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Wie KI-Assistenten die juristische Praxis verändern (können) – der entscheidende Faktor Mensch

Ein KI-Assistent im Rechtsbereich nutzt Künstliche Intelligenz, um Aufgaben im juristischen Umfeld effizient zu bewältigen. Der Einsatz solcher KI-Assistenten bietet enormes Potenzial, um Arbeitsabläufe in Kanzleien zu optimieren.

Spezialisierte KI-Assistenten können juristische Dokumente lesen, analysieren und zusammenfassen. Sie sind in der Lage, mit hoher Geschwindigkeit juristische Gutachten zu erstellen, Dokumente zu überprüfen und spezifische Vertragsklauseln in umfangreichen Datenbanken zu finden. Derzeit eignen sich solche KI-Assistenten vor allem für administrative, standardisierte juristische Aufgaben, bei denen vorhandenes Know-how und Vorlagen genutzt werden können. Aufgaben, die eine hohe Individualität erfordern, profitieren hingegen weniger von KI-Unterstützung.

So vielversprechend die Technologie auch sein mag, ihr Erfolg hängt maßgeblich vom Faktor Mensch ab. Die richtige Technologie für die eigenen Bedürfnisse zu finden, kann eine Herausforderung darstellen. Die erfolgreiche Implementierung und die damit zusammenhängende Realisierung der erwarteten Rendite hängen jedoch maßgeblich davon ab, dass die Technologie optimal von den Mitarbeitenden genutzt wird. Damit die Technologie nicht nur von der Innovationsabteilung und einzelnen Enthusiasten verwendet wird, sondern tatsächlich in die Breite getragen und innerhalb der gesamten Kanzlei genutzt wird, ist es essenziell, alle Mitarbeitenden einzubeziehen und kontinuierlich zu unterstützen.

Dies erfordert gezielte Maßnahmen wie Schulungen und Trainings, die Vermittlung von Prompting Skills sowie die Bereitstellung von Ressourcen wie einer Prompt Library. Nur durch ein umfassendes Change Management und eine fortlaufende Unterstützung können Anwälte und Anwältinnen die notwendigen Fähigkeiten entwickeln und die Motivation aufrechterhalten, um die KI-Technologie erfolgreich in ihre tägliche Arbeit zu integrieren.

Change Management: Der Schlüssel zur erfolgreichen Integration

Change Management ist unerlässlich, um die Nutzung neuer Technologien sicherzustellen. Es geht darum, die Mitarbeitenden auf die Veränderungen vorzubereiten, sie durch den Prozess zu begleiten und ihre Akzeptanz zu gewinnen. Derzeit befinden wir uns in einer Phase, in der beim Einsatz von KI Fehler passieren können und die Ergebnisse keinesfalls ungeprüft übernommen werden sollten. Dies erschwert insbesondere Anwältinnen und Anwälten die Akzeptanz der neuen Technologie.

Eine Skepsis gegenüber der neuen Technologie beruht auf der Enttäuschung, dass generative KI nicht in der Lage ist, die Arbeit vollständig zu übernehmen. Erwartungsmanagement bei der Einführung neuer Technologien ist daher entscheidend, um Startschwierigkeiten zu überwinden. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir uns derzeit in einem Stadium befinden, in dem KI-Assistenten einen Produktivitätsgewinn bei vielen kleinen Tätigkeiten darstellen können, aber die Arbeit sicher nicht vollständig abnehmen.

Um das Change Management zu erleichtern, haben sich die folgenden Maßnahmen als effektiv erwiesen:

Schulung und Weiterbildung: Gezielte Schulungsprogramme und Weiterbildungen sind essenziell, um den Nutzenden von KI-Assistenten die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Diese Schulungen sollten die Vorteile und Grenzen der Technologie, insbesondere im juristischen Bereich, behandeln. Dadurch wird das Verständnis und die Akzeptanz dieser neuen Hilfsmittel gefördert und die Mitarbeitenden sind besser in der Lage, eigene Anwendungsfälle zu identifizieren.

Transparente Kommunikation: Offene und regelmäßige Kommunikation über die Ziele, Vorteile und potenziellen Herausforderungen der KI-Implementierung innerhalb der Kanzlei ist entscheidend. Dies hilft, Bedenken auszuräumen und Vertrauen in die neue Technologie aufzubauen. Regelmäßige Update-Calls, Help Desks, und Best-Pratice-Veranstaltungen, helfen, den aktuellen Stand und die nächsten Schritte der KI-Implementierung zu erläutern.

Einbeziehung der Mitarbeitenden: Die aktive Einbindung der Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess fördert das Gefühl der Mitgestaltung und erhöht die Akzeptanz. Feedback und Vorschläge der Mitarbeitenden sollten ernst genommen und in den Implementierungsprozess integriert werden. Dies kann durch die Einbeziehung bei Piloten erreicht werden, in denen individuell Feedback abgefragt wird.

Pilotprojekte und schrittweise Einführung: Durch die Durchführung von Pilotprojekten und eine schrittweise Einführung der KI-Technologie können erste Erfahrungen gesammelt und Anpassungen vorgenommen werden, bevor die Technologie vollständig implementiert wird.

Prompting Skills: Die Kunst der richtigen Befehle

Eine der wichtigsten Fähigkeiten im Umgang mit KI-Assistenten sind die sogenannten Prompting Skills. Diese Fähigkeit ermöglicht es, der KI klare und präzise Anweisungen zu geben, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Obwohl viele Lösungen durch gutes Prompt Engineering im Hintergrund bereits erhebliche Arbeit abnehmen können, bleibt die Notwendigkeit klarer und präziser Befehle bestehen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind junge Associates mit wenig Berufserfahrung. Auch ihnen müssen die Erwartungen an eine Aufgabe detailliert und verständlich geschildert werden. Bei der Anweisung an einen nicht-menschlichen Assistenten werden diese Grundsätze jedoch manchmal vernachlässigt. Eine vage Anweisung wie „Fasse dieses Dokument zusammen“ würde einer menschlichen Assistenzkraft kaum weiterhelfen. Ebenso benötigt ein KI-Assistent klare und spezifische Anweisungen, um die gewünschten Ergebnisse zu liefern. Um Kollegen und Kolleginnen zu unterstützen, eignen sich die folgenden Maßnahmen:

Vermittlung der Grundlagen des Promptings: Durch regelmäßige Workshops und Help Desks können die Grundlagen des Promptings vermittelt werden.

Spezialisierte Trainings: Je nach Praxisgruppe, Anwendungsfall und Anbieter eignen sich spezialisierte Trainings, um die spezifischen Anforderungen zu erfüllen.

Prompt Library: Eine nützliche Ressource ist eine Prompt Library, in der bewährte und erfolgreiche Anfragen gesammelt und kategorisiert werden. Diese können als Inspiration oder Vorlage für neue Anfragen dienen.

Motivation: Der Antrieb zum Erfolg

Die Motivation der Mitarbeiter ist ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Einsatz von KI-Assistenten. Motivierte Mitarbeiter sind eher bereit, sich auf neue Technologien einzulassen und sich die notwendigen Fähigkeiten anzueignen. Sie erkennen die Chancen und Vorteile, die die Technologie bietet, und nutzen diese proaktiv für ihre Arbeit. Insbesondere bei Fee Earnern darf die Erreichung von Stundenvorgaben nicht in Konkurrenz zur Nutzung von KI-Assistenten stehen. Anreizsysteme können Mitarbeitende motivieren, sich noch intensiver mit KI-Assistenten zu beschäftigen und an der Verbesserung von Prototypen zu beteiligen. Dies kann beispielsweise durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

Allokation von Billable Hours: Fee Earner können eine festgesetzte Anzahl von Stunden jährlich in Form von nicht-abrechenbaren Stunden für den persönlichen Bonus für die Implementierung und Entwicklung von KI-Assistenten angeboten werden. Dies ermöglicht ihnen, ohne Nachteile, Zeit für die Einarbeitung und Optimierung der KI-Technologie zu investieren.

KI Champions: Die Ernennung von sogenannten “KI Champions” innerhalb der Kanzlei kann ebenfalls zur Motivation beitragen. Diese Champions sind besonders engagierte und technikaffine Anwälte und Anwältinnen, die als Ansprechpartner und Mentoren für den Einsatz von KI-Assistenten in ihrer spezifischen Praxisgruppe fungieren. Sie fördern damit den Wissensaustausch und unterstützen ihr Team bei der Nutzung und Weiterentwicklung der Technologien.

Interne Wettbewerbe: Interne Wettbewerbe wie ein “Prompt-Wettbewerb“ können eine hervorragende Methode sein, um die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiter bei der Implementierung von KI-Assistenten in einer Kanzlei zu fördern.

Fazit

KI-Assistenten im Rechtsbereich stellen eine innovative und leistungsstarke Technologie dar, die das Potenzial hat, die juristische Praxis zu verändern. Um dieses Potential voll auszuschöpfen, muss jedoch der Faktor Mensch im Mittelpunkt stehen. Nur wenn Anwälte und Anwältinnen die notwendigen Fähigkeiten haben und motiviert sind mit der neuen Technologie zu arbeiten, kann der Einsatz von KI-Assistenten erfolgreich sein.

Autorin: Lena Mailin Haffner ist Innovation Lead bei Norton Rose Fulbright mit Sitz in Hamburg. Die ausgebildete Rechtsanwältin steuert die Umsetzung des globalen NRF Transform-Programms in Deutschland. Im Rahmen von NRF Transform werden innovative Wege zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen untersucht und technologiegestützte Ideen für Legal-Tech-Produkte entwickelt. Schwerpunkt ist die Beratung von Stakeholdern und Mandanten bezüglich des effektiven Einsatzes von Prozessen, Mitarbeitern und Technologien, um die Mandatsleistung zu optimieren.

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