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Digital zu Notar:innen gehen – geht das in Deutschland?

Das europäische Notariat digitalisiert sich. Auch in Deutschland. Zumindest ein bisschen. Andere europäische Staaten sind deutlich fortschrittlicher. Wie funktionieren Remote Online Notarization (RON)? Was ist in Deutschland heute und in Zukunft möglich?

Digital signieren bei Notar:innen in Europa

Die EU-Digitalisierungsrichtlinie schreibt vor, dass es künftig einen vollständig digitalen Prozess zur Gründung von GmbHs geben muss. Sofern dafür ein Errichtungsakt bei Notar:innen notwendig ist – wie in Deutschland und vielen anderen EU-Mitgliedstaaten – umfasst das auch diesen notariellen Errichtungsakt. Die (schon verlängerte) Umsetzungsfrist dafür läuft Mitte 2022 ab. Ab dann wird es also möglich sein, GmbH-Gründungen bei deutschen Notar:innen auch digital durchzuführen. Außerdem ermöglicht es der deutsche Gesetzgeber auch, dass Anmeldungen zum Handelsregister digital beglaubigt werden. Abgesehen davon werden aber keine digitalen notariellen Dienstleistungen bei deutschen Notar:innen möglich sein.

Andere europäische Staaten sind hier deutlich weiter. Schon heute ist es etwa bei österreichischen Notar:innen möglich, fast alle Dienstleistungen auch digital in Anspruch zu nehmen. Ausgenomen sind lediglich letztwillige Verfügungen (Testamente).

Funktionsweise von RON

Die Unterschrift bei Notar:innen kennen wir in erster Linie analog. Dieser analoge Prozess ist in Europa jetzt zunehmend auch digital möglich. Im Wesentlichen funktionieren RON nach einem sehr ähnlichen Muster. Die Herzstücke einer RON sind:
Die digitale Identifikation der Beteiligten,
ein Videochat zur Abwicklung der RON,
eine elektronische Signatur zur Unterzeichnung der elektronischen Dokumente.

Digitale Identifikation

Eine der ganz wesentlichen Funktionen einer Notar:in ist die Identifikation der Parteien die signieren. In der Regel funktioniert das durch die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises. Das ist digital nicht möglich, sodass andere Formen der Identifikation gefunden werden müssen.

In Deutschland wird die Identifikation ausschließlich anhand der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises möglich sein. Deutsche Personalausweise enthalten einen NFC-Chip, der mittels einer App am Smartphone ausgelesen werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses Verfahren als praxistauglich erweisen wird. In den meisten Personalausweisen dürfte die Online-Funktion aktuell noch deaktiviert sein. Für Unionsbürger:innen wird die Identifikation bei deutschen Notar:innen schwierig sein – insbesondere dann, wenn es im eigenen Heimatmitgliedstaat noch keine Online-Ausweisfunktion gibt. Für nicht-Unionsbürger:innen ist eine Identifkation bei deutschen Notar:innen nicht möglich, sodass diese auch keine Online-Services in Anspruch nehmen werden können.

In Österreich besteht daneben auch die Möglichkeit, sich in einem videogestützten Verfahren identifizieren zu lassen. Solche Video-Idents sind etwa von der Eröffnung eines digitalen Bankkontos bekannt. Die digitalen Möglichkeiten sind damit schon aus diesem Grund im österreichischen Notariat deutlich flexibler.

Insgesamt wäre es jedoch insgesamt begrüßenswert, wenn die Mitgliedstaaten alle Identifizierungssysteme zulassen, die nach der eIDAS-VO das Sicherheitsniveau „hoch“ erfüllen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch laufend technische innovative Identifizierungssysteme bei Notar:innen eingesetzt werden.

Elektronische Signatur

Die Signatur in digitalen Terminen bei Notar:innen erfolgt elektronisch. In Deutschland müssen dafür qualifiziert elektronische Signaturen (QES) eingesetzt werden. QES sind nach der eIDAS-VO eigenhändigen analogen Unterschriften gleichgesetzt. Entgegen teilweise verbreiteter Meinung, ist für die Erzeugung einer QES keine Signaturkarte und kein Kartenlesegerät zwingend erforderlich.

Die Besonderheit an elektronisch signierten Dokumenten besteht darin, dass Informationen im PDF-Dokument eindeutig den Unterzeichner identifizieren können. Außerdem wird erkannt, wenn das Dokument nachträglich verändert wurde. Elektronische Signaturen haben damit insofern große Sicherheitsvorteile gegenüber eigenhändigen Signaturen. Diese Funktionen der elektronischen Signatur gehen allerdings verloren, wenn das Dokument ausgedruckt wird. Insgesamt ist zu beobachten, dass es noch viel Aufklärung darüber bedarf, was elektronische Signaturen sind und wie diese funktionieren.

Grenzüberschreitende digitale notarielle Dienstleistungen

Digitale Termine bei Notar:innen haben offensichtlich große Vorteile für Klient:innen. Zu nennen sind etwa die großen zeitlichen Einsparungen, die örtliche Flexibilität oder die Errichtung von genuin digitalen Urkunden, die leichter abgelegt und weiterverarbeitet werden können. Wegen der eingeschränkten digitalen Möglichkeiten bei deutschen Notar:innen werden grenzüberschreitende digitale notarielle Dienstleistungen zukünftig wohl eine größere Rolle spielen. Anhand unserer Erfahrungen bei notarity soll exemplarisch dargestellt werden, wie das funktioniert.

Beglaubigungen

Wie bereits dargestellt dürfen österreichische Notar:innen fast uneingeschränkt ihre Dienstleistungen auch digital anbieten. Zwischen Österreich und Deutschland besteht ein bilateraler Vertrag, nach dem Beglaubigungen im jeweils anderen Staat von jedem weiteren Echtheitsnachweis befreit werden. Das heißt, dass in Österreich beglaubigte Dokumente auch in Deutschland ohne Apostille verwendet werden können. Von daher bietet es sich an, Beglaubigungen die bei deutschen Notar:innen nicht digital durchgeführt werden können, digital bei Notar:innen aus Österreich zu erledigen.

Notarity bietet dafür eine Abwicklungsplattform, auf der die Infrastruktur für digitale notarielle Dienstleistungen geboten wird. Ein Use-Case der bereits häufig für den Einsatz in Deutschland durchgeführt wird, ist die digitale Errichtung von Vollmachten. Einen großen Mehrwert bietet das etwa dann, wenn die Vollmachtgeber:in im Ausland sitzt. Es ist dann nicht mehr erforderlich, dass diese in ihrem Heimatstaat zur Notar:in geht, die Vollmacht beglaubigen lässt und anschließend eine Apostille einholt. Vielmehr kann die Vollmacht bequem und in wenigen Minuten online beglaubigt werden.

Die online beglaubigte Vollmacht liegt dann auch kurz nach dem Termin als digitales Dokument vor und muss nicht mehr per Post verschickt werden. Bei dem elektronisch signierten Dokument handelt es sich um das Original, das auf digitalem Wege übermittelt werden kann. Es existiert keine physische Urkunde mehr. Hier kommt es gelegentlich zu Unsicherheiten, da es noch kein grundlegendes Verständnis zur Funktionsweise von elektronischen Signaturen gibt. Jedenfalls sollten diese digitalen Urkunden nicht ausgedruckt und so vorgelegt werden, da ansonsten die elektronischen Signaturen – bis auf ihren optisch sichtbaren Part – verloren gehen.

Beurkundungen

Auch bei Beurkundungen ist es grundsätzlich denkbar, dass diese digital bei Notar:innen aus Österreich abgewickelt werden können. Nach unserem Verständnis der Rechtsprechung des BGH können Notar:innen aus Österreich deutsche Notar:innen im Wege der Substitution ersetzen. Damit ist es auch möglich, dass Notar:innen aus Österreich nach deutschem Recht beurkundungspflichtige Vorgänge abwickeln. Über notarity wurde hier bereits der erste Fall im Bereich der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH abgewickelt. Das dürfte am deutschen Markt ein absolutes Novum gewesen sein.

Anmeldung zum Handelsregister

Bei einer digitalen Abwicklung über Notar:innen aus Österreich stellt sich außerdem die ganz praktische Frage, wie eine Anmeldung der Dokumente zu deutschen Handelsregistern erfolgen kann. Den Notar:innen aus Österreich fehlt die hierfür erforderliche Schnittstelle. Allerdings können Notar:innen aus Deutschland ihre Schnittstellen dafür nutzen und die Dokumente als Boten der Notar:innen aus Österreich einreichen. Notarity verfügt dazu über ein Netzwerk unter deutschen Notar:innen, welches die Abwicklung so gelingen lässt.

Ausblick

Ganz klar ist, dass sich die Welt in allen Bereichen digitalisiert. Die COVID-Pandemie hat diesen Trend noch einmal massiv beschleunigt. Zumindest bei geschäftlichen Vorgängen gehen wir bei notarity damit davon aus, dass in fünf Jahren der digitale Gang zu Notar:innen die Regel und nicht die Ausnahme darstellen wird. In den USA gibt es diesen Trend bereits. Auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickeln sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für digitale notarielle Dienstleistungen aktuell schnell weiter.

Leider hat Deutschland in diesem Bereich einen Regulierungsrahmen beschlossen, der dazu führen könnte, dass Deutschland hier Digitalisierungsschlusslicht in Europa wird. Der rechtliche Rahmen lässt wenig Raum für Innovation, sondern versucht bestehende Strukturen vor Veränderung zu schützen. Veränderung von Strukturen bedeutet allerdings nicht Verschlechterung. Vielmehr muss sich jede Branche ständig weiterentwickeln, um nicht abgehängt zu werden. In einer globalisierten Welt werden auch Notar:innen stärker und stärker dem Wettbewerb aus anderen Ländern ausgesetzt sein. Sei es durch die Substitution durch Notar:innen aus anderen Ländern oder die zunehmende Abwanderung von Unternehmen, da auch dieser Faktor bei der Standortwahl eine Rolle spielen kann. Für ein starkes deutsches Notariat wird es daher notwendig sein, die beschlossenen Rahmenbedingungen nachzuschärfen.

Auch wenn der rechtliche Rahmen nicht viel zulässt entwickeln wir bei notarity schon heute in Zusammenarbeit mit deutschen Notar:innen erste digitale Produkte. Wir hoffen dadurch einen Anstoß geben zu können, der auch zu mehr Mut bei den politischen Entscheidungsträgern führt, einen rechtlichen Rahmen zu beschließen, der auf Augenhöhe mit Nachbarländern in Europa ist.

Autor: Jakobus Schuster ist Gründer und Geschäftsführer der notarity GmbH. Er ist deutscher Volljurist mit vielen Berührungspunkten zu digitalen Themen. Er studierte selbst ein Jahr lang Informatik und war juristisch bisher hauptsächlich mit der Beratung zu Themen mit Bezug zur Blockchaintechnologie betraut. Die notarity GmbH wurde 2021 in Wien gegründet. Sie entwickelt und betreibt eine Webplattform auf der notarielle Dienstleistungen vollständig digital abgewickelt werden können. Im März 2021 können über notarity digitale Termine ausschließlich mit Notar:innen aus Österreich abgewickelt werden. Die Expansion in weiter europäische Länder wird vorbereitet.

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