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Praxisbericht: Wie man Legal Tech innerhalb von vier Wochen im OwiR umsetzen kann

Auf einer virtuellen Legal Tech Konferenz erzählten uns Rechtsanwalt Kay Reese aus Berlin und Business Developer Anselm Appel von 42DBS (ShakeSpeare Software®), wie sie innerhalb von vier Wochen ein Legal Tech Projekt zur automatisierten Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitsfällen in der Kanzlei umgesetzt haben. Wir fragten genauer nach, wie sie es bewerkstelligt haben.

Lieber Herr Reese, wobei ging es konkret bei Ihrem Projekt und wie war die Zielsetzung?

Kay Reese: Wir haben bei dem Projekt meinen Wunsch realisiert, die Automatisierung im Bereich der Ordnungswidrigkeiten voranzutreiben. Die Kanzlei ist seit mehr als fünf Jahren digitalisiert, jedoch musste nunmehr ein weiterer Schritt zur Vollautomatisierung gegangen werden, da es auch immer mehr Probleme bereitet, Fachpersonal zu finden.

Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Kay Reese: Ja, ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Wir haben es geschafft innerhalb von vier Wochen einen hochautomatisierten Ablauf auf die Beine zu stellen, der mir und meinen Mitarbeitern schon jetzt 30-45 Minuten Arbeitszeit pro Akte spart. So können wir alle Mandate mehr als fristgerecht bearbeiten und uns auf die weitere Verbesserung der Qualität und die weitere Mandatsgewinnung konzentrieren.

Herr Reese, beschreiben Sie Ihre Kanzlei gerne etwas genauer. Sind Sie eine klassische Legal Tech Kanzlei?

Kay Reese: Nach dem Referendariat habe ich mich sofort selbständig gemacht und mich dank der Spezialisierung in der Anwaltsstation sofort auf das Verkehrsrecht und das Strafrecht fokussiert. Wir sind als Kanzlei zwar hochtechnisiert, unterscheiden uns jedoch von den klassischen Legal Tech Kanzleien durch unsere nach wie vor stattfindende persönliche Betreuung, was mir auch weiterhin wichtig ist, zumal in den Bußgeldsachen immer nur ein einziger Anwalt und nie die Kanzlei mandatiert wird. Durch die Vollautomatisierung der Bußgeldsachen sind wir jedoch nunmehr in der Lage, wie eine klassische Legal Tech Kanzlei viel mehr Mandanten helfen zu können als vorher und uns auf den wesentlichsten Punkt der Mandatsbearbeitung – die Beratung – zu fokussieren.

Herr Appel, was muss man beachten, wenn man Legal Tech Projekte umsetzt?

Anselm Appel: Ein Legal Tech Projekt ist für die meisten Rechtsanwälte das erste richtige IT Projekt, den Aufbau einer Webseite mal außen vor gelassen. Insofern sollte man eine gewisse Offenheit und Geduld mitbringen und akzeptieren, dass nicht alles 100% perfekt laufen wird. Hierbei ist ein gutes Erwartungsmanagement seitens des IT-Dienstleisters hilfreich, sowie ein gewisses Vertrauen in das IT-Unternehmen seitens des Anwalts. Eine Grundvorraussetzung ist das sich gegenseitige begegnen auf Augenhöhe. Es macht beiden Seiten viel mehr Spaß, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht, dasselbe Ziel verfolgt und in einer lockeren Start-Up Atmosphäre arbeitet. Beginnen kann man mit dem Duzen [lacht].

Herr Appel, was ist dabei das Geheimnis zum Erfolg?

Anselm Appel: Von allen unseren Projekten waren immer die am erfolgreichsten, die klein gestartet, und dann gewachsen sind. Deswegen kann ich jedem, der vor der Entscheidung steht ein Legal Tech Projekt zu starten, raten: fangt klein an und freut euch an den kleinen Erfolgen. Mit Kay haben wir uns z.B. aus dem Verkehrsrecht erst einmal den außergerichtlichen Teil des Bußgeldverfahrens herausgenommen, anstatt z.B. mit Unfallschadenregulierung zu starten. Mit den positiven Erfahrungen, dem Vertrauen und den Learnings aus dem vermeintlich kleineren Projekt, können wir jetzt größere und komplexere Projekte angehen. Wenn man nicht direkt ein echtes Projekt machen möchte bieten viele Anbieter auch „Workshops“ oder „Proof-of-Concept“ Projekte an um mit Legal Tech in Berührung zu kommen.

Herr Appel, ist die Automatisierung nur im Verkehrsrecht sinnvoll oder eignen sich Ihrer Meinung nach auch andere Rechtsgebiete?

Anselm Appel: Als Rechtsgebiete für eine Automatisierung eigenen sich diejenigen bei denen es eine hohe Anzahl an ähnlich gelagerten Fällen gibt. Das Verkehrsrecht, Insolvenzrecht und das Arbeitsrecht stechen da natürlich heraus, wobei nach unserer Erfahrung das Verkehrsrecht am häufigsten nachgefragt wird. Wir betreuen aber auch Kunden im Kapitalmarktrecht, die eine Vielzahl an Mandanten in Themen wie „Diesel-Widerruf“ oder „Kreditwiderruf“ betreuen. Auch die klassischen „Legal Tech Start-up“ Themen wie Fluggastrecht, Sozialrecht oder Mietrecht werden zunehmend erfolgreicher von Rechtsanwälten/innen bespielt. In der Krisenzeit werden vor allem das Insolvenzrecht und Arbeitsrecht zunehmen.

Generell ist Automatisierung dort sinnvoll, wo dieselbe oder ähnliche Aufgabe häufig anfängt. Sie bekommen wöchentlich fünf neue Mandanten mit Ordnungswidrigkeiten? Automatisieren Sie den Ablauf. Sie sind eine Großkanzlei mit 100 beA Eingängen pro Tag? Automatisieren Sie die Ablage, Weiterleitung und Speicherung der Nachrichten. Sie bekommen täglich 50 Kundenanfragen in verschiedenen Rechtsgebieten? Automatisieren Sie die Antworten und die „Sortierung“ der Kunden.

Herr Reese, was können Sie unseren Lesern bei der Umsetzung von Legal Tech Projekten empfehlen?

Kay Reese: Digitalisierung war gestern, Vollautomatisierung von Prozessen ist nunmehr angesagt. Ohne eine Automatisierung der Vorgänge in einer Kanzlei wird das Wachstum ausgebremst und es wird in der Zukunft schwierig sich am Markt zu behaupten. Mit der Firma 42DBS habe ich einen Partner gefunden, der auf Augenhöhe mit mir in kürzester Zeit die Idee umgesetzt hat. Ich freue mich sehr über das Ergebnis und werde in naher Zukunft die Automatisierung im Unfallbereich vorantreiben.

Vielen Dank Herr Reese und Herr Appel für das interessante Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Automatisierung.

Über die Interviewten:
– Rechtsanwalt Kay Reese ist seit 2006 Rechtsanwalt und seit 2010 Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht und Geschäftsführer der Reese Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
– Anselm Appel ist seit drei Jahren für die 42DBS GmbH im Business Development für die ShakeSpeare Software zuständig und hat bereits etliche Projekte im Bereich „Automatisierung von Massenverfahren“ mit der Technik der „Legal Workflow Automation“ begleitet und umgesetzt.

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