Fachartikel

Erfolgreich durch den Wandel: Changemanagement in Legal Tech-Projekten

Die Einführung von Legal Tech in Kanzleien oder Rechtsabteilungen ist kein Selbstläufer. Zahlreiche IT-Projekte scheitern aus Gründen, wie z.B. mangelnde Akzeptanz durch das Management und Mitarbeitende, oder fehlender Anpassung der Prozesse an die neuen Technologien. Abhilfe kann hier ein projektbegleitendes Changemanagement schaffen.

Unter Changemanagement werden alle Aufgaben und Maßnahmen verstanden, die dazu dienen, umfangreiche Veränderungen im Rahmen der Umsetzung von Strategien, Prozessen, Strukturen oder Systemen zu bewirken. Beim Changemanagement werden somit Veränderungsprozesse bewusst gesteuert. Gerade in IT-Projekten macht es Sinn, dass Fach- und Veränderungsprojekt Hand in Hand gehen, um die Integration der fachlichen Lösungsfindung und die soziale Komponente des Veränderungsprozesses gemeinsam anzugehen. Daher gilt es Maßnahmen zu etablieren, um den betroffenen Personen der Veränderungen Hilfestellungen anzubieten. Zu den Betroffenen zählen in der Regel sowohl alle Mitarbeitende als auch die Führungskräfte. Um ein Veränderungsvorhaben erfolgreich umzusetzen, ist daher das Abholen und Einbeziehen aller Betroffenen in den Veränderungsprozess eine wesentliche Voraussetzung.

Im Dreiklang „People – Process – Technology“ konzentriert sich Changemanagement auf den Faktor Mensch, seine Bedarfe und Emotionen. Veränderungsvorhaben sind häufig geprägt von Emotionen und Widerständen. Diese werden oftmals hervorgerufen durch Ängste vor Unbekanntem und dem Festhalten an Altbewährtem. Changemanagement versucht diese Barrieren zu lösen, Ängste und Vorbehalte zu nehmen und die Menschen durch die Veränderung zu begleiten, bis dass aus der neuen Situation Alltag geworden ist. Zusätzlich kann auch die Anpassung bisheriger Prozesse auf die neuen Gegebenheiten Teil des Changemanagements sein.

Changemanagement im juristischen Umfeld

Im juristischen Umfeld und insbesondere bei Legal Tech-Projekten spielt Changemanagement bisher nur eine untergeordnete Rolle. Beim Einsatz von neuen Technologien herrscht oftmals noch das Denken, dass es ausreicht, eine Software zu implementieren. Die spätere Nutzung würde dann von selbst erfolgen. Dem ist leider nicht so. Gerade weil zahlreiche Jurist:innen immer noch nicht technikaffin sind, ist umfangreiche Schulung und Hilfestellungen beim Start, als auch darüber hinaus erforderlich. Des Weiteren laufen viele Legal Tech-Projekte häufig nur neben der eigentlichen Arbeitspraxis. Sie sind nicht Bestandteil des Kerngeschäftes und bringen keinen unmittelbaren Umsatz. Der Return on Investment ist daher erst langfristig zu erkennen, wodurch diese Projekte nicht immer Priorität genießen. Dies sind Gründe dafür, warum in juristischen IT-Projekten Changemanagement und Mitarbeiterpartizipation bisher oft vernachlässigt werden.

Erfolgsfaktoren bei Changemanagement

Mehrere Erfolgsfaktoren tragen dazu bei, Veränderung im Rahmen von Technologieeinführungen erfolgreich auf den Weg zu bringen. Hierzu gehören:
1. Change-Version erstellen
2. Unternehmenskultur berücksichtigen
3. Commitment / Engagement des Managements
4. Betroffene einbeziehen
5. Information und Kommunikation
6. Schulung und Befähigung von Betroffenen

Zur Unterstützung dieser Erfolgsfaktoren können jeweils gezielte Maßnahmen und Aktivitäten eingesetzt werden:

1. Change-Vision erstellen


Zu Beginn eines Veränderungsvorhabens ist es sinnvoll, eine Change-Version zu erstellen und Ziele zu definieren. Die Vision soll dabei die Emotionen der beteiligten Personen ansprechen und Lust auf die Zukunft machen. Zur Erstellung der Change-Vision sollten im Rahmen von Strategie-Workshops die folgenden Fragen geklärt werden:
– Wo wollen wir hin?
– Was wollen wir mit der neuen Technologie / der neuen Software erreichen?
– Wie unterstützt die neue Technologie bei der Erreichung der übergeordneten Ziele der Organisation (der Kanzlei / der Rechtsabteilung)?

Die Change-Vision gibt die Richtung vor und kann im Rahmen der Kommunikation an die User vermittelt werden. Sie trägt dazu bei, dass die Betroffenen auch in schwierigen Situationen das Zielbild und den Grund für die Veränderung nicht aus den Augen verlieren.

2. Unternehmenskultur berücksichtigen


Veränderungen können nur erfolgreich etabliert werden, wenn sie in die Unternehmenskultur passen. Die Auswirkungen der Veränderung auf die Kultur innerhalb der Organisation sollte daher von Anfang an mit berücksichtigt werden. Hierzu zählen auch das Aufdecken von verborgenen Themen im Veränderungsprozess, wie z.B.: Fähigkeiten, Beziehungen, Machtstrukturen, Werte, Spielregeln innerhalb der Organisation.

3. Commitment / Engagement des Managements


Kein Projekt wird erfolgreich sein, wenn es nicht vom Management oder der Partnerschaft akzeptiert und befürwortet wird. Daher muss das Management frühzeitig abgeholt und in das Projekt einbezogen werden. Bedarfe und Erwartungen der Führungsebene sind frühzeitig zu ermitteln und in die Projektplanung einzubeziehen. Auch eine gesonderte Information- und Kommunikation dem Management gegenüber ist zu empfehlen. In separaten Veranstaltungen, wie z.B. Werkstattberichten oder Schulungsangeboten speziell für das Management, kann auf konkrete Fragen und Bedarfe der Leitungsebene eingegangen werden.
Schließlich gilt es auch dem Management eine Vorbildfunktion zukommen zu lassen. Wird eine neue Technologie von den Führungskräften befürwortet und genutzt, ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden umso größer.

4. Betroffene einbeziehen


Die Einbeziehungen der Betroffenen fördert die Akzeptanz von Veränderungen. Im Rahmen des Projekt-Kick Offs, können die einzelnen Stakeholder- und Betroffenen-Gruppen analysiert werden (z.B. Partner/Management, Associates, Assistenz, Business Services, Mandanten). Was sind die Schmerzen und Vorteile/Erfolge der jeweiligen Betroffenengruppe in Bezug auf die neue Technologie, und mit welchen Maßnahmen können die Schmerzen gelindert und die Erfolge verstärkt werden? Auch die Identifizierung der Champions und der größten Skeptiker in der Organisation ist sinnvoll, um diese noch einmal gesondert abholen zu können. Hilfreich ist auch die Einrichtung eines projektbegleitendes Komitees, zusammengesetzt aus Mitgliedern der einzelnen Abteilungen oder Fachgruppen. Dieses kann das Kernprojekt-Team unterstützen. Hierdurch werden die Bedarfe der einzelnen Teams in das Projekt mit einbezogen. Die Mitglieder dieses Komitees können in einzelne Projektphasen mit hinzugezogen werden, z.B. bei Anbieter-Präsentationen oder beim Testen der Software. Auch empfiehlt es sich aus jedem Fachbereich oder jeder Abteilung Key User zu benennen, die speziell auf die Software geschult werden. Diese dienen dann innerhalb ihrer Teams als erste Ansprechpartner für das neue Tool.

5. Information und Kommunikation


Viele Veränderungsprozesse scheitern, weil sich beteiligte Personen nicht ausreichend informiert fühlen. Umfangreiche Information und Kommunikation gegenüber allen Betroffenengruppen ist daher wichtig, um alle Beteiligten mitzunehmen. Ziel von Information und Kommunikation sind es, betroffene Interessengruppen rechtzeitig und in geeigneter Form über Ziele, Stand und Vorgehen des Veränderungsvorhabens zu informieren. Dabei sollten sowohl alle Mitarbeitenden als auch das Management noch einmal separat angesprochen und informiert werden. Die Ergebnissen aus der Stakeholder-Analyse beim Kick-Off bieten dabei die Argumentationsbasis für die Kommunikation. Ein systematischer Kommunikationsplan sorgt dafür, dass Kommunikation regelmäßig erfolgt und alle User kontinuierlich über den Projektverlauf informiert werden. Direkt vor dem Start der neuen Software ist Kommunikation besonders wichtig, damit alle Betroffenen wissen, was zum Go Live passiert, und wie Hilfe und Unterstützen nach dem Start erfolgen.

6. Schulung und Befähigung von Betroffenen


Neue Technologien können nur erfolgreich im Unternehmen integriert werden, wenn User diese auch zu nutzen wissen. Ein auf das Unternehmen und die User zugeschnittenes Trainingskonzept bildet daher die Grundlage für die spätere Nutzung des jeweiligen Tools. Dieses sollte nicht nur aus Benutzerschulungen oder Key User Trainings bestehen, sondern auch durch weitere Hilfestellungen ergänzt werden. Hierzu gehören u.a. Schulungsmaterialien, wie z.B. Handbücher, Checklisten oder FAQs. Auch Schulungsvideos und kurze Tutorials helfen bei Fragen im Alltag. Wenn möglich, sollten diese Materialien über das unternehmensweite Intranet bereitgestellt werden. Ein eigener MS Teams-Kanal kann als Chat von allen Usern zum Erfahrungsaustausch und für Fragen in der täglichen Praxis genutzt werden.
Insbesondere zum Start der neuen Software sollten umfangreiche Maßnahmen geplant werden. Diese können z.B. aus Trainings, Online-Support, Floor Walking oder Q&A-Sessions bestehen. Grundsätzlich sollten Training und Support langfristig angelegt werden. Einmaliges Schulen der Mitarbeitenden reicht oft nicht aus. Auch nach Implementierung der Software sollte in regelmäßigen Abständen (z.B. monatlich oder quartalsweise) Schulungs- und Hilfeangebote zur Auffrischung bereitgestellt werden.

Fazit

Changemanagement sorgt dafür, dass Legal Tech-Projekte reibungsloser verlaufen und neue Software-Tools erfolgreich in Kanzlei oder Rechtsabteilung implementiert werden. Durch Einbeziehung der einzelnen Betroffenen-Gruppen, umfangreiche Information und Kommunikation, sowie langfristige Schulungen und Support wird Akzeptanz bei den Usern als auch beim Management geschaffen. Ein systematisches Changemanagement schafft somit mehr Zufriedenheit im Unternehmen und bildet eine Basis für zukünftige IT- und Innovationsprojekte.

Autorin: Anne Jacobs ist Gründerin und Geschäftsführerin der Deep Thoughts GmbH und berät ihre Kund:innen zu den Themen Informations- und Wissensmanagement, Innovation und Digitalisierung. Zuvor war sie über 15 Jahre in Wirtschaftskanzleien tätig, wo sie u.a. für den Bereich Informations- und Wissensmanagement verantwortlich war.

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