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Digitale Vertriebsstrategien für Kanzleien: Die Wege des Mandanten im Internet

Erfolgreiches Präsentieren im Internet bedeutet, die Aufmerksamkeit Suchender bewusst zu lenken. Das gilt auch für Kanzleien. Für ein zielorientiertes Lenken braucht es eine Vertriebsstrategie. Hier werden messbare Ziele definiert und festgelegt, auf welchen Wegen welche Kanzlei-Angebote zu welchen Mandanten finden sollen.

Vertrauen ist die Voraussetzung für erfolgreichen Vertrieb – auch im Netz

Einige Kanzleien im b2b-Bereich glauben nicht daran, dass man im Internet Mandanten direkt gewinnen kann. Diese Haltung verstehe ich, auch wenn die direkte Mandatsakquisition nicht unmöglich ist. Es ist eine Herausforderung, interessante und rentable Mandate direkt zu akquirieren. Was aber, unabhängig von der Mandatsakquisition, als grundlegende Voraussetzung für eine zukünftige Mandatierung immer gelingen kann und muss, ist Vertrauensbildung. Und Vertrauensbildung ist der erste Schritt im sogenannten Clients Journey – also der Reise des potentiellen Mandanten zu Ihrer Kanzlei.

Vertrauen ist ein grundlegender Bestandteil entstehender Beziehungen – so auch zum Mandanten. Wenn dieses Fundament fehlt, bleibt der Rechtssuchenden mit einem miesen Gefühl und Zweifeln zurück. Da Menschen grundsätzlich Neuem misstrauisch gegenüberstehen, ist Vertrauensbildung besonders wichtig. Dabei ist es egal, ob die Kanzlei b2b- oder b2c-Geschäft generieren will – Vertrauen ist der Anfang jeder Beziehung zwischen Menschen, also auch der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant.

Vertrauensbildung im Internet und Google Trust

Im Internet haben Kanzleien die Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen und sich gerade auch dadurch von anderen Anbietern zu unterscheiden. Vertrauenswürdige Kanzleien findet auch Google gut. Vertrauensbildung geschieht unter anderem durch folgendes:

  • schnelle Ladezeiten der Seite,
  • sehr guter, emphatischer Content,
  • hervorragende Bilder,
  • spürbare Mandantenorientierung,
  • glaubwürdige und professionelle Darstellung der Expertise,
  • Benennung von Referenzen,
  • Nennung von Publikationen zur Untermauerung der Expertise,
  • Benennung von Auszeichnungen,
  • aktive, mandantengerechte Sprache,
  • kurze Sätze,
  • gute Formatierungen, Headlines als Anker,
  • ggf. sympathische Bewegbilder und vieles mehr.

Überprüfen Sie diese Punkte und gleichen Sie sie mit Ihrem eigenen Such- und Surf-Verhalten ab. Was denken Sie, wenn Sie eine schlechte Homepage mit unscharfen und schlechten Bildern besuchen? Was passiert mit Ihnen, wenn sich die Seite nicht aufbaut? Was empfinden Sie, wenn Sie das Gefühl haben, dass einer angibt, oder gar ein Poser ist, weil er permanent mit Superlativen arbeitet?

Der Google-Algorithmus funktioniert immer mehr wie Sie selbst, denn er versucht genau das abzubilden: die menschliche Vertrauensbildung. Der sogenannte Google Trust beeinflusst das Ranking von Kanzlei-Seiten elementar und beinhaltet, neben vielen anderen Punkten, eben auch die oben genannten.

Die Homepage – viel mehr als eine digitale Visitenkarte

Wenn eine Kanzlei eine neue Homepage machen lässt (und ich weiß sehr gut, wie häufig dieses Projekt zu einem endlosen Drama mutiert), sollte sie sich immer bewusst machen, dass es sich nicht nur um eine „digitale Visitenkarte“ handelt. Eine Kanzlei-Homepage kann vieles sein und der Inhalt und die Komplexität einer Seite hängen stark vom definierten Ziel dieser Marketingmaßnahme ab. Aber da fängt das Elend schon an, denn den meisten Kanzleien ist die eigene Homepage lästig. Sie wollen sich nicht kümmern, sich keine Gedanken machen, haben eine Page, „weil das alle machen“ oder „man das heute haben muss“. Ich ziehe vor jeder Kanzlei den Hut, die sich entschließt, komplett auf eine Homepage zu verzichten und andere Wege zu rentablen Mandanten findet. Aber wenn es eine Homepage gibt, darf sie nicht aussehen wie eine Bauruine.

Wenn einem potentiell Rechtssuchenden, selbst wenn er eine Kanzlei von seinem besten Freund empfohlen bekommen hat, beim Besuch der Homepage der schlechte Atem der Geschichte entgegenschlägt, hat diese Kanzlei eine wesentliche Chance vertan. Wenn das Vertrauen dieses Mandanten noch auf andere Weise erschüttert wird, weil er zum Beispiel einen versprochenen Rückruf nicht erhält, hat man ihn eigentlich schon verloren.

Der potentielle Mandant bestimmt die Präsentation und das Angebot

Schlussendlich sollte der Wunsch-Mandant einer Kanzlei ausschlaggebend für ihre Präsentation sein. Sie haben eine wertekonservative Mandantschaft mit wenig Zeit? Dann gestalten Sie kurz, klar, verbindlich und mit dezenten Bildern, machen Sie Podcasts und drehen Sie Erklärfilme. Sie sind spezialisiert auf Erbrecht für Frauen? Dann formulieren Sie Texte empathisch, bieten Sie Check-Listen, wählen Sie Story-Telling als Form des Berichtens.

Besonders wichtig ist es, dass sich der potentielle Rechtssuchende im Angebot wiederfindet. Bloße juristische Kompetenz-Entleerungen im Netz bringen dem Mandanten nichts, denn im Zweifel kann er sein Rechtsproblem noch nicht einmal in die Tätigkeitsbeschreibung der Kanzlei einordnen.

Befassen Sie sich also mit Ihrer Zielgruppe. Ist sie männlich oder weiblich? Welche Altersstruktur weist sie auf? Wie ist das Nutzungsverhalten im Netz bei Ihrer Zielgruppe? Smartphone oder Computer? Zu welchen Zeiten erreichen Sie Ihre Zielgruppe am besten? Wie ist ansonsten das Medienverhalten dieser Zielgruppe? Ist diese Zielgruppe in Interessensvertretungen organisiert? Gibt es soziale Netzwerke, die Ihre Zielgruppe nutzt? All das muss Ihre Präsentation und Ihr Angebot im Netz bestimmen. Dabei soll natürlich auch Ihre Persönlichkeit transportiert werden – allerdings wird die Form der Darbietung wesentlich vom Mandanten bestimmt. Sich auf diesen Rollentausch (Perspektivwechsel) einzulassen, fällt nicht leicht und erfordert Disziplin. Checklisten für mandantenorientiertes Marketing können helfen, den Mandanten zu keinem Zeitpunkt aus dem Auge zu verlieren.

Tipps für Ihre digitale Vertriebsstrategie

1. Definieren Sie ein strategisches Ziel.
Das könnte zum Beispiel sein, dass Sie die Themenführerschaft im Internet für ein spezielles Rechtsthema erreichen wollen, zum Beispiel: Massenkündigungsverfahren. Ziele können auch die Erhöhung der Bewerberzahlen oder die Erhöhung der Mandantenanfragen sein. Im besten Falle ist Ihr Ziel klar und messbar.

2. Befassen Sie sich intensiv mit Ihrer Zielgruppe.
Beschaffen Sie sich möglichst viele Informationen über Ihre Zielmandanten. Wenn Sie einen Ihrer Wunsch-Mandanten am Haken haben, befragen Sie ihn danach, wie er zu Ihnen gefunden hat, was ihn überzeugt hat. Solche Fragen sind legitim – sie können sehr gut in das erste Mandantengespräch eingebunden werden, ohne dabei aufdringlich zu sein.

3. Befassen Sie sich mit der Lebenswelt Ihres Mandanten.
Da, wo sein Bedürfnis und/oder sein Schmerz liegen, liegt ihr Produkt. Im b2b-Bereich sind es häufig die Probleme Ihres Mandanten mit seinen Kunden und/oder Geschäftsabläufen. Im b2c-Bereich sind es direkte, persönliche und häufig emotionale Fragen.

4. Machen Sie sich sichtbar für Google.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Internet-Auftritt suchmaschinenoptimiert (SEO) ist. Bilden Sie die Suchintention ihrer möglichen Mandanten ab. Beachten Sie Basics wie


  • Mobile First (also höchste Priorität bei der Darstellung auf mobilen Endgeräten),
  • klassische Keyword-Recherche,
  • gute Seitenstruktur,

  • suchmaschinenoptimierte Inhalte (für das Internet wirksame Texte),
  • fehlerfreie Internationalisierung (viele Kanzleien, die sich mehrsprachig im Netz präsentieren, haben einen optimalen deutschen Auftritt, aber eben keinen optimalen internationalen Auftritt),
  • genügend Page Speed (also tragen Sie dafür Sorge, dass die Seite sich schnell genug aufbaut).

Sehr viele Kanzleien unterschätzen die Bedeutung des eigenen Internetauftritts. Zudem wird die zunehmende Internetnutzung bei der Anwalts-Suche und -Recherche nicht ausreichend beachtet und zu wenig Priorität auf die Nutzungsoptimierung bei mobilen Endgeräten gelegt. Kanzleien sollten sich nicht mehr hinter ihrer mangelnden Affinität für digitale Medien oder dem Standesrecht verstecken. Anwälte sollten verstehen lernen und die eigene Vertriebsstrategie auf die digitalen Bedürfnisse ihrer potentiellen Mandanten ausrichten und greifbare, konkrete und verbindliche Angebote präsentieren. Das Internet bietet hervorragende Möglichkeiten, sich völlig neuen Mandanten mit völlig neuen Angeboten zu präsentieren. Schade, wenn diese Chance verpufft.

von Liane Allmann. Die Autorin, Dipl.-Betriebswirtin Liane Allmann, ist Inhaberin der Spezial-Agentur Kitty&Cie. Seit mehr als 20 Jahren unterstützt sie Kanzleien bei der Entwicklung und Umsetzung von Vertriebs- und Marketingstrategien. Als zertifizierte Competence-Trainerin der Steinbeis-Hochschule Berlin bietet sie Workshops, Trainings und Coachings für Anwälte.

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