Europäische Benchmarkstudie zur Digitalisierung der Rechtsabteilung
Wolters Kluwer und die European Legal Tech Association (ELTA) haben gemeinsam eine umfassende Studie erstellt, welche die Auswirkungen der Digitalisierung in den Rechtsabteilungen von Unternehmen in ganz Europa untersucht. Der Bericht basiert auf einer umfassenden Umfrage unter mehr als 520 Rechtsabteilungen, die zwischen Mai und August 2023 durchgeführt wurde, und untersucht den aktuellen Stand der digitalen Transformation in der Rechtsabteilung. Die Studienergebnisse zeigen, dass Budgets die größte Herausforderung bei der Anschaffung von Technologie darstellen, dass es generell an langfristigen Digitalstrategien mangelt und dass die Teams bei der Implementierung von Technologielösungen am häufigsten vor Herausforderungen stehen.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
– Mehr als ein Viertel (27 %) der Rechtsabteilungen in Europa gaben an, dass sie nicht über eine Digitalstrategie verfügen. Von denjenigen, die angaben, über eine Digitalstrategie zu verfügen, gaben 38 % an, dass diese nur für die nächsten 12 Monate gilt und nicht langfristig angelegt ist.
– Knapp die Hälfte (46 %) der Befragten gab an, dass ihre Abteilung jetzt über eine „Legal Operations“ Funktion verfügt, zu der Teams gehören, die für die Einführung von Technologielösungen und die Optimierung digitaler Prozesse zuständig sind. 47 % gaben hingegen zu, dass ihre Organisation keine solche Funktion hat.
– 57 % der Befragten gaben an, dass die Sicherung des Technologiebudgets eine große Herausforderung für Rechtsabteilungen darstellt. Für die Rechtsabteilungen, die über eine etablierte Digitalstrategie verfügen, ist die Zuweisung eines Budgets für digitale Lösungen entscheidend. Allerdings gaben 38 % der Befragten an, dass kein spezielles Budget für digitale Tools vorgesehen ist. Diese Zahl steigt auf 43 %, wenn die Befragten angaben, dass die jährlichen Ausgaben ihrer Rechtsabteilung mehr als 100.000 € betragen.
– Die Rechtsabteilungen verwenden derzeit eine breite Palette von Methoden zur Verwaltung ihrer Verträge und Rechtsdokumente. 43 % nutzen gemeinsam genutzte Laufwerke, während 30 % eine Software zur Verwaltung des Vertragslebenszyklus einsetzen. Weniger beliebt sind Papierarchive, die von 11 % genutzt werden, und Tabellen, die von 5 % verwendet werden.
– Laut 66 % der Befragten ist der Return on Investment (ROI) der wichtigste Faktor, der die Entscheidung der Rechtsabteilung über den Kauf von Technologieprodukten und -dienstleistungen beeinflusst. Etwas weniger als die Hälfte geben an, dass Schulung und Support sowie die Anpassung an Kundenwünsche wichtige Faktoren sind. Zu den am wenigsten wichtigen Faktoren, die die Kaufentscheidung beeinflussen, gehören die finanzielle Tragfähigkeit des Anbieters, die laufende Beziehung zum Anbieter und die Schnelligkeit der Lieferung.
– Die Befragten hatten ein breites Meinungsspektrum darüber, wie sich künstliche Intelligenz auf ihren Beruf auswirken wird, die Aussichten sind jedoch generell optimistisch. Sie glauben, dass KI dazu beitragen kann, die Effizienz zu steigern, den Zeitaufwand für einfache Aufgaben zu verringern und Arbeitsabläufe zu beschleunigen. Die meisten nehmen an, dass sich der Wandel in den nächsten Jahrzehnten allmählich vollziehen wird, und einige sagen voraus, dass KI in naher Zukunft einige Stellen in Rechtsabteilungen und Assistenzrollen ersetzen wird.
Schlussfolgerungen
Obwohl sich Jurist:innen in Rechtsabteilungen der Notwendigkeit und Vorteile digitaler Tools bewusst sind, deuten die Ergebnisse der Umfrage darauf hin, dass sich die Rechtsabteilungen noch in einem relativ frühen Stadium ihrer Digitalisierungsreise befinden. Die größte Herausforderung ist nach wie vor die Sicherung des Budgets für entsprechende Tools. Einige Rechtsabteilungen müssen ihre Digitalstrategie gar erst noch festlegen: Über 25 % der befragten Expert:innen gaben an, dass sie keine klare Digitalstrategie haben. Die Hälfte der befragten Rechtsabteilungen nannte auch die Akzeptanz ihrer Stakeholder im Unternehmen als eine der größten Herausforderungen bei der Einführung neuer Technologielösungen.
Nichtsdestotrotz sind sich die Befragten bewusst, dass Technologie ein wichtiger Verbündeter bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen sein wird, einschließlich der dringlichsten wie der Strukturierung von Prozessen, der Zentralisierung juristischer Daten und der Bewältigung hoher Arbeitsbelastungen. Rechtsabteilungen gehen davon aus, dass sie in der Lage sein werden, KI zu nutzen, um Aufgaben zu automatisieren und die Rechtsabteilung in eine strategischere Position innerhalb des Unternehmens zu bringen.
Um den Fortschritt auf der digitalen Reifekurve zu beschleunigen, könnten sich Rechtsabteilungen Beratung und Unterstützung bei der Ausarbeitung langfristiger Digitalstrategien und beim Nachweis des ROI und der Vorteile neuer Technologien suchen. Damit ließen sich Budgets sichern und die Zustimmung interner Stakeholder einholen.
Fokus Deutschland: 22% der deutschen Rechtsabteilungen haben keine Digitalstrategie
Mit Blick auf die in Deutschland ansässigen Rechtsabteilungen zeigt sich, dass 26% bereits seit mehr als drei Jahren über eine Digitalstrategie verfügen, weitere immerhin weitere 22% seit ein bis drei Jahren. 22% der deutschen Rechtsabteilungen verfügen hingegen nicht über eine Digitalstrategie.
Auch in Deutschland ist das Budget für die Hälfte der Befragten die größte Herausforderung, wenn es um die Einführung digitaler Tools und Services geht, gefolgt von Akzeptanz ihrer Stakeholder (39%) und Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung (33%).
37% verfügen nicht über ein spezielles Technologiebudget, 25% geben an, über ein Budget von weniger als 10.000 Euro zu verfügen.
40% der deutschen Rechtsabteilungen nutzen bereits Software zum Management des Vertragslebenszyklus, 28% nutzen geteilte Laufwerke.
46% der Befragten gaben an, dass sie die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen ihres Unternehmens und externen Parteien verbessern möchten, 44% das Informationsmanagement und ebenfalls 44% die Verwaltung von Dokumenten und Verträgen.
Über eine spezielle „Legal Operations“ Funktion verfügen 39% der Rechtsabteilungen in Deutschland.
Eckdaten zu den Teilnehmern der Umfrage
– Die Umfrage umfasst Teilnehmer:innen aus über 30 verschiedenen Branchen, wobei der Bereich „Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungen“ mit 12 % am stärksten vertreten ist, gefolgt von der IT- und Telekommunikationsbranche (10 %) und schließlich von „Verwaltungsdienstleistungen und Verbänden“ (8 %).
– Von den gesammelten Antworten kamen 28 % aus Deutschland, gefolgt von Frankreich (21 %). 18 % der Befragten sind mit Rechtsabteilungen in UK verbunden, während 16 % aus Belgien stammen. Die restlichen 17 % stammen aus verschiedenen Ländern, unter anderem aus Skandinavien, den Niederlanden und Spanien. Auch Jurist:innen aus Ungarn, Österreich und der Tschechischen Republik haben an unserer Studie teilgenommen, wenn auch in geringerem Umfang.
– Von den Umfrageteilnehmer:innen sind mehr als die Hälfte leitende Angestellte in ihrer Rechtsabteilung. 20 % sind Leiter:in der Rechtsabteilung, während 19 % die Position „Senior Legal Counsel“ innehaben. „Chief Legal Officer“ machen 17 % der Befragten aus, dicht gefolgt von „General Counsel“ mit 16 %. Zusätzlich gaben 10 % an, dass sie der Abteilung „Legal Operations“ angehören.
– Insgesamt 68 % der Befragten gaben an, dass ihr Rechtsteam aus weniger als 10 Personen besteht. In 32 % der befragten Rechtsabteilungen gibt es mindestens 10 Teammitglieder, und 12 % dieser Abteilungen beschäftigen mindestens 50 Personen.
– 34 % der befragten Rechtsabteilungen geben an, dass der Jahresumsatz ihres Unternehmens unter 125 Millionen Euro liegt. Über 20 % geben einen Jahresumsatz zwischen 125 und 500 Millionen Euro an. Bemerkenswert ist, dass 19 % der befragten Unternehmen einen beträchtlichen Jahresumsatz von mehr als 1 Mrd. € aufweisen.