Fachartikel

Interview mit Dr. Martin Heimsoth über die Entwicklung und das Angebot von Lexparency

Dr. Martin Heimsoth arbeitet hauptberuflich in der Reportingeinheit einer weltweit agierenden Geschäftsbank. Nebenberuflich beschäftigt sich der promovierte Physiker allerdings mit Legal Tech und betreibt mit Lexparency eine Webanwendung für Europäische Rechtsakte. Wir haben ihn zu diesem interessanten Projekt befragt.

LTV: Herr Dr. Heimsoth, was ist Lexparency?

Dr. Heimsoth: Auf Lexparency.de und Lexparency.org sind die Verordnungen und Richtlinien der EU in aufbereiteter Form abrufbar. Die Aufbereitung umfasst
– Verlinkung von Referenzen und Begriffsbestimmungen
– Erstellung eines Suchindex auf dem gesamten Textkorpus
– Zerlegung auf Artikelebene.
Desweiteren bietet die Weboberfläche die Möglichkeit, verlinkte Referenzen und Definitionen durch hovern anzeigen zu lassen, also ohne den aktuell betrachteten Artikel zu verlassen. Außerdem haben Nutzer die Möglichkeit Textauszüge zu markieren und mit eigenen Notizen zu versehen.

LTV: Wer ist die Zielgruppe von Lexparency?

Dr. Heimsoth: Im Grunde jeder, der sich inhaltlich mit EU-Rechtsnormen auseinandersetzt. Da sich EU-Recht hauptsächlich auf einheitliche Standards für Industrie und Wirtschaft konzentriert, denke ich insbesondere an die Experten in den Rechts- und Complianceabteilungen größerer Unternehmen. Aber natürlich auch Beratungsfirmen und Kanzleien.

LTV: Seit wann ist Lexparency online?

Dr. Heimsoth: Die Anwendung ist zwar seit Mitte 2017 online, und vor einem Jahr war diese Anwendung schon auf einem hinreichenden Reifegrad, um damit den ersten Preis beim EU-Datathon zu gewinnen. Aber in der Qualität, die ich mir selbst als Mindestanforderung gesetzt habe, gibt es diese Anwendung erst seit September 2019.

LTV: Wie sind Sie auf die Idee zu diesem hilfreichen Projekt gekommen?

Dr. Heimsoth: Nach meiner Promotion habe ich in der Risikomodellierung einer größeren Bank gearbeitet. Die Arbeit dort war weniger von mathematischer Präzision, sondern mehr von der Erfüllung regulatorischer Anforderungen bestimmt. In meinem Fall war das konkret die Eigenmittelverordnung und die Eigenmittelrichtlinie. Ich war damals vor allem enttäuscht über die Tatsache, dass in den von EUR-Lex zur Verfügung gestellten Fassungen Referenzen nicht verlinkt waren und man immer wieder hin- und zurück scrollen musste, um durch die Dokumente zu navigieren. Dabei werden die Dokumente bei EUR-Lex auch im HTML-Format angeboten. Es werden nur nicht die essentiellen Features des HTML-Standards genutzt. Diese Lücke wollte ich schließen.

LTV: Wie haben Sie Lexparency technisch entwickelt?

Dr. Heimsoth: Die Architektur dahinter besteht aus zwei Komponenten: Eine Komponente ist für das Hosting der Dokumente zuständig, und die andere für die Transformation und das Hochladen neuer Dokumente. Das Dokumenthosting ist eine Webanwendung basierend auf Python-Flask mit Elasticsearch als Dokumentdatenbank. Der Transformationsprozess basiert ebenfalls auf Python. Für die Referenzerkennung werden Natural-Language-Processing-Techniken (NLP) verwendet.

LTV: Wie lange hat dieser Prozess gedauert?

Dr. Heimsoth: Ich habe mit dem Projekt Anfang 2017 begonnen und hatte ca. 6 Monate später eine erste funktionsfähige Version. Jedoch, da ich im ersten Jahr noch technologisch dazulernen musste, und zwischenzeitlich aus privaten gründen weniger Zeit hatte, dauerte die Entwicklung insgesamt etwas über zwei Jahre.

LTV: Möchten Sie Lexparency in Zukunft noch weiter ausbauen?

Dr. Heimsoth: Auf jeden Fall habe ich vor die Funktionalität zu erweitern. Zum einen möchte ich weiter an der Dokumentaufbereitung feilen, insbesondere die Referenzerkennung der deutschen Texte hat noch Raum nach oben. Aber auch das Navigieren durch frühere Fassungen der Dokumente ist noch verbesserungswürdig. Am liebsten würde ich eine Art Diff-Tool implementieren. Ansonsten ziehe ich in Erwägung die Anwendung auch auf Spanisch anzubieten.

LTV: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit Ihrem interessanten Projekt.

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