Fachartikel

Das neue Rechtsberatungskonzept der YLEX AG

Ioannis Martinis ist Head of Legal Tech der Schweizer Coop Rechtsschutz AG und Kommunikationsverantwortlicher der YLEX AG. Die YLEX AG bietet einen völlig neuen und modernen Rechtsberatungsansatz, bei dem eine Rechtsberatung sowohl digital über ylex.ch, als auch in einem neuartigen Walk-in Konzept in der Innenstadt, das an einen Apple Store erinnert, angeboten wird. Lesen Sie im folgenden ein Interview mit Herrn Martinis über dieses revolutionäre Konzept.

LTV: Herr Martinis, wie und wann sind Sie auf die Idee gekommen YLEX zu starten?

Ioannis Martinis: Die Idee, einen Walk-in für Rechtsberatungen zu kreieren, ist uns bereits vor einigen Jahren gekommen. Sie hat sich aber seit ihren ersten Ansätzen stark verändert und weiterentwickelt. Das übergeordnete Ziel war es stets, möglichst vielen Menschen einen niederschwelligen, unkomplizierten Zugang zum Recht zu ermöglichen. Kompetente Rechtsberatung und juristische Unterstützung für alle. Und das, wie es der Claim schon sagt, recht einfach.

LTV: Sie bieten Rechtsberatung zu Festpreisen in Ihrem Store in Bern, aber auch telefonisch und online an. Warum setzen Sie auf einen echten Store, wo doch heute immer mehr nur noch online stattfindet?

Ioannis Martinis: Eine berechtigte Frage. Wir sind davon überzeugt, dass Rechtsberatung und juristische Unterstützung ein hohes Mass an Vertrauen erfordert. Dieses Vertrauen schaffen wir mit unseren Stores. Den Store kann man besuchen und sich selber davon überzeugen, dass hier Juristinnen und Juristen arbeiten, die über hohe fachliche Kompetenz verfügen und eine abstrakte, komplexe Materie wie Recht greifbar und verständlich machen können. Der Übergang zwischen online und offline, zwischen analog und digital, erfolgt bei YLEX fliessend. Man kann sich im Store ein Bild von YLEX machen und trotzdem sämtliche Rechtsberatungen online und von zu Hause aus in Anspruch nehmen. Oder umgekehrt, online eine Ersteinschätzung buchen und dann trotzdem mit Unterlagen im Store vorbeigehen. Und selbstverständlich kann man auch einfach anrufen. Ganz im Sinne des vielbeschworenen „Customer-Centric Approach“.

LTV: In welchen Rechtsgebieten kann man erste Einschätzungen erfragen? Und wie geht es für den Erfragenden nach der ersten Einschätzung weiter? Bieten Sie dann auch weiterführende Rechtsberatung, wie eine klassische Kanzlei?

Ioannis Martinis: Wir halten das Angebot bewusst breit und offen. Unsere Kernkompetenz konzentriert sich auf die Lebensbereiche Arbeit, Familie, Konsum, Mobilität, Erben, Vorsorgen und Wohnen. Insbesondere hier bieten wir nicht nur Ersteinschätzung an, sondern auch vertiefte juristische Beratungen inklusive Prüfung von Unterlagen und entsprechenden Handlungsempfehlungen. Darüber hinaus bieten wir auch konkrete juristische Unterstützung in Form von Schreiben bspw. an eine Gegenpartei oder Gesuche an Behörden an.

LTV: Wie ist der weitere Ausbau der Stores geplant?

Ioannis Martinis: Wir haben nun unseren ersten Store am Hirschengraben 8 in Bern eröffnet und damit in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Bern. Es folgen 3 weitere Stores in Zentrumslage in Winterthur, St. Gallen und Zürich.

LTV: Wie viele Anwälte beschäftigen Sie im Store und telefonisch bzw. online?

Ioannis Martinis: In jedem Store arbeiten 5 Juristinnen und Juristen. Nach der Eröffnung des vierten Stores werden wir somit gut 20 Juristinnen und Juristen teilweise mit und ohne Anwaltspatent haben. Da wir uns auf die aussergerichtliche Unterstützung konzentrieren, ist das Anwaltspatent keine Notwendigkeit um kompetente juristische Beratung und Unterstützung anzubieten. In der Schweiz gibt es kein Rechtsdienstleistungsgesetzt, das die Beratungstätigkeit dermassen einschränkt wie in Deutschland. Das ganze Team verfügt zudem über Berufserfahrung, die es braucht, um sich schnell in einem breiten Feld von juristischen Fragen zurechtzufinden und fachkundige Antworten zu liefern.

LTV: Wie sind Ihre ersten Erfahrungen mit den Kunden. Wird das Angebot angenommen?

Ioannis Martinis: Wie zu erwarten war, müssen sich die Kundinnen und Kunden erst noch daran gewöhnen, dass man nun ohne Weiteres in einen Store hereinspazieren und eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen kann. Umso schöner sind dann aber die positiven Feedbacks. Die Entwicklung ist bisher insgesamt erfreulich.

LTV: Denken Sie, dass Ihr Konzept klassische Anwälte teilweise vom Markt verdrängen wird?

Ioannis Martinis: Sie wissen, dass ich als Jurist jetzt antworten muss: Es kommt drauf an. Aber schauen Sie sich die Situation in Deutschland an. Gemäss einer Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vermeiden es 71% der Betroffenen in Deutschland bei rechtlichen Auseinandersetzungen einen Anwalt zu konsultieren – aus Angst vor den Kosten. Die Situation in der Schweiz dürfte vergleichbar sein. Klassische Anwaltskanzleien scheinen also fast drei Viertel aller Ratsuchenden mit ihrem Angebot nicht zu erreichen und trotzdem haben die meisten mehr als genug Arbeit. Wir setzen mit unserem Konzept die Schwelle für rechtliche Unterstützung herunter. Mit unseren verhältnismässig günstigen Ersteinschätzungen schaffen wir bei den Menschen ein Bewusstsein für die eigenen Rechtsansprüche. Wir liefern Informationen, die ihnen vorher gefehlt haben und sie davon abgehalten haben, überhaupt rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und weil wir uns auf die aussergerichtliche Unterstützung konzentrieren, arbeiten wir selbstverständlich mit einem guten Netzwerk von erfahrenen, externen Anwältinnen und Anwälten zusammen, wenn der Fall vor Gericht ausgetragen werden muss. Wir betrachten uns deshalb nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur klassischen Anwaltskanzlei.

LTV: Aus Erfahrungen mit ähnlichen Konzepten in Deutschland: Gibt es bei Ihnen negative Reaktionen aus der Anwaltschaft auf Ihr Festpreis-Angebot oder ist dies bereits Normalität in der Schweiz?

Ioannis Martinis: Wir haben bisher keinerlei negative Reaktion aus der Anwaltschaft erhalten. Den meisten Anwältinnen und Anwälten ist bewusst, dass der Rechtsmarkt in Bewegung geraten ist und neue Angebote entstehen. Festpreise gehören auch in der Schweiz noch nicht zur Normalität. Wir erachten jedoch unser gestuftes Preismodell als zeitgemäss und transparent. Für CHF 60.— erhalten Ratsuchende eine Ersteinschätzung aus juristischer Sicht. Für weitere CHF 100.— eine vertiefte juristische Beratung inklusive Akteneinsicht. Und ab weiteren CHF 100.— bieten wir auch konkrete Interventionen an. Der Kunde weiss zu jedem Zeitpunkt, was der nächste Schritt kostet. Wir verkaufen keine Zeiteinheiten. Es liegt somit auch in unserem Interesse speditiv und effizient an die Rechtsfälle heranzugehen.

LTV: Wie sehen Sie generell die Zukunft von Kanzlei-Juristen in der Schweiz, bezogen auf die Digitalisierung und Legal Tech in den nächsten 10 Jahren?

Ioannis Martinis: Während sich die juristische Arbeit in den letzten Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten im Kern kaum grundlegend verändert hat, befinden wir uns nun mitten im digitalen Holozän. Wir sehen wie neue Anbieter mit neuen Geschäftsmodellen auf den Rechtsmarkt drängen. Eine Mischung aus Kostendruck, Liberalisierung des Rechtsmarkts und weiteren technologischen Fortschritten verändert grundlegend die Art und Weise wie Rechtsdienstleistungen zukünftig angeboten und konsumiert werden. Sofern sich dies für die Bürger in einem besseren Zugang zum Recht niederschlägt, ist diese Entwicklungen auch aus rechtsstaatlicher Sicht überaus erfreulich.

LTV: Vielen Dank Herr Martinis für das interessante und aufschlußreiche Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

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