FachartikelLegal Tech Rechtsabteilung

„Contracts are the meeting of minds not words“ – Buchbesprechung: Research Handbook on Contract Design

Das Buch „Research Handbook on Contract Design“ der Herausgeber:innen Marcelo Corrales Compagnucci, Helena Haapio und Mark Fenwick hätte schon vor 10 Jahren veröffentlicht werden sollen. Das hätte der Autorin einige Zeit erspart. Warum?

Sie hätte dann früher damit hätte beginnen können

1) darüber nachzudenken, wie man Verträge und Recht aus verschiedenen Blickwinkeln und nicht nur aus der juristischen Perspektive betrachten kann und

2) diese Erkenntnisse auch praktisch anzuwenden.

Rezension

Das Buch besteht aus 5 Hauptchapters, die die verschiedenen Stationen eines Vertrages (craddle2grave) und seiner Skalierbarkeit abdecken. Es führt aus, wie man Methoden aus anderen Fachgebieten, z.B. Linguistik oder Design Thinking berücksichtigen und bewerten sollte. Es beleuchtet auch neue juristische Denkansätze, die sich eben aus dieser Diversität der Forschungsgrundlagen entwickelt haben. #proactivelaw.

1. Chapter: “Rethinking contract: From drafting to design”

Die Autoren geben in diesem einleitenden Teil einen Überblick, warum und wie Verträge und deren Management überdacht und möglicherweise auch kritisch analysiert werden müssen. Eines der herausragenden Kapitel in diesem ersten Teil ist der historische Überblick über Verträge, ihr Wie und Warum. Die anderen Kapitel in diesem 1. Chapter führen in das Leitmotiv des Buches ein: „Die Notwendigkeit, bei der Arbeit mit Verträgen in allen Phasen einen multidisziplinären Ansatz zu verfolgen“.

2. Chapter: “Why Contract design matters: rethinking the business and legal purpose and functions of contracts”.

Die in diesem Kapitel vermittelten Inhalte und Erkenntnisse ermöglichen es dem Leser, den akademischen und wissenschaftlichen Hintergrund zu verstehen, warum Design als Wissenschaft für die Vertragsgestaltung von Bedeutung ist. Die faszinierendsten und neuartigsten Erkenntnisse werden im Kapitel über den „funktionalen Vertragsrahmen“ und seine Erkenntnisse über Forschungs- und Bewertungsmodelle für Verträge dargelegt. Es geht weiter mit dem Kapitel über die Vermischung von u.a. Linguistischen Genres und die Gestaltung von Verträgen und beschreibt, wie eine derartige Vermischung speziell Jurist:innen in andere Dimensionen des Denkens über und der Gestaltung von Verträgen einführt. Es erklärt, wie verschiedene Genres sowie Theorien der Sprachwissenschaft zu verwenden und zu berücksichtigen sind, um die Zugänglichkeit und das Verständnis von Verträgen für ihre Nutzer zu verbessern. Nutzer in diesem Kontext sind dann eben nicht Jurist:innen, sondern auch Personen/Funktionen, die z.B. mit dem Inhalt des Vertrags arbeiten und ihn verwalten.

3. Chapter: “Designing better contracts for business and legal purposes”

Dieses 3. Chapter beginnt mit einem „großen Knall“. Die wahre Geschichte der finnischen Anwältin Tuula Pere, die sich erst kürzlich mit Innovation im Recht vertraut gemacht hat. Sie vergleicht ihre Erfahrungen mit den neu gewonnenen Erkenntnissen über Vertragsgestaltung und teilt ihre sehr interessanten und aufschlussreichen Erkenntnisse mit dem Leser. Die anderen Kapitel bieten praktische und sehr gut erklärte Einblicke, wie man Verträge besser gestalten und messen kann.

4. Chapter: “When text alone is not enough: Visual contracts.”

Das Chapter beschreibt anhand von Beispielen aus der Praxis, wie visuelle Darstellungen in Verträgen verwendet werden sollten. Das interessanteste Kapitel ist jenes über die „Interpretation von Bildern in Verträgen“. Das heißt, wie werden Richter auf Visulisierung in Verträgen reagieren. Dieses Thema wird seit einigen Jahren von vielen Anwälten und Vertragsmanagern wild diskutiert, da es ein immer wiederkehrendes Problem war. Und diese Unklarheit behinderte die Akzeptanz von visuellen Elementen in juristischen Dokumenten. Das Chapter gibt einen Überblick über die verschiedenen Antworten und schlägt vor, welche anderen Themen rund um dieses Thema berücksichtigt werden müssen. Erfreulicherweise dies alles auch in einem internationalen Kontext und mehreren Jurisdictionen.

5. Chapter: “What does the future hold? Designing for humans and machines.”

Dieses Kapitel ist wiederum eine sehr gelungene Mischung aus theoretischen und praktischen Informationen. Es berührt die Fragen, die von juristischer Lehre, Praktikern und Legal Tech Anbietern diskutiert werden, wenn es um Legal Tech im Allgemeinen und deren Zukunft geht. Dies alles unter dem bewiesenermaßen wichtigsten Gesichtspunkt, juristische Dokumente benutzerfreundlicher zu gestalten. Z.B. wird beschrieben, wie und warum ein eher technokratischer mit einem linguistischen Ansatz verbunden werden soll.

Das Kapitel schließt mit einem Einblick in die Zukunft von Anwälten, ihren Kunden und der entsprechenden Technologie. „Wir sind an Technologie interessiert, aber nicht an solchen Technologien, die die übermäßig legalistischen und unfreundlichen Verträge der Vergangenheit aufrechterhalten oder reproduzieren“ (Kapitel 23, Seite 421). Diese Aussage ist vielleicht eine der wichtigsten in diesem Buch, da sie oft vergessen wird. Typischerweise übertrumpft die Faszination und Begeisterung für neue Technologien Themen wie Menschen und Prozesse zuerst, dann die Plattform. Die Autoren skizzieren sehr gut, was z.B. die Funktion von Verträgen sein sollte und wie Anwält:innen ihre Rolle als Jurist:innen neu definieren oder erweitern müssen. Das Buch konzentriert sich im Abschluss auf neue, aufkommende Technologien mit einer gehörigen und vernünftigen Portion Kritik und Skepsis.

Zusammenfassung

Das Buch enthält äußerst wertvolle Informationen für Anwält:innen, Vertragsmanager:innen und Personen, die Verträge verwenden oder mit ihnen arbeiten. Als Forschungshandbuch bietet es eine Vielzahl ausgezeichneter Quellen mit wertvollen Informationen, um die Forschung zur Vertragsgestaltung zu intensivieren.

Ein kleiner Wermutstropfen: Die Autoren praktizieren nicht oft genug, was sie „predigen“. Sowohl die Informationsgestaltung als auch die Sprache ist teilweise sehr klassisch im Stil der „akademischen Forschung“ gehalten. Glücklicherweise wird dies in mehreren Kapiteln durch Visualisierung und einen UX freundlicheren Stil unterbrochen.

Persönliche Anmerkung:

Neben dem Buch „Legal Design Thinking“ von Kohlmeier & Klemola eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren zu dem Thema Innovation, Recht und Verträge gelesen habe.

Ich habe in den letzten Jahren selbst viel zum Thema recherchiert, gelesen, diskutiert und nachgedacht. Erfreulicherweise hat dieses Buch auch für mich eine grosse Menge neuer Inspirationen, Einsichten und Ergebnisse geliefert, die ich nicht missen möchte. #longlifelearning

Finale Buchbewertung


Easiness to read and understand …… 70%
Easiness to implement ……………………… 74%
Information Design …………………………….. 47%
Grafic Design ……………………………………….. 47%
Must-read-recommandation ……………. 99%

Autorin: Ines Curtius studierte Jura, da sie “das Recht” durch ihren Vater, Rechtsanwalt und Kommunalpolitiker, als soziales, politisches und gerechtes System wahrgenommen hatte. Daraus entwickelte sich die ♥4law. Sie wollte juristische Inhalte so gestalten/übersetzen, dass die Menschen, denen das Recht helfen und ihr Zusammenleben regeln soll, es wirklich verstehen, um so das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Ihre wichtigsten Fachgebiete nach 20 Jahren Erfahrung in der Raumfahrtindustrie sind: internationales Wirtschaftsrecht, CLM, Design Thinking, Initieren und Umsetzung innovativer Projekte. In 2022 war sie Vollzeit pflegende Angehörige für ihren Ehemann. Ende 2022 wird sie wieder in den juristischen Bereich wechseln, als Justiziarin eines grünen Start-up.

- WERBUNG -