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Umsetzung von ESG-Pflichten: Erfolgsfaktoren für einen sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Aktuell erleben Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) eine enorme Aufmerksamkeit. Insbesondere durch die sog. Large Language Models wie ChatGPT, die auf faszinierende Weise mit Sprache umgehen, sind diese Technologien auf breiter Basis in den Fokus gerückt. KI-Projekte werden sicher auch eine wichtige Rolle in der Bewältigung der Aufgaben spielen, die die ESG-Anforderungen (Environmental/Social/Governance) an den Markt stellen. Hierbei gilt es grundlegende Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen.

Die Erfüllung von ESG-Anforderungen ist datenintensiv und scheint daher für einen Einsatz von KI anstatt „manueller Bearbeitung“ prädestiniert. In der europäischen Regulatorik zur Nachhaltigkeitsberichterstattung findet sich eine Vielzahl von Vorgaben zu Relevanz, Quantität und Qualität solcher ESG-relevanten Daten, wie etwa der Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ihren entsprechenden Dokumentations- und Berichtspflichten.

Daten, Technik, Menschen

Um ESG-Anforderungen effizient im Unternehmen zu erfüllen, können KI-Anwendungen einen wertvollen Beitrag liefern. Hierbei liegen – letztlich unabhängig von den spezifischen ESG-Themen – besondere Herausforderungen solcher Projekte häufig in drei klassischen Bereichen: Daten, Technik und Menschen. Grundsätzlich wird eine KI-Anwendung ins Spiel kommen, wenn mit technischen Mitteln aus Daten Erkenntnisse mit dem jeweils gewünschten (unternehmerischen) Mehrwert abgeleitet werden sollen, etwa aus großen Datenmengen ESG-Scores. Damit eine KI-Anwendung sinnvoll eingesetzt werden kann, wird zunächst die Frage zu beantworten sein, ob relevante Daten schlicht in tauglicher Qualität und Quantität vorhanden sind oder nicht.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Erfüllung von ESG-Anforderungen zu Beginn eines KI-Projekts häufig noch nicht klar ist, welche Daten schließlich als relevant einzustufen sind, um die entsprechenden Erkenntnisse bezogen auf die einzelnen ESG-Bereiche abzuleiten.

Falls der Datenbestand grundsätzlich brauchbar erscheint, kann es in der Praxis oftmals problematisch sein, dass diese Daten in technischer Hinsicht nicht konsolidiert aufbereitet sind, sich etwa über viele Silos verteilen. Fehlende Metadaten oder eine mangelnde Eindeutigkeit von Daten kann zudem eine reibungslose Weiterverwendung einschränken. Daneben können eine nicht leistungsfähige IT-Infrastruktur oder fehlende Schnittstellen ihr Übriges tun, um zu verhindern, dass ESG-Anforderungen mit technischer Hilfe erfüllt werden können.

Um eine sinnvolle Auswahl überhaupt treffen zu können, müssen daher zum einen die „technischen Hausaufgaben“ erledigt werden. Zudem kann mit einer solchen ersten Pflege des Datenbestands auch eine Identifikation etwaiger Datenlücken verbunden werden. Auf Basis dieser Vorarbeiten können dann in den anschließenden Prozessschritten insbesondere Auswahlstandards für Daten objektiviert werden. So lassen sich Auswahlprobleme und Gewichtungsfehler eingrenzen und die gewünschte Transparenz über die ESG-Dimensionen hinweg geschaffen werden.

Relevante Unternehmensabläufe sinnvoll gestalten

Besonders zu berücksichtigen ist im Kontext Daten bzw. Einsatz von KI im ESG-Bereich, dass sich der Umgang mit der Erfüllung der ESG-Pflichten ständig unter Einbeziehung verschiedenster Akteure am Markt weiterentwickeln wird. Auch der regulatorische Rahmen für ESG-relevante Dokumentations- und Berichtspflichten entwickelt und verdichtet sich beständig weiter. Es müssen folglich langfristig qualitativ hochwertige relevante Daten zur Verfügung gestellt werden, die etwa auch bei der Bildung und Fortschreibung künftiger Standards auch mit Dritten geteilt werden könnten. Dies wird in aller Regel voraussetzen, dass nicht nur technische Grundlagen in Unternehmen geschaffen, sondern vor allem die entsprechenden Unternehmensabläufe neu ausgerichtet werden müssen. Damit wird in aller Regel einhergehen, dass auch die zugehörigen Routinen der Mitarbeiter:innen so zu gestalten bzw. umzugestalten sind, dass diese Ziele erreicht werden können. Gerade bei der Neuausrichtung von Unternehmensabläufen sind zudem unabhängig vom ESG-Kontext juristische Gestaltungsoptionen zu beachten, um ein KI-Projekt erfolgreich durchzuführen. Dass datenschutzrechtliche Belange zu beachten sind, bedarf sicher keiner besonderen Betonung. Zuweilen schwieriger zu erkennen können dagegen Berührpunkte von KI und arbeitsrechtlichen Vorgaben sein.

Ausblick

Damit KI-Projekte zur Erfüllung von ESG-Anforderungen im Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden können, sollten insbesondere die folgenden Aspekte nicht übersehen werden.

1. ESG-Anforderungen aktiv in die Daten- bzw. KI-Strategie einbeziehen

Die Erfüllung von ESG-Anforderungen sollte als integraler Bestandteil in die allgemeine Daten- bzw. KI-Strategie des Unternehmens verankert werden. So kann insbesondere rechtzeitig geklärt werden, wie die einzelnen Anforderungen der jeweiligen operativen Unternehmensbereiche aussehen, um gemeinsam zu einer konvergenten (technischen) Lösung zu kommen.

2. Relevante Unternehmensabläufe sinnvoll gestalten

In engem Zusammenhang mit Punkt 1 steht die sinnvolle, i.e. zur Erfüllung von ESG-Anforderungen durch KI-Anwendungen geeignete, Gestaltung der Unternehmensabläufe. Hier gilt es insbesondere frühzeitig und ausreichende Ressourcen einzuplanen. Häufig wird etwa ein notwendiges Upskilling der Mitarbeiter:innen erhebliche zeitliche Aufwände nach sich ziehen, wenn nicht sogar zusätzliche Fachkräfte erforderlich sind.

3. Regulatorische Weichenstellungen verfolgen; juristische Gestaltungsoptionen beachten

Diese Empfehlung bezieht sich nicht nur auf den auf der Hand liegenden Bereich der ESG-Regulierung. Auch die gesetzgeberischen Vorgaben zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz werden aller Wahrscheinlichkeit zunehmen. Da ein KI-Projekt im ESG-Bereich oftmals verschiedenste Unternehmensbereiche berühren wird, empfiehlt sich ein regelmäßiges Assessment der zugehörigen Rechtsgebiete.

Autor: Sebastian Schüßler ist als Rechtsanwalt und Leiter der Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung bei Rödl & Partner tätig. Er befasst sich mit innovativen (Legal Tech/Legal Operations) Geschäftsmodellen sowie deren Entwicklung. Zudem lehrt Sebastian Schüßler als Founding Member des Research Lab for Law and applied Technologies (ReLLaTe) an der Frankfurt University of Applied Sciences, insbesondere zu Themen der Business Analyse im Rechtsbereich und Legal Tech.

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