FachartikelLegal KI & ChatGPT

Einsatzmöglichkeiten von KI im Bereich der Rechtspfleger-Zuständigkeiten

Die Justiz ist in vielen Bereichen überlastet und sucht deshalb nach sinnvollen Unterstützungen. Bei KI gibt es insbesondere im Bereich der Ziviljustiz einige Überlegungen. Innerhalb der Justiz gibt es aber noch viel mehr.

Was ist eigentlich eine Rechtspflegerin?

Wir sind der zweite sachlich unabhängige Entscheider an den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Unser Studium findet an der Hochschule für den öffentlichen Dienst, Fachbereich Rechtspflege statt. Es ist als duales Studium aufgebaut und dauert insgesamt 3 Jahre. Es endet mit dem Abschluss Diplom-Rechtspfleger und befähigt für alle Tätigkeiten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Unser Tätigkeitsschwerpunkt ist die Freiwillige Gerichtsbarkeit und die Vollstreckung.

Bis Ende 2025 soll in allen Abteilungen der Justiz die elektronische Akte eingeführt sein. Damit liegt erstmals der Akteninhalt vollständig in digitaler Form vor. Dies bietet völlig neue Möglichkeiten, die wir nutzen müssen, um eine Zunahme der Aufgaben bei gleichzeitig immer schwieriger werdender Nachwuchsgewinnung bewältigen zu können.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat

Über allem steht für uns das Vertrauen der Bürger in den Rechtstaat. Der Einsatz von KI ist deshalb idealerweise so zu gestalten, dass das Vertrauen der Bürger in uns dadurch gestärkt wird. Der Bürger muss sich angehört und mitgenommen fühlen, er muss uns verstehen, er muss transparent erkennen, wie Entscheidungen zu Stande gekommen sind. Er soll sich aber auch auf den Schutz durch sachgerechte Prüfungen durch die Gerichte verlassen können. Keine optimale Lösung ist es meines Erachtens, die Prüfung der Berechtigung eines Antrags auf die Bürger zu verlagern.

Dafür tragen die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auch zukünftig die Verantwortung für ihre Entscheidungen. Nach pflichtgemäßem Ermessen legen wir die Vorschriften aus, bewerten den Sachverhalt und wägen ab, was im konkreten Einzelfall die angemessene Entscheidung ist.
Am Ende müssen Entscheidungen der Gerichte durch Menschen getroffen werden. Damit das nicht nur eine Floskel ist, müssen auch immer alle Zwischenschritte sichtbar und im Einzelfall anpassbar sein. Es muss stets erkennbar sein, welche Punkte eine KI geprüft hat und auf Grund welcher Angaben aus dem Akteninhalt sie zu ihrer Schlussfolgerung gekommen ist. Der Rechtspfleger muss eingreifen können, wenn eine Ausnahme von der Regel vorliegt und gegen den Entscheidungsvorschlag der KI votieren können. Andernfalls hätte man eine automatisierte Einflussnahme auf die endgültige Entscheidung, eine Art Blackbox.

Unterstützungsarbeiten

Die KI kann aber viel zu unserer Unterstützung leisten:

LLM könnten unsere juristischen Texte in leichter verständliche Sprache übersetzen.

Beim Betreuungsgericht bekommen Menschen, die zB wegen einer geistigen Schwäche, nicht mehr in der Lage sind, sich um alle Angelegenheiten des Lebens selbst zu kümmern, einen Betreuer zur Seite gestellt. In diesem Bereich könnte die Berechnung der Betreuervergütung und die Kontrolle der Abrechnung des Betreuers, kombiniert mit einer Belegerkennungssoftware, unterstützt werden.

Im Nachlassgericht ermitteln wir in Bayern bei jedem Todesfall die Erben und stellen das Ergebnis durch einen Erbschein fest. Durch die digitale Verwaltung aller Erbscheine in einem elektronischen Gültigkeitsregister könnte die Einziehung eines unrichtig gewordenen Erbscheins schnell und rechtssicher erfolgen.

Das Registergericht führt öffentliche Verzeichnisse für Firmen und Vereine. Hier wird an einem Projekt geforscht, dass automatisiert die Daten der notariellen Urkunden mit den Daten aus dem Register vergleichen können soll, optimal mit einem Link auf die Fundstelle, zB in der Satzung.

Ähnliches könnte man sich auch für das Grundbuch vorstellen, in dem alle relevanten Daten von Immobilien eingetragen sind und über Anträge auf Änderungen entschieden wird. Daten aus den notariellen Urkunden könnten bereits automatisiert in die Justiz-Datenbank bereitgestellt werden, um sie für die Eintragung übernehmen zu können.

Es gibt viele unterschiedliche Vollstreckungsmöglichkeiten, wie Pfändungen, Zwangsversteigerungen oder Insolvenzverfahren.

Vorprüfungen durch den Datenabgleich aus Titeln mit den Vollstreckungsanträgen könnten auch im Bereich der verschiedenen Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten hilfreich sein. Hier wäre auch ein Titelregister im Rahmen eines elektronischen Urkundenarchivs mit Zugang für alle Vollstreckungsorgane zur vollstreckbaren Ausfertigung hilfreich.

Insolvenzanträge könnten auf Vollständigkeit vorgeprüft werden. Schön wäre eine Auswertung der digitalen Akte nach Vermögensgegenständen und deren Verwertung. In das Schlussverzeichnis könnten die Werte aus der geprüften Tabelle automatisiert einfließen.

Werden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse digital eingereicht, könnten auch diese bei einfachen Anträgen vorgeprüft werden.

Im Rahmen der Kostenfestsetzung könnte die e-Akte selbständig ausgewertet werden im Hinblick auf den Streitwert und ob eine mündliche Verhandlung und eine Beweisaufnahme stattgefunden hat. Eine Berechnung der einzelnen Gebühren und den sich daraus ergebenen weiteren Auslagen als Vorschlag wäre gut.

Für Bürger wäre neben der persönlichen Rechtsantragstelle eine zusätzliche digitale Rechtsantragstelle mittels eines chatbot-Verfahrens hilfreich, der mit intelligenten Fragen und guten Erklärungen ort- und zeitunabhängig sachgerechte Anträge ermöglicht. Ein Tool, das einen persönlichen Termin so vorbereitet, dass dort dann alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stehen, kombiniert mit einer Terminvereinbarung wäre ebenfalls eine schöne Sache.

Für Bürger mit geringem Einkommen gibt es Prozesskosten- und Beratungshilfe. Ein Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe wäre online denkbar. Die Berechtigungsscheine könnten in einem digitalen Register verwaltet werden und die Abrechnung der Rechtsanwälte könnte ebenfalls digital erfolgen.

Bei der Entscheidung über Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe könnten die wirtschaftlichen Verhältnisse automatisiert berechnet werden.

In der Strafvollstreckung werden Geld- und Freiheitsstrafen vollstreckt. Im Bereich der Geldstrafenvollstreckung wäre eine automatisierte Überwachung der Ratenzahlung hilfreich.

In jedem Fall muss immer klar ersichtlich sein, was die KI geprüft hat, was sie glaubt, gefunden zu haben und was sie daraus schlussfolgert. Und es muss immer eine Eingriffsmöglichkeit für einen abweichenden Einzelfall geben, falls die KI das Problem nicht oder nicht richtig erkannt hat. Damit am Schluss der Mensch die Entscheidung getroffen hat und diese auch verantwortet. Damit der Bürger auch weiterhin Vertrauen in die Justiz hat.

Autorin: Claudia Kammermeier ist Rechtspflegerin am Amtsgericht Rosenheim. Seit Dezember 2020 ist sie die Vorsitzende des Verbands Bayerischer Rechtspfleger. Mit dem Thema KI in der Justiz beschäftigt sie sich seit einigen Jahren.

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