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Interview mit dem Gewinner des Berlin Legal Hackathon 2020: Dickstinction

Dickstinction war der Gewinner des Berlin Legal Hackathon 2020 Anfang des Jahres. Die „Access to Justice“ Idee bietet eine schnelle rechtliche Hilfe bei unerwünschten „Dick Pics“ auf sozialen Medien. Das Team von Dickstinction besteht aus Stefan Bieliauskas, Florian Idelberger, Konstantin Königsbauer, Moritz Krüsselmann, Tom Löw, Bianca Neumair und Sebastian Reiling.

LTV: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Berlin Legal Hackathon 2020. Hattet ihr euch gute Chancen für den Sieg ausgerechnet oder kam es überraschend?

Daran haben wir erst einmal keinen Gedanken verschwendet. Denn: Die meisten von uns hatten vorher noch nie an einem Hackathon teilgenommen. Wir mussten uns daher zunächst als Team finden und dann hieß es: Ab die Post! In den folgenden eineinhalb Tagen wurden die rechtlichen Abläufe diskutiert und festgelegt, das Businessmodell aufgestellt, Texte, Design und Userflow entworfen sowie eine Instagram-Fanpage aufgesetzt. Auf der technischen Seite wurde die Webseite mit dem Formular entwickelt und die automatische Erstellung eines PDFs ermöglicht. Und wie bei jedem Hackathon hieß es: Der Pitch muss perfekt werden! Dass die Idee gut ankommt, haben wir während des „Hackens“ natürlich schon am Rande wahrgenommen: erste Likes auf der Instagram-Seite, Interesse seitens der Jury und erste Tweets auf Twitter zu #dickstinction

LTV: Was genau ist Dickstinction?

Das Tool löst ein klassisches „Access-to-Justice-Problem“: Mit Dickstinction kann man einfach und unkompliziert Dick-Pics zur Anzeige bringen, welche man auf Instagram, Facebook oder ähnlichen sozialen Plattformen unerwünschter Weise erhalten hat.

LTV: Wer ist bei euch auf die Idee gekommen (und warum) Dickstinction entwickeln zu wollen?

Die Idee kam Moritz bei einem Abendessen mit Freunden. Zwei der drei anwesenden Mädels hatten bereits unerwünscht Pics mit männlichen Genitalien erhalten. Alle drei fühlten sich angewidert, etwas hilflos und belästigt. Und damit sind sie – laut unseren Recherchen – nicht allein. 40 Prozent der weiblichen Millennials haben laut einer Studie von YouGov schon einmal solche Inhalte ohne Zustimmung zugeschickt bekommen. Die übliche Reaktion: Das Bild wird gelöscht, der Sender blockiert, und das Ganze an die soziale Plattform gemeldet. Viel passiert also nicht, außer, dass das Nutzerprofil des Senders eventuell von der Plattform verschwindet. Moritz und Tino, zwei alte Schulfreunde und beide Juristen, konnten es nicht fassen. Denn das unerwünschte Zusenden eines Dick Pics stellt eine Straftat dar. Aber für Moritz‘ Freundinnen war einfach nicht klar gewesen, wie sie rechtlich gegen die zugesendeten Bilder vorgehen können und welche Risiken für sie dabei bestehen (oder auch nicht). Warum es den Nutzern nicht also leicht machen? So war die Idee zu Dickstinction geboren.

LTV: Wie sieht das rechtliche Vorgehen bei Dickstinction aus?

Der Nutzer bzw. die Nutzerin macht einen Screenshot der Nachricht und lädt diese mit Hilfe unseres Tools hoch. Die Faktenlage wird durch den Screenshot festgehalten. Dann trägt der Nutzer in das Formular noch wenige persönliche Daten ein. Nichts davon wird dauerhaft gespeichert, wir haben Dickstinction ganz nach dem Ansatz von „Privacy by Design“ entwickelt. Das Tool generiert ein PDF mit einer Anzeige, das der oder die Betroffene an die zuständige Staatsanwaltschaft schicken kann.
Konzeptionell wäre es in einem zweiten Schritt außerdem möglich, den Täter auch zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Hierzu würden zunächst die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Die ist nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet, Ermittlungen einzuleiten. Sofern die Staatsanwaltschaft die Adresse des Täters ermitteln kann, könnte man diesen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern und dabei gleichzeitig die Kosten für die außergerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruches verlangen. Das führt einerseits dazu, dass der Täter sich zukünftig gut überlegt explicit content zu schicken und bietet andererseits Potential für die Finanzierung unseres Projektes. Den zweiten Schritt haben wir im Zuge des Hackathons aus Zeitgründen noch nicht entwickelt. Rein rechtlich finden wir diesen aber besonders spannend, weil man sich auf elegante Weise den Möglichkeiten des Strafprozessrechts bedienen kann, um einen zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen.

LTV: Wie habt ihr Dickstinction innerhalb der zwei Hackathon Tage umgesetzt? Mit welcher Software und/oder welchen Programmiersprachen wurde die Software entwickelt?

Uns war es wichtig im Rahmen des Hackathons einen nutzbaren Prototypen zu entwickeln. Daher haben wir uns auf den ersten rechtlichen Teil konzentriert, die Erstellung einer Anzeige. Stefan kam direkt am Anfang zum Team hinzu mit den Worten: Ich baue euch das! Gesagt getan. HTML und Java Script waren hierbei die Programmiersprachen der Wahl.

LTV: Wie war euer Team zusammengesetzt? War die Zusammenarbeit von Juristen & Entwicklern einfach oder gab es Schwierigkeiten? Was waren die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit?

Unser Team bestand aus drei Juristen, zwei Entwicklern, einem BWLer und einer Legal Engineer. Die Zusammenarbeit zwischen Juristen, Legal Engineers und Entwicklern klappte sehr effizient, da einige aus dem Team jobbedingt bereits Erfahrung im Bereich des agilen Arbeitens haben. Diskussion kam eher zu den juristischen Abläufen auf. Was uns einerseits viel Zeit kostete, half uns andererseits sowohl den strafrechtlichen, als auch den zivilrechtlichen Teilprozess genau zu durchdenken.

LTV: Was ist der aktuelle Stand? Ist Dickstinction online und kann es jetzt schon genutzt werden?

Dickstinction ist nach wie vor ein Prototyp. Dieser ist jedoch voll funktionsfähig, und unter dickstinction.com online verfügbar und kann – jedoch ohne Gewähr – genutzt werden.

LTV: Gibt es Ideen an diesem Projekt weiterzuarbeiten? Soll Dickstinction weitere Features erhalten?

Ja, natürlich gibt es Ideen. Wir sind hierzu mit einigen anderen Unternehmen im Austausch!

LTV: Wie gestaltet sich eine Monetarisierung des Projektes?

Die Finanzierung des Projektes ließe sich über die zweite – zivilrechtliche – Komponente des Dienstes realisieren.

LTV: Ist dies gewünscht bzw. geplant?

Da wir alle beruflich derzeit ziemlich eingespannt sind, gibt es für die Umsetzung des zweiten Schrittes derzeit aber noch keine konkreten Pläne. Uns hat die Erstellung dieses Tools eine Menge Spaß gemacht und in erster Linie wollten wir Aufmerksamkeit für ein solches Thema zu erzielen. Wenn die Betroffenen unser Tool tatsächlich für sich nutzen, wäre unser Traum natürlich, dass damit eines Tages unerwünschten Dick Pics auf Social Media ein Ende gesetzt wird

LTV: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

Vielen Dank!

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