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Aus Fehlern lernen: Wie man nicht digitalisieren sollte!

Es gibt viele Beiträge dazu, wie man fehlerfrei digitalisiert. Doch aus Fehlern kann man lernen. Wer sich keine erlaubt, hat es sich zu leicht gemacht. Dieser Beitrag ist daher augenzwinkernd als Handreichung für Jurist:innen gedacht, die sich bei ihren Digitalisierungsprojekten in Rechtsabteilung oder Kanzlei hin und wieder Fehler erlauben möchten.

Keine generelle Strategie


Wer gerne und schnell Fehler machen möchte – möglicherweise ohne es zu merken – verzichtet am Besten bereits auf eine allgemeine Strategie für seine Abteilung oder Kanzlei. Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Digitalisierungprojekt günstig!

Chaos digitalisieren


Prozesse zu digitalisieren, die noch nicht standardisiert sind, erfordert zweifache Arbeit und schafft doppeltes Risiko. Die Standardisierung selbst kann schon falsch angelegt werden und die digitale Umsetzung auch noch einmal.

Ohne Not digitalisieren


Projekte in Bereichen, in denen eine Digitalisierung nicht nötig ist, führen zwar nicht direkt zu einem Scheitern des Projekts, aber immerhin zu Frust. Das Ergebnis ist unnütze Mehrarbeit für alle Beteiligten – ein unangenehmer Fehler.

Nötiges nicht digitalisieren


Auf der anderen Seite ist es auf jeden Fall fehlerhaft, Bereiche auszulassen, die sich für eine Digitalisierung geradezu aufdrängen.

Ziele unklar


Viel zu häufig wird Digitalisierung im Rechtsbereich von dem Gedanken getrieben, man müsse etwas machen. Die genauen Ziele des Projekts wie Geschwindigkeitssteigerung, Effizienz, Rechtssicherheit, Risk-Management werden jedoch nicht definiert. Damit ist die Ineffektivität der digitalen Lösung im Bezug auf die eigentliche Aufgabe schon vorprogrammiert.

Lösungswege vorgeben


Ein Digitalisierungsprojekt soll in der Regel ein konkretes Problem lösen. Den besten Weg dahin, kann jedoch vorher niemand kennen. Möglicherweise ist es der Einsatz von Künstlicher Intelligenz? Vielleicht reicht aber auch eine Excel-Tabelle für den Zweck. Wer das nicht die Projektgruppe selbst herausfinden lässt, sondern den Lösungsweg am Anfang vorgibt, der bekommt, was er verdient.

Keine Ressourcen


Wer dafür Sorgen möchte, dass ein Projekt nie fertig oder auch überhaupt nur in Angriff genommen wird, kümmert sich am besten nicht um die notwendigen Ressourcen. Ein mangelndes Budget ist oft ein zuverlässiger Show-Stopper und keine festen Zeitfenster, in denen die Mitarbeitenden an dem Projekt zuverlässig arbeiten können à la „Das schafft man nebenbei!“ garantieren, dass das Projekt auf keinen Fall fertig wird.

Analoge Prozesse kopieren


Ein häufiger Fehler ist, analoge Prozesse 1:1 digital abbilden zu wollen. Fast immer verschenkt man dabei wertvolle Möglichkeiten zur Verschlankung und Effektivitätssteigerung. Aber darum geht es ja gerade. Steigern lässt sich der Fehler übrigens noch mit der folgenden Vorgehensweise: Schlechte analoge Prozesse direkt ins Digitale zu übertragen. Dann erhält man einen schlechten digitalen Prozess.

Zu groß denken


„Wenn schon, denn schon!“, denkt sich der unerfahrene Digitalisierer und plant gleich den ganz großen Wurf. Es soll sich ja lohnen. Und je mehr Fehler auf einmal gemacht werden, desto mehr kann man aus ihnen lernen, oder? Falsch! Zu viele Fehler auf einmal ist ein Fehler mehr.

Erfahrungen ignorieren


Wir können alles selbst. Immerhin sind wir Juristen und haben privat unser Google-Konto und das Onlinebanking eingerichtet. Ein Digitalisierungsprojekt ist sicher kein Hexenwerk. Dann stellt sich heraus, es ist doch nicht so leicht. Wenn man vorher mit dem Schwesterunternehmen gesprochen hätte, wäre herausgekommen, dass dieses einen ähnlichen Prozess schon vor zwei Jahren digitalisiert hat. Dieser Fehler lässt sich steigern, indem man die Lösung des Schwesterunternehmens genaustens kopiert. Spätestens dann wird klar: Keine zwei Unternehmen, keine Organisation und keine Kanzlei sind gleich.

Nur auf Berater verlassen


Wenn man etwas selbst nicht kann, werden oft Berater angeheuert, die das Digitalisierungsprojekt umsetzen. An diesem Ansatz ist nichts falsch, solange man bemüht ist, den Wissenstransfer in die eigene Einheit sicherzustellen. Ohne Transfer bleibt man nämlich abhängig von externen Beratern: Beim Upgrade, bei der nächsten Prozessanpassung, beim nächsten Digitalisierungsprojekt. Dieser Fehler lässt sich bei jedem Schritt wiederholen und die Abhängigkeit damit fortschreiben.

Andere nicht einbinden


Etliche Fehler lassen sich sicherstellen, indem man sich bemüht, das Projekt vor anderen Einheiten geheim zu halten. Wer die IT nicht einbindet, kennt die eigene Tech-Infrastruktur und die notwendigen Schnittstellen nicht. Mit viel Glück gelingt in so einer Situation eine Insellösung exklusiv für die eigene Einheit. Wenn man neben der IT auch andere Einheiten wie etwa Fachabteilungen ignoriert, kreiert man digitale Arbeitsabläufe, die niemand braucht oder nutzen möchte. Schafft man es, sogar die Mitarbeitenden der eigenen Einheit in Rechtsabteilung oder Kanzlei im Dunkeln zu lassen, kann man diesen Fehler noch ausdehnen. Dann nutzt die neuen digitalen Prozesse garantiert niemand.

Hard-Launch


Es ist effektvoll – wie bei der Einführung des Farbfernsehens – einen Schalter umzulegen in der Hoffnung, dass dann alles bunt wird. Kurz nach der Umstellung brennt der digitale Prozess dann mangels ausreichendem Testing durch. Bei so einem Hard-Launch ohne vorheriges Testing etablieren sich aus Not behelfsmäßige Workarounds, die am Ende für immer bleiben. Wenn der Prozess aber nach der Digitalisierung eigentlich komplizierter ist als vorher, darf man von einem kapitalen Fehler sprechen.

Nichts tun


Wem die bisherigen Fehler zu aufwändig sind, kann sich auch für den größten und am leichtesten umsetzbaren Fehler entscheiden: Er/Sie fängt erst gar nicht nicht mit der Digitalisierung an. So schafft man im Handumdrehen das Äquivalent zu allen anderen Fehlern. Aber eine Warnung sei angebracht: Dieser Fehler muss dann auch jeden Arbeitstag durchgehalten werden, damit nicht aus Versehen ein erster Schritt in die Digitalisierung gemacht wird. So ein Schritt geht schneller als man denkt, weil es so viele andere Einheiten vorleben, einfordern und er zu einer digitalisierten Arbeitswelt zwanglos dazugehört. Ein solcher Ausrutscher wäre dann leider kein Fehler. Und das Fehler machen, ist ja gerade die Lernübung.

Editorial: Dank an die vielen Kolleg:innen (praktizierende & beratende), die ihre reichhaltige Erfahrung mit eigenen und fremden Fehlern bei Digitalisierungsprojekten geteilt haben. Der Beitrag stellt nur einen Auszug dieses großen Erfahrungsschatzes dar.

Autor: Dr. Daniel Halft ist General Counsel @ idealo internet GmbH und arbeitet selbständig als Digital Legal Evangelist. In dieser Eigenschaft gibt er Keynotes sowie Workshops und unterstützt als Berater Unternehmen, Organisationen und Kanzleien auf ihrem Weg in die digitalisierte Zukunft. Er ist Dozent zur Industrie 4.0 für den Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ), zu Digitaler Transformation & Agiler Arbeit für das Deutsche Institut für Rechtsabteilungen und Unternehmensjuristen (diruj) sowie Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh).

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