, die sie nutzen, und die Anpassung der Prozesse, die sie unterstützen, führt.

Stefan Schicker auf der LegalGeek 2023

Autor: Stefan Schicker ist Rechtsanwalt bei SKW Schwarz und Innovationsberater. Neben rechtlichen Themen berät er bei der zeitgemäßen Gestaltung von Rechtsdienstleistungen und schult Mitarbeiter:innen in den Bereichen Legal Tech, Innovation und Mindset. – schicker.de

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