Environmental, Social and Governance in der Rechtsabteilung
Seit Jahren wachsen die Compliance-Anforderungen an Unternehmen. Insbesondere der Bereich ESG entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit. Immer wieder neue und komplexe Regelwerke stellen Inhouse-Juristen vor große Herausforderungen.
Die Verortung von ESG im Unternehmen
Unter ESG versteht man Environmental, Social und Governance. Der Sammelbegriff umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze, die gemeinsam den Rahmen für eine nachhaltige, soziale und verantwortungsvolle Unternehmensführung bilden. Als prominente Beispiele seien die Taxonomieverordnung, die Offenlegungsverordnung, das Hinweisgeberschutzgesetz und das Lieferkettengesetz genannt. Es stellt sich die Frage, wo das Thema ESG im Unternehmen zu verorten ist. Wer trägt die Verantwortung für das Verständnis der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die Analyse der erforderlichen Schritte bis hin zu deren Umsetzung im Unternehmen?
Die Aufgaben der Rechtsabteilung
Es liegt nahe, hier zunächst an die Rechtsabteilung zu denken. Die Gesetzgebung im Bereich ESG ist komplex und unübersichtlich. Die Rechtsabteilung kann helfen, indem sie die geltenden Regularien analysiert und zusammenfasst. Auf dieser Basis können Verhaltenskodizes erarbeitet werden, die an die betroffenen Abteilungen im Unternehmen kommuniziert werden müssen. Gemeinsam mit der Compliance-Abteilung können bereits bestehende Kontrollsystem und Whistleblowing-Möglichkeiten genutzt werden, um auch den Bereich ESG zu erfassen.
Darüber hinaus gibt es im ESG-Bereich Themen, die zu den Kernaufgaben des General Counsels gehören. So kam es in den vergangenen Jahren immer häufiger vor, dass ESG-Fragestellungen Gegenstand zivilrechtlicher Klagen waren. Hierunter können Klagen aktivistischer Anteilseigner fallen, die Unternehmen zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen bewegen wollen, Klagen auf Schadensersatz wegen von dem Unternehmen verursachter Umweltverschmutzungen oder Verfahren von Verbraucherschützern wegen des Vorwurfs von Greenwashing. Unternehmen sollen durch diese Klagen gesamtgesellschaftlich in die Verantwortung genommen und zu nachhaltigerem Handeln bewegt werden. Neben der Haftung des Unternehmens kann auch die Geschäftsführungsebene selbst juristisch in die Verantwortung genommen werden. Es ist Aufgabe der Inhouse-Juristen, Prozessen vorzubeugen und mögliche Risiken rechtzeitig zu identifizieren. Aus juristischer Sicht können solche ESG-Prozesse besonders komplex sein. Wegen der globalen Auswirkungen klimaschädlicher Handlungen ist der Kreis möglicher Kläger groß und es fehlt an einer verlässlichen Rechtsprechungspraxis. Eine frühzeitige Vorbereitung ist deswegen wichtig.
Der Chief Compliance Officer
Um der wachsenden Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit gerecht zu werden, ernennen immer mehr Unternehmen einen Chief Sustainability Officer. Der CSO steht damit selbstständig neben der Rechtsabteilung und der Complianceabteilung. Die Schaffung einer eigenen CSO Position und damit verbunden oft auch einer eigenen ESG-Abteilung, ist finanziell auf kurze Sicht am kostspieligsten. Allerdings kann es schwierig für die oft schon stark belasteten Juristen und Complianceverantwortlichen im Unternehmen sein, den sich rasant entwickelnden Bereich ESG neben all ihren anderen Aufgaben zu betreuen.
Gerade wenn das Thema Nachhaltigkeit nicht nur aus dem Blickwinkel der Regelbefolgung gesehen wird, sondern vielmehr als Chance verstanden wird, ESG in die gesamte Unternehmensstrategie einzubeziehen, reicht es nicht, das Thema ESG in der Rechts- oder Complianceabteilung anzusiedeln. Mit der Hilfe eines CSOs kann für das Unternehmen eine zukunftsgerichtete ESG-Strategie entwickelt werden. Es ist dann Aufgabe des CSOs im Unternehmen ein Bewusstsein für das Thema ESG zu schaffen und die entwickelte Strategie in den einzelnen Abteilungen zu vermitteln. Am Ende betrifft das Thema ESG das ganze Unternehmen. Es ist wichtig, sämtliche Abteilungen – wie die Produktion, den Einkauf, das Controlling, den CFO, die Personalabteilung, die Rechtsabteilung und insbesondere die Geschäftsführung – in die Entwicklung der ESG-Strategie einzubeziehen. Am Ende sind es die einzelnen Abteilungen, die die geltenden ESG-Standards in ihrem Bereich umsetzen und über deren Einhaltung Bericht zu erstatten haben. ESG ist eine Querschnittsmaterie, die zahlreiche Abteilungen im Unternehmen betrifft und im gesamten Unternehmen umgesetzt werden muss. Der CSO kann hierbei als Bindeglied zwischen den einzelnen Akteuren eine zentrale Rolle spielen. Wegen der Fülle der geltenden Regelungen, müssen die für das Thema ESG besonders relevanten Bereiche im Unternehmen identifiziert werden. Die zu setzenden Schwerpunkte hängen insbesondere von der Branche ab, in der das Unternehmen tätig ist und von dessen Größe.
Die Verankerung des Themas ESG in der C-Ebene ist gleichzeitig ein starkes Bekenntnis dazu, die Themen Nachhaltigkeit und ESG im Unternehmen in den Fokus zu rücken. Dies kann ein Unternehmen nicht nur für Kunden, sondern auch für Mitarbeiter und Bewerber besonders attraktiv machen. Eine starke ESG-Strategie wird damit zum Wettbewerbsvorteil und einer lohnenden Investition. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem CSO und der Rechtsabteilung bleibt jedoch unerlässlich, um sicherzustellen, dass die rechtlichen ESG-Vorgaben im Unternehmen eingehalten werden. Es bleibt Aufgabe des Inhouse Juristen, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen im Blick zu behalten.
Unterstützung durch technische Lösungen
Insbesondere im Bereich der Berichtspflichten können technische Lösungen helfen. Mit dem Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive werden ab dem Geschäftsjahr 2025 nun auch mittelständische Unternehmen verpflichtet, ihre ESG-Kennzahlen offenzulegen. Das ESG-Datenmanagement, also das Sammeln, Analysieren und Aufbereiten der relevanten Informationen kann für Unternehmen sehr aufwendig sein. Es gibt mittlerweile bereits zahlreiche technische Lösungen, die bei der Einhaltung der ESG-Anforderungen unterstützen. So gibt es Software, die bei der Sammlung und Analyse von ESG-Daten unterstützt und die erforderlichen Daten, wie beispielsweise CO2-Emissionen, den Verbrauch von Energie und Wasser sowie den produzierten Abfall, erfasst. Die ESG- Berichterstattung für das Unternehmen wird damit wesentlich erleichtert.
Zusammenfassung
Die Rechtsabteilung kann im Bereich ESG eine Schlüsselrolle spielen und trägt insbesondere die Verantwortung dafür, ein Verständnis des geltenden Rechts zu haben, Veränderungen im Blick zu behalten und in das Unternehmen zu kommunizieren. Gerade in größeren Unternehmen ist es jedoch sinnvoll, die Verantwortung für den Themenbereich ESG an einen Chief Sustainability Officer zu übertragen, der in rechtlichen Fragestellungen weiterhin vom Inhouse Juristen unterstützt werden sollte. Dies trägt nicht nur der wachsenden Bedeutung von ESG Rechnung, sondern stellt außerdem sicher, dass die Rechtsabteilungen mit der Vielfalt der zahlreichen Aufgabenstellungen, die sich für den Bereich ESG für ein Unternehmen ergeben, nicht überfrachtet werden.
Autorin: Dr. Yenilee Ičagić hat an der Bucerius Law School in Hamburg und der Yale Law School in New Haven studiert. Sie ist General Counsel beim World Fund, einem Venture-Capital-Fondsmanager, der in junge Unternehmen investiert, die Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels entwickeln.