Fachartikel

Kreativität & Empathie: Zeit für ein neues Paradigma zur Unterscheidung zwischen Menschen und Maschine

Früher lass ich oft, dass wir Menschen uns von KI dadurch unterscheiden, dass wir kreativ und empathisch sind. Dieses Paradigma ist überholt, jedenfalls ist es dabei sich aufzulösen. Es muss dringend differenzierter betrachtet werden. Öffnen wir uns dafür, dass KI mittlerweile über erstaunliche Fähigkeiten verfügt, lernen wir, was Menschen können, dass die KI nicht kann. Dabei können wir zu dem Schluss kommen: „Typisch Mensch“ ist unser Innerstes, das was wir fühlen und intuitiv begreifen.

KI als creative Mind

KIs sind mittlerweile weit in den kreativen Bereich vorgedrungen.

Was ist Kreativität? Kreativität ist nach Wikipedia die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.

Im ästhetischen Bereich beruhen Kunstwerke auf einem kreativen Erschaffensprozess.

Knapp 400.000 EUR, für soviel Geld wurde 2018 das erste von einem Computer-Algorithmus erstellte Gemälde verkauft. In nur fünf Jahren ist viel passiert. Im Februar 2023 startete in Bad Oeynhausen schon eine der ersten Ausstellungen nur mit Bildern, die von einer Künstlichen Intelligenz geschaffen wurden.

Erschafft die KI ein Kunstwerk? Hinter einer KI stehen viele Personen, die einen solchen Schaffensprozess anstoßen:

  • Computerexperten, programmieren den Algorithmus;
  • Künstler und Künstlerinnen geben der KI Befehle, denn sie macht (noch) nichts von sich aus;
  • Künstler und Künstlerinnen mit deren Kunstwerken die KI trainiert wird;
  • die Crowd, die mit ihrem Input die Fähigkeiten der KI verfeinert.

KIs nutzen Algorithmen und mathematische Modelle zum Kreieren von Kunst, indem sie auf eine riesige Menge an Daten und Mustern zurückgreifen.

Wer hat den erschaffenden Beitrag geleistet? Es erscheint vertretbar, dass das am Ende die KI ist. Durch sie werden die diversen Inputs zusammengeführt. Erst aus der KI heraus entwickelt sich das (kreative) Ergebnis.

Auch neu und originell bekommt eine KI hin.

Originalität wird in Wikipedia definiert als der Aspekt geschaffener oder erfundener Werke, der sie von Reproduktionen, Klonen, Fälschungen oder im Wesentlichen abgeleiteten Werken unterscheidet.

KI kann mittlerweile Bilder erschaffen, die nicht ohne weiteres als künstlich erstellte Bilder erkennbar sind.

Das macht natürlich auch Fälschungen möglich. Hier ist KI paradoxerweise Problem und Lösung zugleich, denn nur eine KI erkennt (vielleicht noch) die Fälschungen durch einen anderen Algorithmus.

Empathie, der Kern des Menschseins

Oft lese ich in sozialen Netzwerken, dass Anwälte oder Anwältinnen sagen:

„KI ist ein Hilfsmittel für sich wiederholende Aufgaben. Aber wir Anwälte bringen Empathie mit, das ist nicht ersetzbar.“

Diesem Satz stimme ich in seiner Einfachheit nicht zu.

Ja, wir Menschen sind grundsätzlich der Empathie fähig. Aber es gibt auch Menschen, die sich damit schwertun, empathisch zu reagieren.

Wir kennen wahrscheinlich alle mindestens eine Person, auf die das zutrifft.
Bei der Diskussion um Empathie und KI ist es wichtig zu verstehen, dass Empathie in unseren Alltag auf verschiedenen Ebenen eine Rolle spielt:

Auf einer Ebene geht es um unser inneres Empfinden. Das bedeutet

  • wir fühlen mit der Freude von jemandem mit,
  • wir haben das Gefühl, dass etwas nicht stimmt,
  • wir bemerken, dass jemand traurig ist, auch wenn die Person nichts sagt.

Auf einer anderen Ebene geht es aber darum, ob wir eine Person oder Interaktion als empathisch empfinden. Hierbei ist wesentlich, was jemand durch Sprache ausdrückt. Wir empfinden es etwa als Empathie, wenn jemand schreibt

  • „Ich verstehe, dass das schwer für dich ist.“
  • „Es ist schön zu lesen, dass du gut gelaunt bist!“
  • „Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Wie kann ich dir helfen?“

Kleiner Selbsttest zur Empathie

Ich habe ChatGPT einige Fragen gestellt. Mit der Antwort auf eine meiner Fragen war ich nicht zufrieden. Daher schrieb ich in den Chat: „Heute bist du nicht in Form, Chatbot“

Hier seine Antwort darauf:

„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen nicht die Hilfe geben konnte, die Sie erwartet haben. Als Künstliche Intelligenz habe ich keine körperlichen Empfindungen und bin daher immer „in Form“. Meine Fähigkeit, Ihnen zu helfen, hängt jedoch davon ab, wie gut ich in der Lage bin, Ihre Fragen zu verstehen und auf sie zu antworten. Wenn ich Ihnen nicht die Hilfe geben konnte, die Sie erwartet haben, liegt das möglicherweise daran, dass ich Ihre Frage nicht vollständig verstanden habe oder dass ich nicht genügend Informationen habe, um eine sinnvolle Antwort zu geben. Wenn Sie möchten, können Sie Ihre Frage gerne noch einmal stellen oder mir mehr Informationen geben, damit ich Ihnen besser helfen kann.“

Empfindest du diese Zeilen als empathisch?

Ich weiß nicht wie es dir geht, ich fühle mich auf einer kommunikativen Ebene von ChatGPT verstanden.

KIs klingen oft empathisch, das ist nicht bei allen Menschen der Fall

Mir geht es häufig so, dass ich die von einer KI formulierten Sätze als empathisch empfinde.

Demgegenüber gibt es durchaus Menschen, die es nicht hinbekommen, Empathie auszudrücken, etwa weil sie diese Art der Kommunikation als Kind nicht vermittelt bekommen haben.

Anders als die KI tut der Mensch sich schwer damit, nachträglich empathische Kommunikation zu lernen.

Im Grunde ist sprachlich ausgedrückte Empathie einfach eine bestimmte Art der Rhetorik.

Wer als Mensch sein Mitgefühl nicht ausdrücken kann, gilt als Eisklotz, auch wenn er innerlich keiner ist. Andersherum mag ChatGPT im Grunde ein Metallklumpen sein, hat aber die Fähigkeit Worte zu bilden, die Empathie gut zum Ausdruck bringen.

KIs können also einen Teil der Empathie durchaus erlernen, nämlich den der mit Worten ausgedrückt werden kann.

Auch wenn es darum geht, Menschen zu lesen sind KIs erstaunlich gut dabei. An der Universität Mannheim erkannten KIs beispielsweise in von Psychologen durchgeführten Experimenten ein authentisches Lächeln. Die University of Washington fand in einem Experiment jüngst heraus, dass Antworten auf einer Online-Plattform, bei denen KI nachgeholfen hat, als empathischer wahrgenommen wurden.

Was KIs noch nicht können, ist die Stimmung in komplexeren Situationen aufzufangen, etwa den Flurfunk eines Unternehmens.

KIs haben keine Gefühle, davon gehen wir derzeit aus, auch wenn Science-Fiction die Idee der fühlenden KI bereits erschaffen hat.

Was den Menschen zum Menschen macht ist sein Innerstes. Seine Gefühle von Zerrissenheit, zwischen Freud und Leid, die bleiben nur ihm allein.

Autorin: Dr. Nadine Lilienthal ist Vordenkerin für einen zukunftsfähigen Rechtsmarkt, Gründerin von LEGALEAP und zertifizierter Coach. Als Rechtsanwältin unterstützt sie Purpose-Unternehmen im Commercial Law. In ihrem Podcast „Zukunft Rechtsmarkt“ interviewt sie inspirierende Persönlichkeiten der Rechtsbranche. Sie ist Mitgründerin des New Legal Network – einem Netzwerk für ganzheitliche Rechtsberater:innen.

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