Fachartikel

Kanzleien als Softwareentwickler? – Wann es sich lohnt, selbst ein Tool zu programmieren

Digitalisierung und Legal Tech zwingen Kanzleien zu Anpassungen in der Arbeitsweise und dem zielgerichteten Einsatz bestimmter Software. Diese Notwendigkeit hat Gleiss Lutz früh erkannt und Initiativen entwickelt, um die damit verbundenen Chancen optimal zu nutzen. Die Vorgehensweise baut dabei auf mehreren Säulen auf:

  • Austausch und Workshops mit Mandanten sowie im internationalen Kanzleien-Netzwerk
  • Think Tank „Digital Future“
  • Regelmäßige interne Innovation Contests sowie Design Thinking-Workshops
  • Gründungsmitglied der European Legal Tech Association (ELTA)

Gleiss Lutz beobachtet und verfolgt Markttrends, evaluiert regelmäßig Systeme und Tools und setzt auf Basis einer „Nischen-Strategie“ mit der Entwicklung eigener Tools insbesondere dort an, wo der Markt keine passgenauen Tools bietet. Die beachtliche Ausstattung mit einer Auswahl marktführender Legal Tech-Tools, ergänzt durch eigens entwickelte, maßgeschneiderte Tools, ermöglicht eine breite Abdeckung in der Mandatsarbeit. Das Ziel ist es nicht nur, repetitive Aufgaben durch den Einsatz von Software zu ersetzen und den Mandanten eine kostengünstigere Beratung anbieten zu können, sondern auch, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das den Juristinnen und Juristen Freiraum für individuelle und persönliche Beratung schafft.

Seit vielen Jahren ist Gleiss Lutz federführend mit der Beratung der bedeutendsten Compliance- und Litigation-Mandate der deutschen Wirtschaft betraut. Jahr für Jahr werden in diesen Großmandaten mehrere tausend Arbeitsstunden darauf verwendet, Sachverhaltsinformationen strukturiert zu erfassen, diese in Relation zu setzen und mit Dokumenten zu verlinken. Diese Tätigkeiten sind extrem aufwendig und selbst die exzellentesten Juristinnen und Juristen können bei hochkomplexen Mandaten nur schwer den Überblick behalten.

Aus diesem Grund haben die Bereiche Legal Operations & Business Technologies sowie Legal Tech zusammen mit Juristinnen und Juristen der Kanzlei ein praxisbezogenes Gesamtkonzept erarbeitet, auf dessen Grundlage die eigene Legal Tech-Lösung „FactTracker“ entwickelt wurde.

Starke Vereinfachung bei der Bearbeitung von Großmandaten

Der FactTracker kombiniert die systematische und individuelle Sachverhaltsaufbereitung für jedes Mandat mit einem intuitiven System – diese Eigenschaft macht ihn zu einem echten Allround-Talent. Ziel war es, die Bearbeitung von komplexen Großmandaten stark zu vereinfachen. Darüber hinaus sollte der extrem hohe Aufwand im Analyseprozess verringert werden, was neben erheblicher Arbeitserleichterung für die Juristinnen und Juristen auch massive Kostenersparnisse für die Mandanten bedeutet.

Ein wesentlicher Punkt ist die übersichtliche Darstellung mehrerer zehntausend mandatsbezogener Informationen und der möglichst einfache Zugriff darauf: So wird, auch in teilweise über Jahre laufenden Mandaten, stets der Überblick bewahrt – nicht zuletzt auch darüber, welche Erkenntnisse zu welchem Zeitpunkt an welche Stelle oder an welchen Ansprechpartner berichtet wurden.

Das Tool wird nicht nur den hohen Qualitätsansprüchen der Kanzlei gerecht und steigert die Effizienz in der Mandatsbearbeitung erheblich, sondern zeigt besonders in großen Compliance- und Litigation-Mandaten seine wahre Stärke.

Was sind die Key Features und was macht den FactTracker so besonders?

Der FactTracker bietet verschiedene Funktionen, die das System einzigartig machen:

  • Mandate werden in Sachverhaltskomplexe (Workstreams) unterteilt, denen Sachverhaltsinformationen (Facts) zugeordnet werden
  • Essentielle Bearbeitungs- und Suchfunktionen werden auf eine äußert komfortable, umfassende und einfache Weise zur Verfügung gestellt
  • Die implementierte Berechtigungsvergabe ermöglicht eine genaue Steuerung der Sichtbarkeit der hinterlegten Informationen
  • Eingebaute etablierte Legal Project Management-Werkzeuge runden das System zu einem ganzheitlichen Tool ab, das selbst die in Großmandaten herausfordernde Aufgabe der Projektsteuerung abdeckt

Durch die Etablierung dieser praxisrelevanten Funktionen wurden umfassende Werkzeuge des Legal Project Managements abgebildet, wodurch das System den hohen Ansprüchen gerecht wird und die bestehende Lücke auf dem Markt schließt.

Der FactTracker ist nicht nur ein maßgeschneidertes Tool zur Hinterlegung aller relevanten Sachverhaltsinformationen, sondern ist ebenso variabel anpassbar, um in den unterschiedlichsten Mandaten eingesetzt werden zu können. Durch die Möglichkeit, variable Merkmalskategorien (Attribute) projektspezifisch zu hinterlegen, können die zu erfassenden Sachverhaltsinformationen individuell und projektbezogen aufgebaut werden. So können bereits bei der Erfassung der Sachverhaltsinformationen Verknüpfungen gesetzt und Kategorien zugewiesen werden. Kein auf dem Markt erhältliches System verfügt über diese Funktion. Durch eine integrierte „Tag“-Funktion können auch bereits erfasste Sachverhalte nachträglich mit bestimmten Attributen verknüpft („getagged“) werden.

Zusammen mit den bereits seit vielen Jahren existierenden e-Discovery-Produkten zur Sachverhaltsermittlung unterstützt der FactTracker bei der Bearbeitung der Großmandate.

Preisgekrönt und unerlässlich in Großmandaten

Diese Legal Tech-Innovation ist aus der Bearbeitung der Großmandate nicht mehr wegzudenken und sorgt nicht nur dafür, dass die Juristinnen und Juristen ihren Fokus gezielter setzen können, sondern bietet den Mandanten eine zur klassischen Mandatsarbeit effizientere und vor allem kostengünstigere Alternative. Für die Umsetzung und erfolgreiche Etablierung des FactTrackers wurde Gleiss Lutz im vergangenen Jahr von der hochkarätig besetzten Jury bei den PMN Management Awards in der Kategorie „Legal Tech“ mit dem 1. Platz ausgezeichnet.

Die Einführung ist nicht alles…

Mit der Einführung eines neuen Systems ist es jedoch nicht getan: Die Akzeptanz und das Verständnis sind wichtige Faktoren. Aus diesem Grund werden alle Juristinnen und Juristen im Rahmen der Legal Tech-Trainings im Umgang mit dem neuen System geschult. Ein weiterer Baustein zur erfolgreichen Nutzung ist die Ausbildung von projektbezogenen Power Usern, die eine intensive Schulung in sehr kleinen Gruppen erhalten, um optimal auf den Umgang und die Mandatsbearbeitung mit dem FactTracker vorbereitet zu sein.

Nach einer intensiven Pilotphase im vergangenen Jahr ist das System seit Sommer 2020 im Live-Betrieb. Der FactTracker ist bereits in mehreren Großmandaten im Einsatz und hat sich dort hervorragend bewährt. Die Praxis hat gezeigt, dass durch die gezielte Anforderungsanalyse und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit eine praxisnahe und innovative Legal Tech-Lösungen entwickelt wurde, die auf dem Markt nicht verfügbar ist. Mit dem für die Kanzlei maßgeschneiderten System wird die wertvolle Ressource der Arbeitskraft optimal und effizient unterstützt. Das hat gezeigt, dass es sich lohnt über den Tellerrand zu schauen und anstelle des Einsatzes bereits existierender Systeme auf die individuellen Bedürfnisse der Juristinnen und Juristen einzugehen.

Autor: Marc Geiger, Director Legal Operations & Business Technologies bei Gleiss Lutz
Autor: Daniel Lieber, Head of Legal Operations bei Gleiss Lutz
Autorin: Catrin Weckesser, Legal Operations Specialist bei Gleiss Lutz

Foto: © Bigstockphoto

Zurück zur Übersicht

- WERBUNG -