KI-Kurs Teil 5: Generative KI – ein Pflicht-Thema für juristische Führungspersonen
Rapide Entwicklung der generativen KI
In den letzten beiden Jahren hat sich die Landschaft der Künstlichen Intelligenz (KI) besonders für Juristen durch die Entwicklung der generativen KI signifikant gewandelt. Diese spezielle Form der KI, die darauf abzielt, eigenständig Inhalte wie Texte, Grafiken und Daten zu erzeugen, eröffnet im juristischen Sektor völlig neue Perspektiven. Anfangs eher in anderen Branchen genutzt, erkennen Juristen nun das immense Potenzial dieser Technologie, um ihre Arbeitsweise zu revolutionieren.
Generative KI-Systeme, wie sie in der jüngsten Vergangenheit aufgekommen sind, bieten die Fähigkeit, juristische Dokumente zu generieren, Vertragsanalysen durchzuführen und sogar komplexe Rechtsfragen zu interpretieren. Diese Werkzeuge können den Zeitaufwand für traditionelle juristische Aufgaben signifikant reduzieren und gleichzeitig die Genauigkeit und Konsistenz der Arbeit erhöhen. Für Juristen bedeutet dies eine enorme Möglichkeit, effizienter zu arbeiten und sich auf komplexere und strategisch wichtigere Aufgaben zu konzentrieren.
Die Implementierung von generativer KI in Kanzleien und Rechtsabteilungen ist jedoch nicht nur eine Frage der Effizienzsteigerung. Sie ist auch ein strategischer Schritt, um wettbewerbsfähig zu bleiben in einer Welt, in der technologische Fortschritte die Erwartungen von Mandanten ständig verändern. Juristen, die sich aktiv mit dieser Technologie auseinandersetzen, positionieren sich als Vorreiter in einer zunehmend digitalisierten Rechtslandschaft.
Diese rasante Entwicklung fordert von Juristen nicht nur technisches Verständnis, sondern auch eine Anpassung ihrer Denkweise. Sie müssen lernen, mit KI als Partner zusammenzuarbeiten, um das volle Potenzial dieser Technologie für ihre Praxis zu erschließen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Bereitschaft, sich auf diese neuen technologischen Möglichkeiten einzulassen, ein entscheidender Faktor für den Erfolg in der modernen juristischen Welt ist.
Anwendung im juristischen Umfeld
Die Anwendung generativer KI im juristischen Umfeld hat bereits beeindruckende Erfolge erzielt, die die Effizienz und Effektivität juristischer Arbeit deutlich verbessern. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Automatisierung der Vertragsanalyse und -erstellung. KI-Systeme sind nun in der Lage, komplexe Vertragsstrukturen zu analysieren, relevante Klauseln zu identifizieren und sogar Entwürfe für neue Verträge zu generieren. Dies spart Juristen nicht nur Zeit, sondern reduziert auch das Risiko menschlicher Fehler.
Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist die Nutzung generativer KI in der Recherche. Traditionell eine zeitaufwendige Aufgabe, können KI-Systeme nun in kürzester Zeit relevante Gesetze, wichtige Urteile und juristische Schriften durchsuchen und zusammenfassen. Dies ermöglicht es Jurist:innen, schneller fundierte Entscheidungen zu treffen und sich auf die strategische Beratung ihrer Mandanten zu konzentrieren.
Außerdem hat die generative KI in der Rechtsberatung selbst Einzug gehalten. Einige fortschrittliche Kanzleien nutzen KI-Tools, um Erstberatungen zu automatisieren, indem sie auf Basis der eingegebenen Informationen vorläufige rechtliche Einschätzungen liefern. Diese Technologie ermöglicht es Anwälten, ihre Dienstleistungen einer breiteren Klientel anzubieten und gleichzeitig die Qualität und Konsistenz ihrer Beratung zu erhöhen.
Die Einführung gelingt nur, wenn die Führungspersonen vorangehen
Die erfolgreiche Einführung von KI in juristischen Umfeldern hängt entscheidend von der Haltung und dem Verständnis der Führungskräfte ab. Führungsteams müssen die Chancen, die KI bietet, erkennen, aber auch die potenziellen Risiken und Herausforderungen verstehen und adressieren können. Ein Schlüsselrisiko ist beispielsweise der Datenschutz und die BRAO-Regelungen, insbesondere im Hinblick auf sensible Mandantendaten. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass KI-Systeme den strengen Datenschutzgesetzen entsprechen und die Vertraulichkeit von Informationen gewährleistet ist.
Ein weiteres Risiko ist der potenzielle Widerstand innerhalb der Organisation. Die Einführung von KI kann Ängste hervorrufen, insbesondere die Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen oder die Befürchtung, dass KI die menschliche Entscheidungsfindung überflüssig macht. Es ist wichtig, dass Führungskräfte diese Bedenken ernst nehmen und offen kommunizieren, wie KI die Arbeit der Mitarbeiter ergänzen und verbessern wird, anstatt sie zu ersetzen.
Ein proaktiver Ansatz zur Risikominderung kann auch die kontinuierliche Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter umfassen, sowie regelmäßige offene Gespräche zwischen Unternehmensführung und den Mitarbeitern. Nur durch das Verständnis der Funktionsweise und der Vorteile von KI-Tools können Mitarbeiter die Vorteile dieser neuen Technologien im Alltag erkennen und sie effektiv in ihre tägliche Arbeit integrieren.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass Führungskräfte einen strategischen Plan für die Implementierung von KI-Tools entwickeln. Dabei zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Einführung von KI eher nicht in Monaten, sondern in Jahren gemessen werden muss – und damit ein zentrales Thema der Unternehmensleitung sein wird. Der Plan dazu sollte klare Ziele, Zeitpläne und Erfolgskriterien enthalten, um den Fortschritt messen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können. Eine Mehrheitsmeinung in der KI-Branche geht davon aus, dass jedes Unternehmen in den nächsten 2-4 Jahren eine eigene Unternehmens-KI aufbauen muss, um die besonderen Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens zu sichern. Durch diese sorgfältige Planung und das aktive Management potenzieller Risiken können Kanzleien und Rechtsabteilungen die Vorteile der KI voll ausschöpfen und gleichzeitig potenzielle Nachteile minimieren.
Jetzt anfangen! Planen, aber die Flexibilität beibehalten!
Um die Einführung von generativer KI im juristischen Umfeld effektiv voranzutreiben, sollten Führungskräfte proaktive Schritte unternehmen, die sowohl strukturierte Planung als auch Flexibilität für zukünftige Anpassungen beinhalten.
Ein erster wichtiger Schritt ist die persönliche Weiterbildung im Bereich der generativen KI. Führungspersonen sollten sich über die neuesten Entwicklungen in der KI-Technologie informieren und lernen, wie diese speziell im juristischen Bereich angewendet werden kann.
Parallel dazu ist es entscheidend, Schulungen und Weiterbildungsprogramme für die Mitarbeiter anzubieten. Diese Programme sollten darauf abzielen, ein grundlegendes Verständnis für KI zu vermitteln und gleichzeitig spezifische Anwendungsfälle im juristischen Kontext zu beleuchten. Dadurch wird ein breiteres Verständnis im Team gefördert und die Akzeptanz neuer Technologien erhöht.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Bildung eines dedizierten Teams oder einer Task Force, die sich speziell mit der Implementierung und Anwendung von KI befasst. Dieses Team sollte aus Mitgliedern bestehen, die sowohl juristisches Fachwissen als auch technologisches Verständnis mitbringen. Sie sind dafür verantwortlich, KI-Lösungen zu evaluieren, zu implementieren und deren Integration in die tägliche Arbeit zu überwachen.
Schließlich ist es wichtig, einen regelmäßigen Austausch innerhalb der Kanzlei oder Rechtsabteilung zu fördern, um Erfahrungen zu teilen und Feedback zur Anwendung von KI zu sammeln. Dies kann in Form von regelmäßigen Meetings, Workshops oder auch informellen Gesprächsrunden geschehen. Solch ein Austausch hilft dabei, Bedenken zu adressieren, Erfolge zu teilen und eine kontinuierliche Verbesserung der KI-Anwendungen sicherzustellen.
Wohin geht die Reise?
Die Entwicklung der generativen KI im juristischen Umfeld wird in den nächsten Jahren bedeutende Fortschritte machen und zu tiefgreifenden Veränderungen in der Art und Weise führen, wie juristische Arbeit ausgeführt wird. Eine der spannendsten Entwicklungen ist die zunehmende Fähigkeit der KI, nicht nur standardisierte Vertragsdokumente zu erstellen, sondern immer komplexere juristische Schreiben und Analyseberichte zu generieren. Eine Voraussetzung dazu ist, dass man mit GenKI Systemen arbeitet, die auch die deutschen juristischen Belange berücksichtigt (was aktuell in den meisten System nicht sehr ausgeprägt ist). Zudem wird in den ersten Schritten der Entwicklung kein System eine hundertprozentig korrekte Lösung ausspucken. Aber es ist in der Lage, einen guten ersten Entwurf zu erstellen. Wir müssen dahingehen dann umlernen, dass wir den Text kritisch lesen und bei Bedarf korrigieren. Dies könnte nichtsdestotrotz eine Revolution in der Prozessvorbereitung und in der juristischen Beratung bedeuten, indem es Jurist:innen ermöglicht, sich auf die strategischen Aspekte eines Falles zu konzentrieren, während die zeitaufwendigen Recherchen und Erstentwürfe von der KI übernommen werden.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Verbesserung der natürlichen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) durch KI. Dies wird nicht nur die Genauigkeit der Dokumentenanalyse verbessern, sondern auch ermöglichen, dass KI-Systeme zunehmend in der Lage sind, die Nuancen und Subtilitäten juristischer Sprache zu verstehen und zu interpretieren. Dadurch könnten KI-Systeme in der Lage sein, präzisere und kontextbezogenere juristische Empfehlungen zu geben. Gerade im Bereich des Know-How Management kann dies ein Game-Changer sein.
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass KI-Tools zunehmend in der Lage sein werden, Prognosen zu Prozessergebnissen zu liefern, indem sie umfangreiche Datenmengen aus ähnlichen Fällen analysieren. Dies könnte Juristen helfen, die Erfolgsaussichten eines Falles besser einzuschätzen und entsprechend zu beraten.
Die Integration von KI in ethische Überlegungen und Compliance wird ebenfalls ein wichtiger Entwicklungsbereich sein. Da KI-Systeme immer komplexer und einflussreicher werden, muss sichergestellt werden, dass ihre Anwendung ethischen Grundsätzen entspricht und gesetzliche Vorschriften eingehalten werden.
Insgesamt wird die generative KI im juristischen Bereich in den nächsten Jahren wahrscheinlich zu einer weiteren Effizienzsteigerung, einer höheren Genauigkeit in der juristischen Arbeit und einer umfassenderen und strategischeren Rechtsberatung führen. Der Mensch als Steuerer – der Human in the Loop – wird bleiben, aber effizienter werden können.
Autor: Stefan Schicker ist Rechtsanwalt und Partner bei SKW Schwarz sowie Innovationsberater mit speziellem Fokus auf KI und Mindset-Wandel.