Fachartikel

Den Ferrari nicht im ersten Gang fahren – Set-Up und Customizing von Legal Tech-Lösungen

Dass Legal Tech verstärkt zum Einsatz kommt, ist sehr zu begrüßen. Bei aller Unschärfe des Begriffs ist deren Ziel oft, Anwendern die Behandlung von Standardfällen ohne klassische Beratung zu ermöglichen. Dafür sind vor Launch Entscheidungen und Maßnahmen erforderlich, auf welche dieser Artikel näher eingehen soll.

Nach der Pionierzeit kommt ein Nebeneinander von klassischer und digitalisierter Beratung

In der digitalen Transformation des Rechtsmarkts beginnt sich nach Start- und Pionierzeit das nächste Stadium abzuzeichnen. Mit dem fortschreitenden Einsatz von Legal Tech scheint es zu einem Nebeneinander klassischer und digitalisierter Beratung zu kommen.

Das bedeutet ein gegenseitiges Ergänzen von Leuchttürmen für Spezialfälle und automatisierten Grundfällen, on-demand Unterstützung sowie real-time Transparenz. Der menschliche (Rechts- / Steuer-)Berater konzentriert sich entweder auf Spezialfälle oder aber auf das Einrichten und Betreuen der Tech-Lösungen.

Fest steht, dass Standardbausteine wie Checklisten, Templates oder Workflows für Anwender immer wichtiger werden. Ziel ist der Self-Service mit deutlicher Senkung von Kosten und Bearbeitungszeiten. Denn wenn ein Standardfall dergestalt abgebildet werden kann, ist Legal Tech in den meisten Fällen gut und (konkurrenzlos) günstig.

Der reine Fokus auf Legal Tech beantwortet entscheidende Fragen der Anwender nicht

Aus Anwendersicht bleiben bei aller Begeisterung über die technischen Features von Legal Tech aber nicht selten drei Fragen offen:

  • Welche Standardbausteine sind jeweils die richtigen?
  • Mit welchem Prozess und welchen Beteiligten will der Anwender sie nutzbar machen (zu unterscheiden von dem Prozess, für den Legal Tech eingesetzt werden soll)?
  • Wo endet der Standardfall und was ist dann zu tun?

Um auf diese Fragen hilfreiche Antworten zu finden, müssen Tech-Provider, Berater und Anwender zusammenkommen. Die folgenden Themen können hierbei als Hilfestellung dienen.

Es braucht klare Kriterien zur Abgrenzung der Beteiligten

Der Tech-Provider übernimmt meist die Aufnahme der tatsächlichen Prozesse, der daran Beteiligten sowie der aktuellen Pain Points.

Er unterstützt beim Projekt aber auch durch eine beratende Funktion zunächst technischer Art: Ziel ist es, die Prozesse korrekt in der jeweiligen Software abzubilden.

Hierbei kommt es insbesondere auf die anwenderseits vorhandene Datengrundlage an. Zu klären ist, welche Informationen das Tool wann benötigt und ob der Anwender diese überhaupt dergestalt bereitstellen kann oder will.

Hier kommen in der Regel zwei Themen zum Tragen: zum einen der anzunehmende Wissenshorizont des konkreten Nutzers, auf den hin z.B. Fragen und Anwendungshinweise zuzuschneiden sind, wenn die Tech-Lösung in der „Mannschaft“ Akzeptanz finden soll.

Zum anderen gilt es die Vertraulichkeitskultur der anwendenden Organisation abzubilden, wenn etwa Gehaltsdaten nur einem engen Personenkreis bekannt sein sollen. Hier bewährt sich bei ShakeSpeare® ein Herangehen über Berechtigungen oder aber das vorherige Schwärzen sensibler Daten, etwa mittels eines KI-Tools.

In aller Regel führen diese Themen auch zu möglichen Verbesserungen der Bestandsprozesse, womit spätestens jetzt Berater hinzugezogen werden. Ebenso mag die Datengrundlage für den Tool-Einsatz rechtlich noch einmal zu überprüfen sein, wobei Tech-Provider und Berater als Legal Service Provider zusammenwirken können (wie etwa bei der Contract Management-Lösung von ShakeSpeare® zur Aufarbeitung und Systematisierung der Bestandsverträge).

Davon abgesehen bestehen bei der Einführung einer Tech-Lösung typischerweise drei Rollen für den Berater:

  • Rolle 1: (klassische) Beratung in Sonderfällen
  • Rolle 2: Customizing des Tools, d.h. Bildung von Fallgruppen, Würdigung derer und Bereitstellung sowie Aktualisierung der hierfür nötigen Standardbausteine
  • Rolle 3: Nachschau und Sicherstellung der Compliance

Somit verbleibt auf Anwenderseite nach dem Input zwecks Customizings nur die Überführung des Ist-Zustands in die neue Tech-Umgebung, das Nutzen der Tech-Lösung als Solche sowie das Management aller Abweichungen vom Standardfall.

Die Standardfälle laufen ohne Berater

Die Standardfälle sind so zu wählen, dass ca. 80% des Case Loads hiermit abzudecken ist. Entscheidend ist dafür die Bildung von Fallgruppen anhand von geeigneten Trennkriterien, typischerweise im Rahmen von mehreren halbtägigen Workshops.

Ebenso wichtig ist es, alle beteiligten Personen und Themen zu bedenken. Selbst eine einfache Dienstreise betrifft in ihrem Doing Vorgesetzte, Projekt- und Kundenverantwortliche, die Kapazitäts- und Urlaubsplanung, die Buchung und Abrechnung über die richtigen Kostenstellen sowie je nach Fall die IC-Verrechnung in der Gruppe. Hinzu kommen bei der grundsätzlichen Behandlung weitere Stakeholder wie der Datenschutzbeauftragte, ein Betriebsrat, die Personalabteilung und die Geschäftsführung.

Legal Tech sollte hier mit der Pareto-Regel das Ziel verfolgen, 80% der Ersparnis mit 20% Ressourceneinsatz zu erzielen, so dass mehr Budget für eine solide Aufbereitung gerade der Sonderfälle besteht.

Der Berater konzentriert sich auf Sonderfälle

Bei Sonderfällen ist zunächst die Bildung der Grundfälle mit den hierfür nötigen Standardbausteinen und -prozessen abzuwarten. Diese sind so einzurichten, dass der Sonderfall von vorherein gar nicht unter den Standardablauf fällt oder aber in dessen Verlauf zuverlässig aussortiert wird.

An die Standardfälle schließt sich in der Anfangsphase daher zunächst nur ein weiterer Schritt an: in einem internen Eskalationsmechanismus entscheidet die Anwenderseite, ob Berater hinzuzuziehen sind. In aller Regel werden diese Berater bereits bei Einrichtung der Tech-Lösung ermittelt und dort hinterlegt. Es verbleibt somit vor allem die Frage, wer die Entscheidung treffen soll, wofür meist die Ebene der Sachbearbeiter, der direkten Vorgesetzten und / oder der Abteilungsleitung in Betracht kommen.

Im Laufe der Zeit ermöglicht es Legal Tech ebenso, gewonnene Erfahrung zu Sonderfällen zu hinterlegen, entweder als neue Fallgruppe mit den nötigen Bausteinen oder aber in Form von strukturierenden Dokumenten wie FAQs und Arbeitsanweisungen.

Zusammenfassung

Projekte im Bereich Legal Tech können nur gewinnen, wenn Tech-Provider, Berater und Anwender von Anfang an gemeinsam wirken.

Maßgeblich sind dafür die richtige Definition und Würdigung der Standardfälle, die präzise Erfassung der Anwenderprozesse sowie der Zugang zu Spezialisten im Fall des Falles.

Autor: Matthias Bosbach ist Rechtsanwalt / Steuerberater bei Ebner Stolz. Im Bereich Global Mobility Services verantwortet er digitale Lösungen in Ergänzung zur klassischen, hier grenzüberschreitenden Gestaltungs- und Abwehrberatung. Er berichtet über seine Erfahrungen aus einem Projekt im Bereich Global Mobility, umgesetzt mit ShakeSpeare®.

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