Fachartikel

Interview zum neuen Buch „New Suits – Appetite for Disruption in the Legal World“

Sind Sie bereit für Ihren neuen Anzug? Lesen Sie nachfolgend das Interview mit Guenther Dobrauz, Partner und Leader bei PwC Legal Switzerland, zu seinem mit Michele DeStefano herausgebrachten Buch «New Suits – Appetite for Disruption in the Legal World», erschienen im Stämpfli Verlag. Darin beschreibt er, weshalb das Buch, an dem über 40 internationale Autoren/innen mitgewirkt haben, für die Juristen/innen von Morgen unerlässlich ist.

LTV: Herr Dobrauz, ihr Buch sticht durch ein auffälliges und modernes Design direkt ins Auge. Für wen ist das Buch eigentlich gedacht bzw. wer ist die Zielgruppe?

Der Look des Buches unterstreicht unsere Überzeugung, dass der Rechtsbereich auch in Zukunft relevant und spannend sein wird. Alles was es dafür braucht, ist etwas Offenheit für Neues. Und natürlich sind wir stolz, dass Billy Idol-Gitarrist Billy Morrison, der auch ein sehr begabter Maler ist, das Coverbild für uns gestaltet hat, und Tom Jermann von t42design in LA dann das Gesamtdesign übernommen hat. Das Buch richtet sich grundsätzlich an jeden, der im weitesten Sinne mit dem Rechtsbereich befasst ist. Ganz besonders hatten wir natürlich angehende Juristen im Auge, denn diese werden zum großen Teil in Jobs arbeiten, die noch gar nicht erfunden sind. Gleichzeitig fokussieren wir aber auch auf Partner in Kanzleien, welche diese für die Zukunft bereit machen wollen, sowie auf Verantwortliche für In-House Rechtsabteilungen. Erst letzte Woche habe ich einen CFO und COO eines global tätigen Finanzunternehmens getroffen, die mich nach Lektüre des Buches eingeladen haben. Auch sie beschäftigen sich intensiv mit der Zukunft der Rechtsfunktion. Sie haben sich übrigens besonders für das Potential der Blockchaintechnologie und innovative Delivery-Modelle interessiert.

LTV: Das Buch ist in drei Teile aufgeteilt, die alle auf den Begriff „New Suits“ anspielen. Was ist mit diesem Begriff gemeint?

«New Suits» ist ein Wortspiel. «Suits» meint im Englischen sowohl Anzüge also auch Rechtsfälle und ist gleichzeitig auch ein Synonym für Unternehmer bzw. “Macher”. Damit wollten wir antönen, dass es an der Zeit ist, alte Zöpfe abzuschneiden (ohne das Bewahrenswerte zu verlieren) und sich die Möglichkeiten des Neuen mutig anzueignen.

LTV: Welche Erkenntnisse werden im ersten Teil des Buches vermittelt, der sich damit beschäftigt, warum Juristen/innen neue Arbeitsmethoden benötigen?

Der gesamte Rechtsmarkt steht vor Verschiebungen bisher unbekannten Ausmasses. Die Professoren David B. Wilkins und Maria José Esteban Ferrer erklären in Kapitel 1, dass es ein Fehler ist, die so genannten „alternativen“ Rechtsdienstleistungen so zu benennen, denn diese werden morgen die Norm auf dem Rechtsmarkt sein wird. Daher ist es wichtig zu verstehen, was diese machen, wie sie es machen und was davon für jeden einzelnen Marktteilnehmer abgeleitet werden kann, um zu vermeiden, nicht von dieser Lawine überrollt zu werden. In Kapitel 2 fokussiert Professor Mari Sako auf die General Counsels. Diese haben schon einmal durch ihr Erstarken den Rechtsmarkt fundamental verändert und werden durch ihren sich ändernden Anforderungskatalog wieder und weiter Brandbeschleuniger der Veränderung sein. Gleichzeitig sehen sie sich selbst massiven Herausforderungen gegenüber, denen sie insbesondere durch den Einsatz spezialisierter Technologie begegnen müssen. Professor Michele DeStefano, Professor John Flood und Karl Koller zeigen in ihren jeweiligen Kapiteln (Kapitel 3, 4 und 6), welche neuen Denkweisen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen Juristen entwickeln müssen, um weiter erfolgreich zu sein. Hierbei sind Innovationsmethoden ebenso wichtig, wie ein Verständnis für neue Herausforderungen am Interface Mensch-Maschine und im Bereich Ethik.

LTV: Der zweite Teil des Buches beschreibt konkrete Anwendungen, die der „Anwalt der Zukunft“ benötigt. Welches Resume ist hieraus zu ziehen?

In diesem Abschnitt wird zunächst der Versuch unternommen, unter Heranziehen etablierter und neuer Modelle die Auswirkungen, Risiken und Chancen vorherzusagen, die der technologische Fortschritt auf dem Rechtsmarkt insgesamt und insbesondere auf die Arbeitsplätze, Rollen und Karrieren von Anwälten und Rechtsanwälten haben könnte. Danach fokussieren die verschiedenen Autoren genauer auf die einzelnen Technologien und Möglichkeiten, die die Anwälte in die Zukunft tragen werden. Hierzu gehören z.B. Blockchain, automatisierte Rechtsdokumente und künstliche Intelligenz. Auch angrenzende Bereiche wie SupTech, RegTech und PropTech werden vertieft. Zukünftige Generationen werden wohl über die aktuelle LegalTech-Debatte ähnlich befinden, wie wir heute, wenn wir uns an Diskussionen über den Nutzen von E-Mail für Juristen Ende der 1990er Jahre erinnern, aber zunächst gilt es ein grundsätzliches Verständnis zu schaffen, um eine informierte Diskussion überhaupt erst zu ermöglichen.

LTV: Der dritte und letzte Teil des Buches beschäftigt sich mit zukünftigen Methoden und Strategien. Welche Aussagen sind hier besonders wichtig?

Hier werden Anleitungen von Praktikern geboten, die erläutern, wie die in anderen Teilen des Buches identifizierten Themen konkret umgesetzt werden können. Maurus Schreyvogel nutzt zum Beispiel die Novartis Journey, um ein Modell zu beschreiben, das von Anwaltsführungskräften eingesetzt werden kann, um operative Exzellenz in der Erbringung von Rechtsdienstleistungen zu fördern. Salvatore Iacangelo skizziert die Anwaltskanzlei der Zukunft und Professor Michele DeStefano, bietet eine Methodik zur Vermittlung von Führungskompetenz, Zusammenarbeit und Innovation für Rechtsberufe. Wo früher der einzelne, geniale Jurist dominierte, werden zunehmen multidisziplinäre Teams wichtig. In einer Welt, wo sich bald bis zu vier Generationen in nie zuvor gesehener Diversität unter einem Dach zur gemeinsamen Arbeit zusammenfinden werden, braucht es zudem neue Werte und Kultur. «There is no «I» in «Team», but there are two in «Innovation»».

LTV: Das Buch trägt den Untertitel „Appetite for Disruption“. Wie wird sich ihrer Meinung nach die Disruption der Rechtsbranche in den nächsten 10 Jahren auf Rechtsanwälte/innen und Unternehmensjuristen/innen auswirken?

Ich gehe davon aus, dass die wirklich wertvollen Bereiche erhalten bleiben werden. Anwälte und Juristen werden viel mehr für sich und ihre Mandanten tun können, und es werden neue Dienstleistungsbereiche entstehen, die wir bisher noch nicht einmal in Betracht gezogen haben. Andererseits gehe ich davon aus, dass durch mehr Transparenz Elemente wegfallen werden, bei denen der tatsächliche Mehrwert in Frage gestellt werden kann. Standardisierbare Bereiche werden standardisiert, dann automatisiert und industrialisiert: Dementsprechend werden Arbeitsplätze in diesen Bereichen verloren gehen. Zusammengefasst: Auf individueller Ebene werden wir einige Umbrüche sehen; insgesamt erwarte ich aber statt Disruption eher eine Hyperevolution, nicht zuletzt, weil das vorherrschende Modell der Branche teilweise noch durch Regulierung und Standesrecht definiert (und geschützt) wird. Technologie ist eindeutig nicht für alles eine Lösung. Allerdings kann sie ein grosser Beschleuniger und Vermittler des Wandels sein. In einer Welt, in der alles auf Knopfdruck bestellt werden kann, erwarten die Kunden heute, dass professionelle Dienstleistungen leicht zugänglich, transparent, flexibel und kostengünstig sind – all das kann nur durch den Einsatz von Technologie erreicht werden. Technologie wird auch viel mehr Flexibilität beim Arbeiten ermöglichen, was bei einer Generation mit zunehmend diversifizierter Talentbasis besonders gut ankommt. Der Einsatz von Lösungen, die kollaboratives Zusammenarbeiten statt sequentielles Arbeiten ermöglichen und der Übergang in ein vollkommen papierloses Umfeld oder die Nutzung von KI-gestützten Mitteln, um schneller und besser die Grundlage für juristische Lösungs- und Entscheidungsfindung zu schaffen, wird die Effizienz und Effektivität verbessern und es letztlich ermöglichen, mehr wirklich wertvolle Arbeit zu leisten.

LTV: Das Buch hat über 700 Seiten und weit über 40 Autoren/innen. Wie lange hat es gedauert dieses umfangreiche Werk zu erstellen und wie schwierig war es die internationalen Autoren/innen zu finden?

Die Autoren zu finden war einfach, denn die Vordenker zu den adressierten Themen sind wohl bekannt. Schwieriger war es, die vollen Kalender zu alignieren und über all die Zeitzonen zu arbeiten. Dank des grossen Enthusiasmus aller Beteiligten konnten wir das Buch in etwas über einem Jahr realisieren. Dies war aber insbesondere auch nur durch die grossartige Unterstützung des Stämpfli Verlag Teams möglich.

LTV: Am Schluss noch eine persönliche Frage: Welches ist ihr Lieblingskapitel?

Bei der Dichte an grossartigen Beiträgen ist es unmöglich ein einziges zu benennen. Ganz besonders freut mich aber der wunderbar persönliche Prolog des grossen Peter Lederer. Mehr als ein wenig stolz bin ich natürlich, dass es uns gelungen ist mit Prof. David Wilkins von der Harvard Law School, Prof. Maria Esteban von der ESADE, Prof. Mari Sako von der Oxford University, Prof. John Flood von der Griffith University und unserem Zürcher Prof. Rolf Weber, sowie natürlich meiner Mitherausgeberin Prof. Michele DeStefano von der University of Miami, akademische Vordenker wirklich aus aller Welt gewonnen zu haben. Ganz besonders am Herzen liegt mir zudem auch Maria Leistners Kapitel zum Thema Diversity.

LTV: Vielen Dank für dieses interessante Interview und viel Erfolg mit dem Buch.

Das Buch „New Suits – Appetite for Disruption in the Legal World“ kann hier erworben werden.

- WERBUNG -