Fachartikel

Interview mit Christian Hartz, Legal Engineer bei Wolters Kluwer Deutschland

Interview mit Christian Hartz, Legal Engineer bei Wolters Kluwer Deutschland, der mit dem Team „Uthority“ und der gleichnamigen App den Global Legal Hackathon in Frankfurt gewonnen hat und nun nach überstandener Zwischenrunde im Finale in New York steht.

LTV: Ihr habt im Februar den Global Legal Hackathon in Frankfurt und Mitte März dann die Zwischenrunde gewonnen und seid damit im Finale in New York am 4. Mai mit dabei. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt sich das an?

Christian Hartz: Herzlichen Dank für die Glückwünsche. Es fühlt sich großartig an! Wir können alle noch gar nicht glauben, dass wir es mit unserer Idee und der Umsetzung bis ins Finale geschafft haben. Aber wir sind uns auch bewusst, dass es noch ein weiter Weg ist, bis alles so ist, wie wir es in New York präsentieren wollen.

LTV: Was erwartet ihr vom Finale in New York? Was kann man dort eigentlich gewinnen?

Christian Hartz: Wir erwarten ein sehr spannendes, aber auch sehr produktives Finale. Die anderen Teams sind sehr stark und wir bewundern sehr, wie professionell alle Teilnehmer vorgehen und wie gut beispielsweise die Videos der Zwischenrunde aussahen. Wenn wir zurückblicken, was wir bisher alles gelernt und umgesetzt haben, um dem Finale näher zu kommen, ist es bereits jetzt absehbar, dass es weiterhin eine sehr turbulente und spannende Zeit wird. Einen Geldpreis oder ähnliches gibt es nicht zu gewinnen. Das heißt jedoch nicht, dass es nichts zu gewinnen gäbe – im Gegenteil: Es ist von uns schon extrem wertvoll, bekannter zu werden und vor allem jede Menge Kontakte zu knüpfen.

LTV: Eure App Uthority soll es ja leichter machen, Behördenschreiben zu verstehen, um gleich angemessen darauf reagieren zu können. Wie entstand die Idee zu der App?

Christian Hartz: Die Idee für die App ist wie so oft im täglichen Leben entstanden. Ich bekam im vergangenen Jahr ein Behördenschreiben über einen Straßenausbaubeitrag für eine Straße, die Anfang der 2000er errichtet wurde. Alle Anwohner der Straße sollten einen vorläufig festgesetzten Betrag entrichten. Schnell schlossen sich einige Nachbarn zusammen, um zu klären, was unternommen werden muss. Die Vermutung lag aber nahe, dass sich einige Nachbarn mit dem Schreiben alleine auseinandersetzen mussten. Da die juristische Sprache nicht gerade zu den verständlichsten gehört, kam mir die Idee, dass man hier etwas ändern müsste. Und diese Idee habe ich einfach mal beim Global Legal Hackathon 2019 in Frankfurt vorgestellt und konnte zum Glück ein tolles Team vor Ort von dieser Idee überzeugen: Uthority war geboren. Während des Hackathons in Frankfurt hat unsere Online-Umfrage gezeigt, dass mehr als 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer behördliche Schreiben nicht vollständig verstehen. Es ist also nicht nur ein Problem für einzelne Bevölkerungsgruppen oder Schichten, sondern ein ganz grundsätzliches.

LTV: Was kann die App jetzt schon und wie wollt ihr diese noch ausbauen?

Christian Hartz: Die App kann derzeit einige wenige Bescheide erkennen und regelbasiert Elemente auslesen. Gleichzeitig bietet sie dem Nutzer hilfreiche weitere Funktionen an, dazu gehören:

  • Zusammenfassung des Bescheides
  • Übersetzung des Bescheides ins Englische
  • Kontaktinformationen zur Behörde, die den Bescheid erlassen hat
  • Kontaktinformationen zu möglichen Anwälten, die sich auf das jeweilige Gebiet spezialisiert haben

Ganz wichtig für uns ist es jedoch auch, dass der Nutzer selbst etwas tun kann. Deswegen erklären wir ihm in der App konkret, was er grundsätzlich für Handlungsmöglichkeiten hat und stellen hierzu Vorlagen zur Verfügung. In Zukunft wollen wir dem Nutzer noch viel mehr Möglichkeiten geben und auch den regelbasierten Ansatz stufenweise durch „Supervised Machine-Learning“ ergänzen, um auch ganz neue Bescheide sicher erkennen und bearbeiten zu können. Für das Erstellen der Zusammenfassungen und weiterer Features werden wir auch den Einsatz von Deep Learning ausprobieren.

Darüber hinaus haben wir natürlich auch bereits viele weitere Services durchdacht und teilweise auch schon vorbereitet. Insgesamt hilft uns sehr, dass wir beim Global Legal Hackathon in Frankfurt zusätzlich auch den Sustainibility Award, und damit zehn Entwickler-/UX-Tage von Wolters Kluwer gewonnen haben. So kommen wir auch schnell in die Umsetzung! Lassen Sie sich also überraschen.

LTV: Mit Blick auf New York: Lässt sich die App überhaupt auf andere, internationale Rechtssysteme anpassen?

Christian Hartz: Das Problem der juristischen Fachsprache ist grundsätzlich in allen Rechtssystemen vorhanden, teilweise ist es etwas abgeschwächter aufgrund von Initiativen für „leichte Sprache“. Wir haben bereits für die Vorbereitung auf die Zwischenrunde unsere App zweisprachig aufgebaut und bieten so neben der deutschen Sprache auch Englisch an. Das macht es gerade auch Expatriates oder Einwanderern, die direkt nach der Ankunft mit einer Vielzahl von behördlichen Schreiben konfrontiert werden, einfacher diese zu verstehen.

Auch das Erkennen und Verarbeiten internationaler Bescheide haben wir in unserer Architektur bereits berücksichtigt und können die App daher auf weitere Sprachen und Rechtssysteme skalieren. Natürlich wird für jedes Rechtssystem ein gewisser Aufwand für die Lokalisierung notwendig werden – zum Beispiel für Vorlagen in der Landessprache, die zu den Bescheiden passen, lokale Kontakte zu den Anwälten und so weiter. Unsere Vision ist es allerdings sprachenübergreifend jedem zu helfen, seine Bescheide zu verstehen.

LTV: Was sind eure Zukunftspläne mit der App? Soll diese vermarktet werden und wenn ja, wann könnte es soweit sein?

Christian Hartz: Wir wollen eine erste Version der App, das MVP (minimum viable product) schon bald starten und mit einer Vielzahl von potentiellen Kunden verproben. Hier wird das Produkt beispielsweise auch schon über eine Funktion zum Schwärzen verfügen, da uns der Datenschutz immens wichtig ist. Das gewonnene Feedback soll dann schnell in unser MMP (minimum marketable product) umgesetzt werden. In der zweiten Hälfte des Jahres wollen wir in den Markt starten.

Funktionen wie automatisches Anonymisieren sollen dann ebenfalls enthalten sein, damit wir durch Crowdsourcing eine Vielzahl von Bescheiden erhalten können, um damit unsere eingesetzten Algorithmen weiter zu trainieren. Hier kooperieren wir auch bereits jetzt mit verschiedenen Unternehmen und NGOs. Unser Ziel ist es, die App in einer Basisvariante allen Menschen kostenlos zur Verfügung zu stellen, damit endlich jeder die Behördenschreiben versteht.

LTV: Vielen Dank für das Interview und viel Glück in New York!

- WERBUNG -