Fachartikel

Interview zur recode.law Initiative und zum ersten Rapid Prototyping Workshop bei Noerr

Interview mit Henrik Volkmann von recode.law e.V., einer hauptsächlich studentischen Initiative aus Münster, die sich mit der Zukunft des Rechts, insbesondere Legal Tech, beschäftigt. Thema ist der erste Rapid Prototyping Workshop, der am 2. September 2019 stattfand.

LTV: Der erste Rapid Prototyping Workshop mit euch fand bei Noerr in Düsseldorf statt. Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? Gab es hier gleich großes Interesse von der Großkanzlei aus einen Workshop zu veranstalten?

Henrik Volkmann: Wir haben recode.law vor etwas mehr als einem Jahr gegründet, um das Thema Legal Tech bzw. Legal Innovation an die Uni zu bringen; damals war das ein völliges Novum. Dabei haben wir uns von Anfang an nach Sponsoren umgesehen, die unser Vorhaben sowohl finanziell als auch ideell unterstützen wollen. Erster Sponsoring-Partner wurde im November 2018 Noerr, was damals einen großen Vertrauensvorschuss bedeutet hat, da unser Track Record noch komplett leer war. Teil unserer Zusammenarbeit ist auch die Organisation eines gemeinsamen Events am Kanzleistandort, so wie jetzt dieser Workshop.

LTV: Wie viele Teilnehmer gab es beim Workshop und wie setzten sich diese zusammen?

Henrik Volkmann: Insgesamt haben knapp über 40 Teilnehmer unseren Workshop besucht. Das Teilnehmerfeld war dabei bunt gemischt. Neben den zehn Praktikanten, die im Rahmen der Sommerakademie von Noerr ohnehin vor Ort waren, und Mitarbeitern von Noerr, haben wir mehr als 30 Bewerbern aus ganz Deutschland eine Zusage geben können. Darüber hinaus haben auch einige unserer Mitglieder in den Teams mitgearbeitet.

LTV: Welche Anwendungen wurden dabei konkret entwickelt?

Henrik Volkmann: Im Vorfeld des Workshops haben wir uns mit Anwälten von Noerr zusammengesetzt und überlegt, welche Alltagsprobleme eines Anwalts von einer Software erleichtert werden könnten. So haben wir drei Use Cases herausgearbeitet, die später von den Teilnehmern bearbeitet wurden.
Im ersten Case sollte ein Tool entwickelt werden, dass den Workstream und die Zusammenarbeit bei Großmandaten zwischen verschiedenen Praxisgruppen verbessern soll. Gerade die Koordination und Kommunikation aller Beteiligten ist hier oft eine Herausforderung. In einem weiteren Case sollte ein digitaler Fristenkalender erstellt werden und im dritten Case ging es um ein digitales Knowledge Management Tool, das es erleichtert, Expertenwissen in einer Kanzlei zu sammeln und so Arbeitszeit einspart.
Die Teams haben zunächst mit Stift und Papier „gesketcht“, also grob ihre Gedanken zu Elementen einer Desktop-Anwendung oder einer mobilen App gezeichnet und so die ersten Screens entworfen. Nach und nach wurde so immer deutlicher, wie die Anwendung funktionieren und aussehen sollte. Schließlich haben wir mit der Anwendung „Figma“ einzelne Screens digital gestaltet und untereinander verlinkt, sodass man per Klick auf bestimmte Bildschirmbereiche hin und her navigieren konnte. So ließ sich sehr schnell ein Klick-Dummy bauen, ohne dass Programmierkenntnisse notwendig waren.
Ein solcher Prototyping-Prozess ist gerade für Juristen sehr gewinnbringend, denn der Anwalt als Anwender weiß nunmal am besten, was „seine“ App können muss und wie sie aussehen soll. Das erleichtert die spätere detaillierte Entwicklung durch einen Programmierer enorm.

LTV: Welche weiteren Workshops sind in der Zukunft geplant? Wie war hier die Resonanz anderer Kanzleien?

Henrik Volkmann: Das Feedback zu unserem Workshop war sowohl vonseiten der Teilnehmer als auch von Noerr durchweg sehr positiv, was uns sehr gefreut hat. Wir werden die Zusammenarbeit mit Noerr fortsetzen und steigen bald in die Planung eines weiteren Events ein. Darüber hinaus sind die Großkanzleien Baker McKenzie und Bird & Bird ebenfalls Sponsoring-Partner von recode.law. Mit Baker McKenzie planen wir im November ebenfalls einen Workshop – mehr Informationen zu dieser Veranstaltung folgen bald auf ​www.recode.law​. Auch mit Bird & Bird planen wir für das Frühjahr 2020 ein gemeinsames Event. Wichtig ist uns bei unseren Kooperationen der individuelle Kontakt – Events aus dem Katalog gibt es mit uns nicht.

LTV: Im Zusammenhang mit recode.law steht ja auch die Legal Innovation Academy. Worum genau handelt es sich dabei?

Henrik Volkmann: Die Legal Innovation Academy ist das Signature Project unserer Non-Profit-Organisation für die nächsten Monate und Jahre. Wir haben erkannt, dass es kaum gesammelte und qualitativ hochwertige Lernangebote zu den wichtigen Themen Legal Tech, Legal Design, New Work und Digitalisierung in der juristischen Arbeitswelt gibt. Das wollen wir ändern und auf die Frage „Wo bitte lern’ ich Legal Tech?“ eine Antwort geben.

LTV: Wer genau betreibt die Academy?

Henrik Volkmann: Betrieben wird das Projekt durch unsere Mitglieder. Gleichzeitig bemühen wir uns auch um die evtl. notwendige Lizenzierung kostenpflichtiger Quellen und die Erstellung von exklusiven Inhalten durch unsere Partner und externe Experten. Mit dem Abschluss der Academy soll jeder Teilnehmer ein Zertifikat erhalten. Langfristig würden wir uns freuen, wenn Universitäten dieses Zertifikat im Rahmen einer Schlüsselqualifikation oder eines Grundlagenfachs anerkennen würden.

LTV: Und wer ist die Zielgruppe?

Henrik Volkmann: Als junge Organisation wollen wir zunächst Studenten unser Curriculum möglichst kostendeckend zur Verfügung stellen. Langfristig können wir uns aber auch durchaus vorstellen, Zugänge für Anwälte und andere Interessierte anzubieten. Was hier möglich ist, wird sich allerdings erst in einigen Monaten zeigen.

LTV: Noch eine abschliessende Frage. Wie wird eurer Ansicht nach die Zukunft für Juristen in Deutschland aussehen?

Henrik Volkmann: Nach unserer Ansicht können wir Juristen uns auf die Zukunft freuen. Durch den Einsatz von Legal Tech und innovativen Arbeitsmethoden wird juristische Arbeit industrialisiert – repetitive und einfache Prozesse werden zunehmend von Computern übernommen. Stupide Arbeiten werden auf diese Weise „outgesourct“. Dies wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass viele Anwälte mit ihrer Arbeitsweise von heute morgen nicht mehr konkurrenzfähig sein werden. Doch das ist kein Grund zur Panik. Wer sich weiterentwickelt und Innovation zulässt, wird sich in einer angenehmeren Arbeitswelt mit mehr spannenden Tätigkeiten wiederfinden und hoffentlich mehr Spaß an seiner Arbeit haben. Die Chance für mittlere und große Kanzleien liegt insbesondere darin, ihr Expertenwissen in Form von digitalen Anwendungen ihren Mandanten zur Verfügung zu stellen. Zwar wird immer eine Nachfrage nach individueller Rechtsberatung bestehen bleiben, doch wer darüber hinaus die „Maschinen“ für die „industrielle Legal Tech Revolution“ verkaufen kann, wird auf dem Markt für Rechtsdienstleistungen in der Zukunft sicherlich eine vorteilhafte Position innehaben.

LTV: Vielen Dank für dieses interessante Interview und die gewonnen Einblicke.

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