Anwendung von Managed Legal Services bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Interview mit Ronny Weigler und Henrik-Christian Baumann von der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zum Thema „Managed Legal Services“ und deren Entwicklung und Anwendung.
LTV: Sehr geehrter Herr Weigler, Sie sind Leiter bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Bereich „Managed Legal Services“. Was sind „Managed Legal Services“ und worin besteht Ihre Aufgabe dabei?
Weigler: Bei Managed Legal Services stehen ein standardisiertes, prozessorientiertes Vorgehen, eine bessere Arbeitsteilung und der Einsatz von Workflowmanagementsystemen im Vordergrund. Im Kern sind es Produktinnovationen, die bestehende juristische Dienstleistungen ergänzen oder Dienstleistungen mit neuem, großen Mehrwert erst möglich machen.
LTV: Also ist Managed Legal Services ein anderer Begriff für Legal Tech?
Weigler: Grundsätzlich würde ein Managed Legal Service auch ganz ohne IT-Einsatz funktionieren, nur ist die Skalierbarkeit dann limitiert. Erst durch den Einsatz von IT ist eine hohe Prozessqualität gewährleistet. Dadurch können Kollegen und Kolleginnen beispielsweise standortübergreifend und ohne zeitliche Brüche am selben Vorgang arbeiten und vieles mehr. Insofern wird bei unseren Managed Legal Services sehr früh analysiert, ob IT helfen kann. Auf der anderen Seite befasst sich die große „Klammer“ Legal Tech auch mit kanzlei-internen Abläufen. Ziel sind die verbesserte Arbeitsorganisation, Bearbeitungseffizienz oder besseres Dokumenten- und Vertragsmanagement. Dabei kann es sich, muss es sich aber nicht zwingend, um eine Dienstleistung für den Auftraggeber handeln.
LTV: Sie sind kein Jurist, sondern Betriebswirt. Inwiefern ist Ihre Arbeit mit der Ihrer juristischen Kollegen verknüpft?
Weigler: Der Erfolg neuer Produktideen liegt im Verständnis über die Marktgegebenheiten, die Kundenbedürfnisse und des Rechtsgebietes. Insofern arbeite ich in der Produktentwicklung, dem Vertrieb und der Bearbeitung immer mit den Fachanwälten zusammen. Herr Baumann und ich haben mit viel Leidenschaft das Produkt Vergabeservice 360 entwickelt, welches öffentlichen Auftraggebern hilft, ihre Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen rechtskonform, digital und effizient an die KPMG Law auszulagern.
LTV: Herr Baumann, Sie sind Partner bei KPMG Law und Fachanwalt für Vergaberecht. Wie stellt sich die Arbeit in multidisziplinären Teams aus Ihrer Sicht dar?
Baumann: Multidisziplinäre Zusammenarbeit ist unerlässliche Voraussetzung und Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung neuer Ideen und Produkte. Das gilt für Innovationen im Rechtsmarkt ganz besonders. Das Entstehen mehrwertstiftender neuer Lösungen hängt maßgeblich davon ab, dass juristisch-fachliche Expertise, Prozess- und Produktentwicklungsexpertise sowie IT-Expertise gleichermaßen offen und engagiert zusammenwirken. Bei der Entwicklung von Vergabeservice 360 mit Herrn Weigler konnte ich persönlich erfahren, wie viel Potential in einem solchen Zusammenwirken steckt. Das gilt sowohl für das Ergebnis als auch für die gesammelten Erfahrungen auf dem Weg dorthin. In multidisziplinären Teams „dabei zu sein“ trägt im Besonderen auch zur persönlichen Motivation, Entwicklung und Bindung unserer Mitarbeiter bei.
LTV: Werden eine eventuell anzufertigende Software oder nötige Schnittstellen (APIs) bei Ihnen In-House programmiert oder greifen Sie auch auf externe Developer zurück, Herr Baumann?
Baumann: Wir haben in dem beschriebenen multidisziplinären Team sowohl fachliche, prozessuale als auch IT-bezogene Anforderungen abgeleitet und den Markt für Workflowsysteme intensiv analysiert. Wir waren zwar nicht überrascht, Provider zu identifizieren. Als wir uns die Systeme dann aber in Präsenzterminen angeschaut haben, waren wir positiv überrascht, was heute schon alles geht. Es lohnt sich also, Drittsysteme zu lizenzieren. Aber: Ganz wesentliche Funktionsblöcke fehlen häufig, die wir dann ergänzen müssen. Insofern verwenden wir häufig Hybridmodelle – die Umsetzung ist herausfordernd, die Ergebnisse rechtfertigen aber die Mühe.
LTV: Herr Weigler, Sie selber haben viele Jahre Erfahrungen in großen Finanzinstituten gesammelt. Kann man den Stand von „Legal Tech & Managed Legal Services“ hier mit ähnlichen Entwicklungen in der Banken-Branche vergleichen?
Weigler: Da gibt es viele Ähnlichkeiten: Die Motivation, sich mit IT zu befassen, ist zum Teil ähnlich, manchmal Kostendruck, manchmal eine immer weiter auseinandergehende Schere von Arbeitslast und verfügbaren Ressourcen. Der Verlauf, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, ist vergleichbar. IT-Themen sind kein Selbstzweck, nicht alles was technisch möglich ist, ist aus Kundensicht auch sinnvoll. Die Geburtswehen sind ähnlich: Wer kann IT, wer Daten, wer kann IT/ Daten und Fachlich zusammen. Was ist der Unterschied? Die digitalen Möglichkeiten sind heute viel größer, die Veränderungsdynamik viel schneller. Mir scheint es wichtig, sich bei all den großen Möglichkeiten zu fokussieren.
LTV: Wie betrachten Sie den Datenschutz Ihrer Mandanten? Liegen darin eventuell Hindernisse, um KI -/ Machine Learning Programme zu entwickeln?
Weigler: Es führt aktuell kein Weg daran vorbei, sich mit dem Umgang mit Daten intensiv auseinanderzusetzen. Die Zukunft wird – ob wir das wollen oder nicht – viel weitergehend digitalisiert und datengetrieben sein als die Gegenwart. Dieser Trend macht vor der Rechtsberatungsbranche nicht halt. Es ist daher aber auch ganz natürlich, dass der beliebigen und unbeschränkten Nutzung von Daten ein Riegel vorgeschoben wird. So kommt dem Schutz von Mandantendaten seit jeher aus berufsständischer Sicht eine herausgehobene Bedeutung zu, der wir natürlich gesetzlich verpflichtet sind. In einem Managed Legal Service ist jedem Auftraggeber folgerichtig immer transparent, welche Systeme für welchen Zweck genutzt werden und wo seine Daten liegen.
LTV: Wie sehen Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung bei Ihren Auftraggebern, Herr Baumann?
Baumann: Das Thema „Nachholbedarf“ in Sachen Digitalisierung im öffentlichen Sektor ist sehr präsent. Wir beobachten aktuell eine Vielzahl von Entwicklungen, Maßnahmen und Aktivitäten im Markt, um hier voranzukommen. Die erfolgreiche Umsetzung setzt voraus, dass es übergeordnet oder auch projektindividuell jemanden gibt, der die Sache mit Kompetenz und Engagement vorantreibt. An verschiedenen Stellen sehen wir bereits, dass Bereitschaft und Interesse unserer Mandanten steigen, neue Wege in Form innovativer oder agiler Umsetzungsmodelle zu gehen. Digitalisierung im öffentlichen Sektor bedeutet vielfach zunächst eine Neustrukturierung von Prozessen. Einer erfolgreichen Umsetzung muss man daher auch die notwendige Zeit gewähren. Damit es schneller vorangeht, würde ich mir an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr Mut der Beteiligten wünschen, das Thema zu treiben und umzusetzen.
LTV: Wie wird Ihre Arbeit, Herr Baumann, in 10 Jahren aussehen? Wird es schon deutlich mehr Software von der Stange geben oder muss noch viel für Ihre Kunden selbst entwickelt werden?
Baumann: Das ist ein langer Prognosezeitraum. Für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe darf damit gerechnet werden, dass sich der Markt der Spezialsoftware-Anbieter konsolidiert hat. Vielleicht kann man dann in einem solchen Bereich von Standardsoftware sprechen. In jedem Fall wird die Leistungserstellungstiefe bei den Auftraggebern deutlich abnehmen, die Integration mit Dienstleistern und Partnern der Regelfall sein. Welche Chancen und Risiken sich mit einer intensiveren Nutzung von Daten ergeben, kann nicht antizipiert werden. Ich wünsche mir einen souveränen, nutzenstiftenden Umgang.
LTV: Vielen Dank für das Interview.