ESGFachartikel

Green Marketing heute und morgen

Die Themen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung – kurzum: ESG („Environment, Social and Government“) – erlangen in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Wenig verwunderlich ist es daher, dass der europäische Gesetzgeber immer mehr Rechtssetzungsakte in diesem Bereich erlässt. Dies geht auf den im Dezember 2019 von der EU-Kommission vorgeschlagenen Green-Deal zurück: Ein Fahrplan, der die Wirtschaft in der EU bis 2050 nachhaltiger und Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll. Erklärtes Ziel des sog. Green Deals ist es auch, Verbrauchern zu ermöglichen, beim Kauf von Produkten umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen und sog. Greenwashing zu vermeiden.

In Deutschland ist der Umgang mit Green Claims, also umweltbezogenen Werbeaussagen, bereits Gegenstand einiger gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen, allerdings mit sehr unterschiedlichem Ausgang. Eine einheitliche Linie ist noch nicht erkennbar.

Abhilfe könnte der von der EU-Kommission im Frühjahr dieses Jahres vorgelegte Entwurf der Green Claims Directive schaffen. Allerdings ist mit der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nicht vor 2026 zu rechnen. Im Einzelnen:

Worum geht es?

Unter Greenwashing versteht man Bemühungen von Unternehmen, sich insbesondere durch Marketingmaßnahmen, ein umweltfreundliches, nachhaltiges Image zu verschaffen.

Green Claims sind dabei umweltbezogene Werbeaussagen von Unternehmen, welche vor allem zur Bewerbung ihrer Produkte und Dienstleistungen dienen. Beispielhaft sind hier die Begriffe „klimaneutral“, „bio“ oder „umweltfreundlich“ zu nennen. Über die von Unternehmen verwendeten Green Claims hinaus existieren Studien zufolge in der EU bereits über 200 umweltbezogener Labels, die einem Produkt den Anschein unabhängig geprüfter Nachhaltigkeit vermitteln sollen. Um die Vergleichbarkeit dieser Labels ist es allerdings schlecht bestellt. Verbraucher sollen vor dem Hintergrund der Vielfalt und Unvergleichbarkeit der Claims und Labels besser geschützt werden.

Rechtliche Einordnung nach heutiger Rechtslage

Die Verwendung von Green Claims und Green Labels muss sich derzeit an den geltenden wettbewerbsrechtlichen Vorgaben messen lassen. Gemäß § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter ist nach § 5 Abs. 1 UWG eine irreführende geschäftliche Handlung, die zu einer geschäftlichen Entscheidung führt, die man ohne die Irreführung nicht getroffen hätte. Hierunter fällt auch irreführende Werbung. Zudem handelt nach § 5 a UWG unlauter, wer einen Verbraucher oder Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält.

Anforderungen am Beispiel „klimaneutral“

Vor allem der Begriff „klimaneutral“ war in letzter Zeit häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. So hat das OLG Düsseldorf (Urt. v. 06.07.2023, I-20 U 152/22) den Begriff dahingehend ausgelegt, dass der durchschnittliche Verbraucher „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz verstehe, wobei ihm bekannt sei, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Den Werbenden treffe jedoch eine Informationspflicht darüber, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht werde. Nach Ansicht des OLG Schleswig sind hingegen keine erläuternden Hinweise zur Art und Weise der Kompensationsmaßnahmen erforderlich (Urt. v. 30.06.2022, Az. 6 U 46/21).

Erst kürzlich hat wiederum das LG Karlsruhe (Urt. v. 26.07.2023, Az. 13 O 46/22 KfH) entschieden, dass wesentliche Informationen dazu, wie die Klimaneutralität bilanziell erreicht wird, mitzuteilen seien. Wesentlich seien insbesondere Informationen darüber, auf welche Schritte im Lebenszyklus eines Produkts sich die Aussage der Klimaneutralität bezieht, ob die Klimaneutralität bei dem konkreten Produkt durch Reduktion und/oder Kompensation erreicht werden soll und, falls vorhanden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Label des jeweiligen Zertifizierungspartners erfolgt. Allerdings könne Klimaneutralität nicht durch eine Kompensation unter Nutzung eines Waldschutzprojekts erreicht werden.

Der Begriff „klimaneutral“ ist somit aktuell das Paradebeispiel für die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung.

EU-Richtlinienvorschlag zur Green Claims Directive

Hilfestellung für Unternehmen könnte die Green Claims Directive geben. Sollte diese Richtlinie erlassen und umgesetzt werden, werden die Regeln für umweltbezogene Werbung aber auch deutlich verschärft werden. Insbesondere enthält der Richtlinienvorschlag der Kommission eine sog. „schwarze Liste“ mit Werbeaussagen, die in jedem Fall irreführend sind.

Zudem sollen Mitgliedstaaten künftig sicherstellen, dass Händler ihre umweltbezogenen Aussagen vor der Verwendung anhand bestimmter Kriterien prüfen und bewerten. So muss u.a. klargestellt werden, auf welchen Teil oder Aspekt des Produkts sich die Aussage bezieht, die Aussage muss sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen sowie einschlägige internationale Normen berücksichtigen. Zudem sollen in der Richtlinie auch Regelungen für die Verwendung von Umweltzeichen und Umweltkennzeichnungssysteme geschaffen werden.

Die Bedeutung des Themas für den EU-Gesetzgeber zeigt sich auch daran, dass Verstöße gegen die Richtlinienregelungen betraft werden sollen. Vorgesehen sind unter anderem Bußgelder von bis zu 4% des Jahresumsatzes oder der zeitweise Ausschluss von öffentlichen Vergabeprozessen.

Ausblick

Die bisherigen Auseinandersetzungen im Bereich Greenwashing konnten alle mit den bereits geltenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts gelöst werden – wenn auch mit unterschiedlichem Ausgang. Es steht zu erwarten, dass die Green Claims Directive hier weitere Klarheit schaffen kann. Wird die Green Claims Directive so, wie sie derzeit geplant ist, erlassen, bestehen konkrete gesetzliche Anhaltspunkte für die zulässige Werbung mit umweltbezogenen Aussagen und konkrete Verbote. Anhand der dort genannten Kriterien sollte somit verlässlicher geprüft werden können, ob die Bewerbung von Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens mittels umweltbezogener Aussagen zulässig ist und was konkret zu beachten ist. Derzeit ist das jedoch noch Zukunftsmusik, denn da die Richtlinie bisher nicht erlassen und erst recht nicht in nationales Recht umgesetzt ist, bleibt es vorerst bei der uneinheitlichen Rechtslage in Deutschland. Aufgrund des weitgehenden Wegfalls des fliegenden Gerichtsstands im Wettbewerbsrecht sollten Unternehmen in jedem Fall die Rechtsprechung im OLG-Bezirk ihres Sitzes beachten.

Die Autorinnen Astrid Luedtke und Antje Münch sind Teil des ESG-Teams von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Die Anwältinnen und Anwälte dieses multidisziplinären Teams haben in allen relevanten Fachbereichen die notwendige rechtliche Expertise und helfen Mandanten die für sie geltenden ESG-Anforderungen effektiv und praxistauglich umzusetzen.

Autorin: Astrid Luedtke ist Salaried Partnerin der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek im Büro Düsseldorf. Sie ist Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Datenschutzrecht. Im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes berät und vertritt sie Mandanten regelmäßig unter anderem in werberechtlichen Fragen (UWG), sowie bei der Entwicklung und Durchsetzung von Schutzstrategien für deren geistiges Eigentum. Astrid Luedtke veröffentlicht regelmäßig zu UWG- und Datenschutzthemen und hält regelmäßig Vorträge in beiden Bereichen.

Autorin: Antje Münch ist Salaried Partnerin bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek am Standort Stuttgart und Fachanwältin für gewerblichen Rechtschutz. Sie berät nationale und internationale Mandanten seit vielen Jahren in den Bereichen gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutz- und IT-Recht. Sie veröffentlicht regelmäßig unter anderem zu aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen und hält zahlreiche Vorträge.

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