FachartikelLegal Tech Rechtsabteilung

It’s okay to let go – Weshalb Rechtsabteilungen sich von der eMail verabschieden sollten

Kommunizieren Sie mit Ihren internen Mandanten und externen Beratern per eMail? Informieren Ihre internen Mandanten Sie über Änderungen im Sachverhalt per eMail? Suchen Sie vorhandene Informationen und Gutachten in Ihrem eMail-Postfach? Stellen Sie Rückfragen zum aktuellen Stand per eMail?

Wenn Sie eine (oder alle) Fragen mit “Ja” beantwortet haben, dann sind Sie nicht allein. Ein Großteil der Rechtsabteilungen organisieren ihre Projekte per eMail. Dabei können TechTools die Zusammenarbeit zwischen Rechtsabteilungen, ihren internen Mandanten und externen Beratern in allen Prozessschritten der Rechtsberatung effizienter und einfacher gestalten, insbesondere jedoch zu Beginn der Rechtsberatung.

Ein typischer Ablauf stellt sich in den meisten Rechtsabteilungen wie folgt dar: interne Mandanten wenden sich mit einem Sachverhalt per eMail an eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner in der Rechtsabteilung und bitten um rechtliche Beratung. Dabei handelt es sich meist um komplexe Sachverhalte die entweder noch weiterer Klärung bedürfen oder für deren Beratung weitere Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtsabteilung und aus anderen Fachbereichen eingebunden werden müssen.

Dann beginnt das was als “eMail Ping-Pong” in den Sprachgebrauch eingegangen ist: eMails zum Sachverhalt, zu notwendigen Ansprechpartnern, zu Fristen und zu weiteren Details der Beratung werden zwischen den internen Mandanten, innerhalb der Rechtsabteilung und zwischen der Rechtsabteilung und den externen Beratern versendet bis ein, für die rechtliche Bewertung geeigneter, Sachverhalt vorliegt und die notwendigen Projektteammitglieder identifiziert sind.

Dabei birgt das “eMail Ping-Pong” immer die Gefahr, dass entweder Inhalte oder Anhänge vergessen werden, die Verteiler zu klein oder zu groß sind, die aktuellsten Änderungen oder Ergänzungen nicht auf einen Blick erkennbar sind und dass die involvierten Parteien durch die schiere Masse von eMails keinen Überblick über den zu beratenden Sachverhalt und den dahinterliegenden Fristen haben.

Während der laufenden Sachverhaltsermittlung ist es auch nicht auszuschließen, dass Kolleginnen und Kollegen die involvierten internen und externen Teams verstärken oder verlassen. Diese sind meist dazu verpflichtet lange eMail-Threads zu lesen und sich den aktuellen Stand der Sachverhaltsermittlung selbst herzuleiten. Solche On-Boarding-Prozesse können nicht sicherstellen, dass die neuen Kolleginnen und Kollegen alle notwendigen Informationen erhalten, die für ihre Beratungsleistung notwendig sind.

Rechtsabteilungen verfügen jedoch meist bereits jetzt über Lösungen, die diese Risiken minimieren und eine effizientere, schnellere und transparentere Zusammenarbeit mit den internen Mandanten und den externen Beratern erleichtern: Tech Tools.

Dabei ist es für eine effiziente interne und externe Zusammenarbeit im Rechtsbereich nicht zwangsläufig notwendig ein als “Legal Tech Tool” bezeichnetes Tool zu verwenden. Vielmehr ist es sinnvoller vor Erwerb eines (Legal) Tech Tools intern mit der IT-Abteilung zu sprechen und gegebenenfalls Tools zu identifizieren, die bereits im Unternehmen vorhanden sind. Diese haben erhebliche Vorteile: die Tools sind bereits eingeführt und belasten daher keine zusätzlichen Budgets, die Tools wurden -idealerweise- vor ihrer Einführung einer IT-Security-Untersuchung und Rechtsprüfung unterzogen und haben diese erfolgreich abgeschlossen, und die Tools können von der Rechtsabteilung und den internen Mandanten gleichermaßen verwendet werden.

Dabei kann es sich um Systeme wie MS Teams, Jira, Confluence oder Notion handeln. Die Kollaboration auf solchen Plattformen erleichtert den involvierten Parteien die gemeinsame Arbeit erheblich. So könnte die Vorgehensweise bei der Nutzung in MS Teams wie folgt aussehen:

  1. Eingang der Beratungsanfrage
  2. Errichten eines MS Teams-Team
  3. Einladen der relevanten Kolleginnen und Kollegen als MS Teams Teammitglieder
  4. Hochladen der zur Verfügung gestellten Dokumente, z.B. Sachverhalt, Zeitleisten und weitere relevante Unterlagen
  5. Erstellen eines Ordners ausschließlich für die rechtlichen Dokumente
  6. Aktivieren der Mitteilungen bei Änderungen
  7. Erstellen von to do’s und Verknüpfung mit Fristen
  8. Nutzung des MS Teams Chats zur Kommunikation innerhalb des gesamten Projektteams

Dadurch wären für die Rechtsabteilungen und die externen Berater Änderungen und Ergänzungen im Sachverhalt klar, schnell und transparent erkennbar, Ansprechpartner und Fristen können aus dem Tool heraus gepflegt werden und durch die Bildung von Projektteams entfällt das Risiko, dass Kolleginnen oder Kollegen im eMail-Verteiler vergessen werden und daher Informationen zu maßgeblichen Änderungen möglicherweise nicht erhalten. Zudem wird das KnowHow zentral in den Ordnern zur Verfügung gestellt, sodass der On-Boarding Prozess und der Rückgriff auf die erarbeiteten Informationen und die zugrundeliegenden Dokumente erleichtert wird.

Die oben aufgeführten Tools beinhalten Dashboards, die das Projektmanagement innerhalb der Rechtsabteilung deutlich erleichtern, da sie Änderungen und notwendige Informationen übersichtlich für den Anwender aufbereiten. Dadurch entfallen lange Suchen in Postfächern und anderen Systemen und zeitliche Engpässe können einfacher vermieden werden.
Dabei gilt es jedoch einiges zu beachten: insbesondere müssen Tools vor deren Nutzung einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden, wenn dies nicht bereits vor der Einführung stattgefunden hat. Dies gilt besonders dann, wenn die Anwenderinnen und Anwender interne, externe, nationale und internationale Kolleginnen und Kollegen sind. Denn dadurch können sich, unter anderem, komplexe Rechtsfragen zu datenschutzrechtlichen Anforderungen, zu Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und zur eDiscovery (zivilprozessuale Verpflichtung zur Aufbewahrung und Produktion von relevanten Daten im Rahmen des Ausforschungsbeweises in Commonlaw-Staaten) ergeben.

Der Abschied von der eMail wird, wie alle Abschiede, schwer. Aber: it’s okay to let go, um schneller, effizienter und transparenter zusammenzuarbeiten und dem eMail Ping-Pong ein Ende zu bereiten.

Autorin: Fatima Hussain, LL.M. ist Rechtsanwältin und als Legal Counsel in der Automobilbranche tätig. Sie hat mehrjährige Erfahrungen in den Bereichen Produkthaftungsrecht und Global Litigation. Sie war als juristische Mitarbeiterin im Team Dispute Resolution bei Freshfields Bruckhaus Deringer tätig und erwarb an der University of Nottingham den LL.M. International Commercial Law. Zudem ist sie als Legal Innovation Advisor tätig.

- WERBUNG -