Fachartikel

Einsatzmöglichkeiten von Legal Tech im Urheber- und Medienrecht

Im Bereich des geistigen Eigentums bieten sich spannende Möglichkeiten eines Einsatzes von Legal Tech. Florian Skupin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Urheber- und Medienrecht in München, gibt mit einem spezifischen Blick auf das Urheber- und Medienrecht einen Überblick über die Möglichkeiten nichtanwaltlicher Leistungsangebote, die mit der zunehmenden Digitalisierung des Rechts einhergehen.

Die Einsatzmöglichkeiten von Legal Tech im Urheber- und Medienrecht lassen sich grob in die drei verschiedenen Angebotstypen „Supportiv-Legal-Tech“, „rechtsgestaltendes Legal Tech“ sowie „rechtsdurchsetzendes Legal Tech“ einteilen. Zudem lassen sich die Legal-Tech-Angebote danach klassifizieren, ob ihr Einsatz auf der Kooperations-Ebene oder auf der Standalone-Ebene erfolgt. Auf der Kooperations-Ebene unterstützen nichtanwaltliche Leistungsangebote die Leistungserbringer im juristischen Bereich, indem etwa die Effizienz interner Prozesse erhöht wird. Auf der Standalone-Ebene können nichtanwaltliche Leistungsangebote hingegen disruptiv wirken, indem es zur Substitution bisheriger anwaltlicher Leistungsangebote kommt.

I. Supportiv-Legal-Tech

Supportiv-Legal-Tech wirkt auf der Kooperations-Ebene und unterstützt die bisherige juristische Leistungserbringung, indem etwa kanzleiinterne Prozesse automatisiert werden oder eine Software bei due diligence-Prüfungen unterstützt.

Einsatzmöglichkeiten im Bereich Urheber- und Medienrecht bestehen etwa bei der Etablierung eines Workflow-Managements zur Koordination des Aussprechens bzw. Abwehrens urheberrechtlicher Abmahnungen. Zudem sind im Supportiv-Bereich urheberrechtliche Lizenzschadensersatzrechner vorstellbar, auf deren Grundlage die Rechtsanwaltskanzleien den dem Rechteinhaber bei Urheberrechtsverletzungen zustehenden Lizenzschadensanspruch unter Zugrundelegung der Verletzungscharakteristika (im Bereich Fotorecht etwa: Dauer der rechtswidrigen Nutzung, redaktionelle Verwendung/kommerzielle Verwendung/Social Media-Verwendung, Urhebernennung ja/nein/lediglich als Mouseover, Urhebernennung eindeutig zuordenbar ja/nein) sowie unter Berücksichtigung ergangener Rechtsprechung und dem Lizenzmodell des Rechteinhabers evidenzbasiert einschätzen können. So lässt sich das Risiko minimieren, dass es zu einer Kürzung des häufig der richterlichen Schätzung gem. § 287 ZPO unterliegenden Lizenzschadensersatzbetrags und in der Folge ggf. einem teilweisen gerichtlichen Unterliegen kommt.

II. Rechtsgestaltendes Legal Tech

Rechtsgestaltendes Legal Tech nimmt gewissermaßen eine Zwitterstellung ein, denn entsprechende Angebote können sowohl auf der Kooperations-Ebene intern effizienzsteigernd wirken, als auch sich unmittelbar an die Rechtsuchenden selbst richten. Unter die Angebote dieser Kategorie lassen sich etwa Rechtsdokumentengeneratoren fassen, die auf der Grundlage von Nutzereingaben die ausgewählten Rechtstexte textbausteinbasiert erstellen. Ob entsprechende Rechtsdokumentengeneratoren, die von nichtanwaltlichen Dienstleistern betrieben werden, zulässig sind oder einen Verstoß gegen § 3 RDG begründen, ist Mitte Juni dieses Jahres Gegenstand der BGH-Verhandlung in Sachen „Smartlaw“ (Az. I ZR 113/20). Leistungsangebote im Bereich „rechtsgestaltendes Legal Tech“ sind auch im urheber- und medienrechtlichen Bereich sehr interessant. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich etwa mit Blick auf die Erstellung von urheberrechtlichen Lizenzverträgen oder Model-Release-Verträgen. Ein beispielhaftes Angebot findet sich etwa bei den Kollegen von Rights-Managed.de.

III. Rechtsdurchsetzendes Legal Tech

Das vielleicht größte Potential von Legal Tech im urheber- und medienrechtlichen Bereich geht mit Leistungsangeboten der Kategorie „rechtsdurchsetzendes Legal Tech“ einher. Entsprechende Angebote wenden sich unmittelbar an den Rechtsuchenden selbst und sind damit geeignet, in gewissen Bereichen zur Disruption einer anwaltlichen Vorreiterstellung zu führen. Betrachtet man den Begriff der Rechtsdurchsetzung aus einer rechtssoziologischen Perspektive, so können unter entsprechenden Leistungsangeboten nicht nur Inkassodienstleister verstanden werden, die unmittelbar für den Rechtsuchenden gegenüber dem Anspruchsgegner agieren, sondern ebenfalls Prozessfinanzierer bzw. gewerbliche Ankäufer von Forderungen, die mittelbar dazu beitragen, Rechtsuchenden den Zugang zum Recht zu vereinfachen, indem sie den Rechtsuchenden finanziell von den Rechtsmobilisierungskosten freistellen bzw. etwaige Rechtsansprüche unmittelbar abkaufen.

Beispiele für rechtsdurchsetzende Legal-Tech-Angebote finden sich mit spezifischem Blick auf das Urheber- und Medienrecht etwa im Bereich der Durchsetzung urheberrechtlicher Lizenzschadensersatzansprüche. So haben sich beispielsweise die gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG als Inkassodienstleister registrierten Anbieter LAPIXA und COPYTRACK darauf spezialisiert, für Fotografen und sonstige Rechteinhaber Lizenzschadensersatzansprüche nach auftretenden Bildrechtsverletzungen durchzusetzen. Ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt etwa auch der Anbieter Anticopy, nur dass die etwaig bestehenden Ansprüche der Rechteinhaber im Wege des Forderungskaufs final abgekauft werden. Durch die hiermit verbundene anbieterseitige Übernahme des vollen wirtschaftlichen Risikos bei der Anspruchsdurchsetzung unterfällt der gewerbliche Ankauf von Forderungen – anders als die Inkassodienstleistung – nicht dem Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes, d.h. ein entsprechendes Leistungsangebot ist bereits rein auf Grundlage einer Gewerbeerlaubnis nach § 14 GewO und ohne gesonderte Erlaubniserfordernisse realisierbar.

Das Beispiel der Durchsetzung urheberrechtlicher Schadensersatzforderungen verdeutlicht indes auch, dass sich die rechtsdurchsetzenden Aktivitäten von Legal-Tech-Anbietern häufig auf eine ganz spezifische Anspruchsnorm – hier § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG – konzentrieren. Hier bestehen mit Blick auf das Urheber- und Medienrecht ebenfalls noch zahlreiche weitere Möglichkeiten einer Positionierung. So wäre es beispielsweise denkbar, auf der Grundlage einer Registrierung als Rechtsdienstleister urheberrechtliche Nachvergütungsansprüche gemäß §§ 32, 32a UrhG für Rechteinhaber oder Schmerzensgeldansprüche nach Persönlichkeitsrechtsverletzungen, etwa nach Verstoß gegen §§ 23, 23 KUG, geltend zu machen.

Autor: Florian Skupin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Urheber- und Medienrecht in München

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